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Städel-Museum in Frankfurt am Main präsentiert Meisterwerke von Guido Reni – Für seine Zeitgenossen war er „Der Göttliche“
Alles Gute kommt von oben – und genau dahin wenden Guido Renis biblische und mythologische Helden ihre Augen. Der Barockmaler ist zwar nicht der Erfinder dieser „himmelnden Blicke“, aber kein anderer hat sie so oft und so ausdrucksvoll eingesetzt.
Seine Zeitgenossen schätzten Renis Bildschöpfungen so sehr, dass sie ihn den „göttlichen Guido“ nannten. Er ist in Frankfurt am Main ein gern gesehener Gast: 1988/89 stellte die Schirn Kunsthalle seine Bilder aus, und nun präsentiert das Städel-Museum 164 internationale Leihgaben sowie Werke aus der eigenen Sammlung. Zu farbenprächtigen Gemälden treten Kompositionszeichnungen für Fresken, eigenhändig ausgeführte Radierungen sowie einige Vergleichsbeispiele anderer Künstler.
Der überwiegend in Bologna und zeitweilig in Rom für Papst und Kardinäle tätige Reni (1575–1642) sah sich selbst als den besten Maler seiner Zeit an. Er handelte ungern Preise aus, da er seine Werke für unbezahlbar hielt. Gleichwohl erwartete er eine fürstliche Entlohnung für seine Bilder. Papst Urban VIII. meinte, man müsse das eigenwillige Verhalten des Malers in Kauf nehmen, denn „es gibt nur einen Guido auf Erden“. Die maßgebliche Lebensbeschreibung des „göttlichen Guido“ verfasste der Jurist Carlo Cesare Malavasia, der Reni oft in seinem Atelier besuchte. Malavasia berichtet, dass Reni zutiefst religiös und zugleich abergläubisch war. Zwar strich er für seine Werke große Summen ein, verspielte die aber wieder, sodass er mit seinen zahlreichen Werkstattmitarbeitern zu eifriger Bilderproduktion gezwungen war.
Ausstellungskurator Bastian Eclercy erklärt: „Mit seiner Kunst hat Reni die religiöse Bildwelt der europäischen Malerei tiefgreifend geprägt.“ Im ersten Ausstellungskabinett wird er uns anhand von Bildern aus allen Schaffensphasen als glühender Marienverehrer vorgestellt. Sie feiern die von Engeln begleitete Himmelfahrt und von Engeln vollzogene Krönung Mariens. Stets dreht sie ihre Augen andächtig nach oben. Das 2,60 Meter hohe Gemälde „Unbefleckte Empfängnis Mariens“ (1627) stellt sie lebensgroß dar. Sie steht auf einer Mondsichel. Goldgelbes göttliches Licht fällt auf sie hinab.
Aber auch der sich im reifen Schaffen auf die Darstellung des Wesentlichen beschränkende göttliche Guido hat mal kleinformatig und vielfigurig angefangen. Das veranschaulicht die 60 Zentimeter hohe „Himmelfahrt Mariens“ (um 1598). Die auf einem Wolkenthron emporschwebende Maria umschwärmen zahlreiche Engel. Sie musizieren und singen. Bereits auf diesem frühen Meisterwerk sorgt das auf Maria goldgelb hinabstrahlende göttliche Licht für feierliche Stimmung.
Ikonen der Devotionalienkunst
Starker Nachfrage erfreuten sich Renis halbfigurige Darstellungen von Märtyrerinnen. Der himmelnde Blick der in kostbare Gewänder gehüllten „Heiligen Katharina“ (um 1606) ist tränenumflort. Auch die römische Geschichte und die antike Mythologie boten Guido Gelegenheit, Heroinen mit nach oben gedrehten Augen zu präsentieren. Die als römische Tugendheldin verehrte „Lucretia“ stellte ihre verletzte Ehre durch Selbstmord wieder her. Renis Gemälde (1625) zeigt sie mit über der entblößten Brust angesetztem Dolch. Als wolle sie die Götter fragen, ob Selbstmord die richtige Lösung sei, richtet sie den Blick in die Höhe.
Einen wiederum anderen Ausdruck nimmt der himmelnde Blick auf dem Gemälde „Bacchus und Ariadne“ (um 1611/14) an. Die von ihrem Geliebten Theseus sitzen gelassene Ariadne blickt todunglücklich gen Himmel, sodass sie den neben ihr stehenden Bacchus noch nicht bemerkt hat. Er hat ein Auge auf sie geworfen und deutet zum Zeichen der Verliebtheit auf sein Herz.
Mit Gipsabgüssen der Köpfe antiker Skulpturen, die den sterbenden Laokoon und weitere dem Tode naher Gestalten zeigen, führt die Ausstellung den himmelnden Blick auf heidnische Vorbilder zurück. Gegenübergestellt ist ihnen Renis um 1636 gemaltes „Haupt Christi“. Der geschundene Christus hat den Blick fragend himmelwärts gerichtet. Aus dieser Zeit stammt auch das eindrucksvolle Gemälde, das in felsengrauer menschenleerer Einöde den lebensgroß wiedergegebenen Christus am Kreuz darstellt. Er blickt nach oben und hat den Mund geöffnet.
In seiner Nachbarschaft sind zwei 1636 oder später geschaffene Variationen des stark nachgefragten Motivs zu sehen, die sich auf die Schilderung des dornengekrönten Hauptes beschränken. Eine weitere Darstellung des Ecce-Homo-Motivs verblüfft. Denn der nun in Dreiviertelfigur abgebildete Geschundene hat die Augen nicht wie sonst verklärt zum Himmel erhoben, sondern den Blick melancholisch kraftlos gesenkt.
Renis Darstellungen des Christus mit Dornenkrone zählen in Form gedruckter Andachtsbilder „bis heute zu den am weitesten verbreiteten Ikonen der neuzeitlichen Devotionalienkunst“, wie Kurator Eclercy erklärt.
Die „Madonna mit dem Kind und Johannesknaben“ in zwei Varianten, eine „Kleopatra“, die sich die Giftschlange an die Brust setzt, und weitere unvollendete Gemälde aus dem Spätwerk bilden den Abschluss der Schau. Nach Renis Tod registrierten die Nachlassverwalter an die 100 Ölbilder in seinem Atelier, die ihrer Vollendung harrten. Offenbar hatte der göttliche Guido trotz seines hohen Alters noch viel vor.
• Bis 5. März im Städel-Museum, Schaumainkai 23, Frankfurt am Main, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, Eintritt 16 Euro www.staedelmuseum.de