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Derry

Als britische Soldaten 13 unbewaffnete irische Demonstranten töteten

Das Jahr 1972 wurde zum blutigsten des Nordirlandkonflikts. Noch heute hält der Bloody Sunday ein Trauma der englischen Nordirlandpolitik wach

Heinrich Prinz von Hannover
30.01.2022

Der 1921 in Kraft getretene Government of Ireland Act sah eine Trennung Irlands von Großbritannien vor und teilte die Insel in zwei selbständige Staaten mit dem englischen König als Staatsoberhaupt. Beide Staaten erhielten nach englischem Vorbild jeweils eigene Zweikammerparlamente. Großbritannien behielt sich das Recht vor, außenpolitisch beide irischen Staaten zu vertreten und über Krieg und Frieden zu entscheiden sowie das gesamte irische Heer zu befehligen.

Es war keine nachhaltige Lösung, die man sich in London für Irland ausgedacht hatte. Die Unionisten des Nordens wollten weiterhin zu Großbritannien gehören, während die katholischen Nationalisten im Süden ein geeintes Irland ohne Großbritannien forderten. Der katholische Süden erkämpfte sich seinen eigenen unabhängigen Staat. Der protestantische Norden suchte seinen eigenen Weg in Anlehnung an Großbritannien. In Nord wie Süd blieben militante Minderheiten zurück, die für eine Revision der Verhältnisse kämpften. Die eigentliche Tragödie Irlands im 20. Jahrhundert bestand darin, dass keine der beiden Teile adäquate Formen eines Minderheitenschutzes verwirklichte. Und wo man intellektuell am Ende war, sollte Gewaltanwendung eine Lösung bringen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschritt Großbritannien mit Nordirland den Weg zum Wohlfahrtsstaat. Das Bildungssystem wurde reformiert und vor allem in protestantischen Gebieten verbessert. Während Nordirland mit seinen Ulster-Unionisten sich der Unterstützung von Großbritannien sicher sein konnte, fanden sich die Katholiken im Süden nach wie vor nicht mit der irischen Teilung ab. Ab 1950 lebte die Irisch-Republikanische Armee (IRA) wieder auf, und ihre Gewalt richtete sich gegen Grenzposten und Polizisten. Die Protestanten organisierten sich ihrerseits in paramilitärischen Einheiten. Beide Seiten lieferten sich schwere Straßenkämpfe vor allem in gemischtkonfessionellen Städten wie Belfast und Londonderry. Die Regierungen in Nord und Süd waren darüber gleichermaßen schockiert.

Ab 1963 polarisierte sich die politische Landschaft Nordirlands. Die Unionisten spalteten sich in zwei Lager. Für die gemäßigten Protestanten, die auf Ausgleich und Dialog setzten, stand der nordirische Premierminister Terence O'Neill. Als sich dieser mit dem irischen Premierminister Seán Lemass traf, um eine Geste der Freundschaft und ein Zeichen des Friedens für die beiden Teile Irlands zu demonstrieren, brach in Nordirland erneut Gewalt aus. Die radikalen Unionisten kritisierten das Treffen der beiden Premierminister, und sie scharten sich um Ian Paisley, der eine eigene Partei gegründet hatte. Darin versammelte er vor allem viele Arbeiter und einfache Leute, die einen kompromisslosen, harten Kurs gegen die Republik Irland einforderten. Nun begann die Zeit der Barrikaden und der Benzinbombenwürfe zwischen protestantischen und katholischen Wohnvierteln, in denen man mit einer gelegentlichen Kugel rechnen musste und in denen der Staat die Sicherheit nicht mehr gewährleisten konnte.

Mangelnder Minderheitenschutz

1969 sah sich O'Neill gezwungen, vorgezogene Parlamentswahlen in Nordirland abzuhalten. Dabei stellten sich erstmals zwei konkurrierende Unionisten-Parteien zur Wahl. O'Neill wurde zwar bestätigt, konnte sich aber in seinem Kabinett nicht mehr durchsetzen. Die Unruhen griffen immer weiter um sich, und die jährlichen Umzüge der Protestanten verschärften den Konflikt.

