04.10.2025

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Internationale Sicherheit

Europa erhält eine harte Lektion in Realpolitik

Während im Ukrainekrieg erstmals ein Frieden in Sicht scheint, offenbart sich die europäische Außenpolitik der letzten Jahre einmal mehr als Irrweg

René Nehring
20.08.2025

Nach dreieinhalb Jahren Krieg könnte es nun schnell zu einem Frieden in der Ukraine kommen. Zwar sind nach einem Gipfel am Montag im Weißen Haus zwischen US-Präsident Trump und europäischen Vertretern – darunter Bundeskanzler Merz – sowie nach dem zuvor erfolgten Treffen Trumps mit seinem russischen Kollegen Putin in Alaska noch viele Details offen, doch ist zum ersten Mal seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ein Prozess zur Suche einer politischen Lösung des Konfliktes erkennbar.

Dazu gehört unter anderem ein in Aussicht stehendes Treffen zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Bewegung gibt es auch in der Frage von Sicherheitsgarantien für die Ukraine, während der Stand in der Frage internationaler Friedenstruppen noch unklar ist. Ein gravierender Knackpunkt war bislang die Anerkennung russischer Territorialgewinne. Weigerte sich die Ukraine – aus verständlichen Gründen – bis dato, Gebietsabtretungen zuzustimmen, so scheint es jetzt nur noch um das Ausmaß der Geländeverluste zu gehen. Zumindest sagte Selenskyj, dass er über territoriale Fragen direkt mit Putin verhandeln wolle.

Dass ein Frieden in Sicht ist, zeigen auch die Reaktionen aus Moskau. Zwar gab es von russischer Seite zunächst keine Bestätigung der Aussagen des US-Präsidenten und der europäischen Verbündeten und stattdessen eine Klarstellung des Außenministeriums, dass Russland keine NATO-Truppen zur Friedenssicherung in der Ukraine akzeptieren werde, doch ist dies kein grundsätzliches „Njet“ zu dem in Washington skizzierten Prozess.

Und so zeigte sich denn auch der Bundeskanzler im Anschluss an das Treffen euphorisch, dass seine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen worden seien. Auch in den Äußerungen der anderen europäischen Gipfelteilnehmer überwog die Zuversicht, wenngleich – etwa in Person des finnischen Präsidenten Stubb – nach wie vor Skepsis herrscht, ob Russland tatsächlich willens ist, fortan auf kriegerische Abenteuer zu verzichten.

Europa nur Zuschauer
Dass sich die europäischen Staaten weitgehend zufrieden mit dem Washingtoner Gipfel zeigen, kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in diesen Tagen harte Lektionen in Realpolitik erhalten. So ging manchem Beobachter erst im Landeanflug Trumps und Putins in Alaska auf, dass sich gerade die Führer zweier externer Großmächte möglicherweise daran machten, das weitere Schicksal unseres Kontinents zu beschließen. Und die Kommentare zum Verhalten Trumps in Washington, der sowohl Selenskyj als auch die europäischen Verbündeten miteinbezog, hatten durchaus etwas von einem erfreuten Seufzer, dass sich diese Befürchtungen nicht erfüllten.

Dabei haben die Europäer die Rolle des Zuschauers selbst gewählt. Anders als nach der Annexion der Krim 2014, als es der damaligen Kanzlerin Merkel in Minsk gelang, den Konflikt einzufrieren, haben es die europäischen Nationen seit Ausbruch des Ukrainekriegs noch nicht einmal versucht, den Krieg auf irgendeine Weise politisch zu lösen. Stattdessen träumten sie davon, Russland auf dem Schlachtfeld besiegen zu können. Jedes Waffensystem, das den politischen Entscheidern – von denen kaum noch einer Wehrdienst geleistet hat – von militärischen Beratern vorgestellt wurde, wurde als „Gamechanger“ gefeiert, mit dem es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis Moskau kapituliere.

Zu einer Symbolfigur europäischer Politik wurde EU-Kommissionspräsidentin v. der Leyen. Diese ist nicht nur verantwortlich für eine Sanktionspolitik, die selbst nach 18 Maßnahmepaketen nicht in der Lage war, Russland zu beeindrucken. Als 2024 der Ungar Orbán in seiner Funktion als EU-Ratspräsident einen Vermittlungsversuch unternahm – und dabei zunächst mit Kiew sprach und dann erst mit Moskau, Peking und Washington – wurde dieser von v. der Leyen regelrecht angefeindet. Offensichtlich ist „Brüssel“ das In-Schach-Halten der EU-Mitgliedstaaten wichtiger als die unvoreingenommene Suche nach einer Lösung des blutigen Krieges.

Unterstützt wurden die politischen Entscheider in ihrem Agieren von der Mehrheit der Medien. Etwa eine Woche nach Kriegsbeginn, als sichtbar wurde, dass die Ukraine nicht überrannt werden würde, ließen diese nur noch Stimmen zu Wort kommen, die die Erzählung von der unmittelbar bevorstehenden russischen Niederlage teilten. Dass sich die Lage auf dem Schlachtfeld tatsächlich in eine ganz andere Richtung bewegte, konnte all die „Experten“ nicht beirren.