Die britische Armee wurde weiter verstärkt. Das wurde anfangs auch von den Katholiken befürwortet, da in ihrem Lager ein Interesse an Recht und Ordnung bestand und sie das Militär als weniger parteiisch denn die Polizeikräfte einschätzten. Aber die Armee war ihrer Aufgabe nicht gewachsen und die Bürgerkriegssituation eskalierte. In den Augen der Katholiken galten die britischen Soldaten bald wie die Polizisten als Vollstrecker des diskriminierenden Unionistenstaates. Vor diesem Hintergrund erhöhte London die militärische Präsenz und entsandte Fallschirmjägereinheiten nach Nordirland.

Das Militär enttäuschte Hoffnungen

Vor einem halben Jahrhundert, am 30. Januar 1972, richteten in Londonderry britische Soldaten ein Blutbad unter unbewaffneten Demonstranten an, die gegen das brutale Vorgehen der nordirischen Sicherheitsorgane auf die Straße gegangen waren. Dabei kamen 13 Menschen ums Leben. Deshalb ging dieser Tag vor 50 Jahren als „Bloody Sunday“ (Blutiger Sonntag) in die Geschichte Nordirlands ein. Noch heute hält dieses Datum ein Trauma der englischen Nordirlandpolitik wach, denn als wenn das Massaker an sich nicht schon schlimm genug wäre, versuchten die Behörden zunächst auch noch, es zu vertuschen. In der Öffentlichkeit stand Großbritannien am Abgrund seiner Nordirlandpolitik. An vielen Orten in Nordirland, in Großbritannien und in der Republik Irland kam es aus Protest zu Gewaltausbrüchen. In der Hauptstadt der Republik Irland, Dublin, verwüsteten aufgebrachte Demonstranten die britische Botschaft. Durch die um sich greifende Gewalt sah sich die Regierung in Westminster veranlasst, die nordirische Selbstverwaltung und Nordirland von London aus zu verwalten.

Im Laufe der Jahre kam es zwischen Nordirland und der Republik Irland zu politischen Annäherungen, die den inneren Frieden auf der irischen Insel beförderten. Zu diesem Prozess der Annäherungen früher verfeindeter Lager hat das englische Königshaus maßgeblich beigetragen. Im Jahr 2011 kam Königin Elisabeth II., die dieses Jahr ihr 70. Thronjubiläum feiert, als erstes britisches Staatsoberhaupt zu einem Staatsbesuch in die Republik Irland. Dabei besuchte sie auch den „Garten der Erinnerung“, den Ort des Gedenkens für die irischen Opfer des Kampfes gegen Großbritannien.

Heinrich Prinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, ist ein Urenkel Kaiser Wilhelms II. Er arbeitet als Verleger in Göttingen.


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Kommentare

Siegfried Hermann am 30.01.22, 10:51 Uhr

Das ist und bleibt eine Tragödie, weil keine Seite bereit ist auch nur 1 mm sich zu bewegen. In den letzten 30 Jahren wurde der Konflikt mit haufenweise EU-Geldern zugedeckt. Mit dem Brexit fürchten nicht wenige, durch das fehlende Geld, sprich Arbeits-losigkeit und Armut ein erneutes Aufflammen. Da wird man sich in London richtig lang strecken müssen, um das Griff zu behalten!
Und die Army könnte sich aufgrund der blutigen Erfahrungen und schlicht Weigerung der Kampfver-bände auf "eigene Leute zu schiessen", das Zünglein an der Waage werden. Das wiederum wird eine Kettenreaktion hervor rufen und dann wird gaaanz laut über die Zuwanderung diskutiert, ob hier noch Geld sinnfrei verbrannt und nicht doch im Ulster verwendet werden sollte.

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