Die Motive dafür sind vielfältig. Ein nicht ganz unwesentlicher Grund dürfte das Überlegenheitsgefühl sein, dass die westlichen Nationen nach dem Kalten Krieg gegenüber dem Osten erfasste. Russland galt nach dem Niedergang und Zerfall der Sowjetunion den meisten Beobachtern beiderseits des Atlantiks bestenfalls als zweitklassiger Gegner. Deshalb stellte sich die Frage, ob Moskau den Ukrainekrieg gewinnen könne und was dies für die westliche Sicherheitsarchitektur bedeuten würde, erst gar nicht.

Ein weiterer Grund für die westliche Haltung ist die Verschiebung des Fokus in der Außen- und Sicherheitspolitik. Diese sollte nicht mehr interessengeleitet, sondern „wertebasiert“ sein. Im Ukrainekrieg führte dies schnell zu einer Ideologisierung der eigenen Positionen und zu einer Dämonisierung des Gegners Russlands. Natürlich ist sowohl der russische Versuch, völkerrechtlich fixierte Grenzen gewaltsam zu verschieben, als auch die daraus hervorgegangenen Opfer an Menschenleben nicht zu rechtfertigen. Doch sorgte die Rhetorik Moskau gegenüber dafür, dass die Europäer auf dem Feld der Diplomatie aus dem Spiel waren.

Und so bleibt im Interesse unseres Kontinents zu hoffen, dass nicht nur der Ukrainekrieg in Kürze zu Ende geht – sondern auch, dass sich die europäischen Staaten wieder auf die Grundsätze ihrer einst erfolgreichen Außenpolitik besinnen.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 21.08.25, 05:38 Uhr

Vor über 100 Jahren lösten die Europäer ihre Konflikte selbst, aber seit sich die Engländer wie ein unmündiges Kind an den amerikanischen Rockzipfel hängten, wurden sie an die Wand gedrängt, Frankreich war ja immer nur Blinddarm von England und spielt seit Napoleon keine Rolle mehr. Viel hat auch damit zu tun, daß das Deutsche Reich als Mittelmacht seit 1918 zerfleddert wurde.
Seit 1990 spielt es wirtschaftlich und politisch keine Rolle mehr, weil seitdem die Volksvermischung zunahm und damit die Zahlungen an Fremde.
Die Zielsetzung der Drahtzieher in Bezug auf Rußland ist klar: Man will es wie Jugoslawien zerlegen.
Man setzt zusammen, man zerlegt, aber wer ist "man"? Sind das die Kräfte im Dunkeln, die man nicht benennen darf?

Gregor Scharf am 20.08.25, 15:35 Uhr

Mit dem Personal bleiben die Hoffnungen Wunschträume. Man werfe einen Blick um 15 Jahre zurück. Wer kann sich noch an die ständig mahnenden Worte Putins erinnern. Ich schon. Rückt uns nicht auf den Pelz. Rückt uns nicht auf den Pelz. Rückt uns nicht auf den Pelz. Nahezu jedes Jahr mindestens zweimal. Man verhöhnte Putin, stellte ihn öffentlich ins Abseits, Merkel und Obama lagen sich in den Armen, ergötzten sich an ihrer Macht und dachten, ein Putin hat sich zu beugen. Dass sie damit das gesamte russische Volk demütigten, kam diesen selbstherrlichen Gestalten und ihrem Gefolge nicht in den Sinn. Wir, die wir mit und unter den Russen lebten, haben wieder und wieder gewarnt. Russen sagen dreimal etwas, dann ist der Punkt gekommen, an dem sie nicht mehr reden und nur noch handeln ohne Rücksicht auf Verluste. Auf die Spitze getrieben haben es nicht die Russen. Minsk ließ dann das Fass überlaufen. Die Geduld der Russen war überstrapaziert, denn sie wurden nachweislich hintergangen. Und jetzt sollen sie diesen Vertretern der europäischen Staaten Vertrauen? Träumt weiter. Es wird eine Zeit des bröckligen Friedens geben. Das Misstrauen schafft sich nicht aus der Welt. Die Russen lassen sich kein zweites Mal über den Tisch ziehen. Um wirklichen Frieden zu schaffen, benötigen die europäischen Staaten andere Führungskräfte, unverbraucht, Vertrauen erweckend, glaubhaft.
Und was die Show in Washington anbelangt, wer es bei Phoenix verfolgt hat, konnte hören, wie Trumps Innenpolitik aussieht, wie er aufräumt und was er von den Demokraten hält. Da saßen unsere europäischen Vertreter und bekamen einen Speigel vorgehalten. Beschämender und direkter konnte es kaum sein. Jetzt konnten sie Trump nicht über die Medien verunglimpfen und alles aus dem Kontext reißen. Die Wahrheit brach sich endlich Bahn. Es bröckelt, das Gebäude Europa, weil es vom Kopf her stinkt. Den Ukrainern wünsche ich, dass sie endlich Ruhe und Frieden in ihre Heimat zurück bekommen. Wie sagte einst Chruschtschow: "Zwei Idioten können einen Krieg anzetteln. Aber es bedarf einhundert Spezialisten, um ihn zu beenden und Frieden zu schaffen." Das wird eine Mammutaufgabe für die Alliierten Siegermächte. Europa hat sich zu fügen. Wirtschaftlich am Boden, militärisch unbedeutend, politisch uneinig. Wertepolitik wird zur Lachnummer.

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