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Morden im Norden: Süßer Krimimix in einem Norder Café
Foto: LädtkeMorden im Norden: Süßer Krimimix in einem Norder Café

An der Küste des Schreckens

Nervenkitzel hinterm Deich als Weihnachtsgeschenk – Die Lektüre von Ostfriesenkrimis kann lange Winternächte verkürzen

Manfred Lädtke
05.12.2024

Überall Christbäume, Krippen, Lebkuchen, Lichterglanz. An jeder Ecke dröhnt das Lied „Last Christmas“ und allerorten tummeln sich Weihnachtsmänner. Das nervt. Aber in der Tiefkühltruhe ist ja noch Platz für eine weitere Leiche. Also nix wie raus auf die winterlichen Straßen zur mörderischen Jagd nach dem bärtigen Mann. Gemordet wird jetzt hinterm Deich an der Nordseeküste. Ostfriesenkrimis liegen voll im Trend.

Mit zwei Bänden „Der Weihnachtsmann-Killer“ hat Klaus-Peter Wolf seiner Leserschar ein frühes skurril-humorvolles, nur manchmal wirklich spannendes, unterm Strich aber unterhaltsames Thrillergeschenk gemacht. Rechtzeitig zum Fest in der „Spiegel“-Bestsellerliste platziert, lässt der Weihnachtskrimi nicht nur die Glocken, sondern auch die Kasse des pfiffigen Meisterschreibers in Norddeich-Norden lieblich klingeln. Und wer noch kein Krimifan ist, der wird es vielleicht nach einem Besuch im ostfriesischen Krimimuseum. Die neue Kultstätte für literarische Schandtaten ist im Küstenort Norden am 15. November eröffnet worden.

Seit nunmehr zwölf Jahren wird in Ostfriesland landauf, landab geballert, gefoltert und gemeuchelt, was das Zeug hält. In seinen Regionalkrimis von „Ostfriesenkiller“ bis „Ostfriesenhass“ legt Wolf Blutspuren vom Festland bis zu den Ostfriesischen Inseln. Nahezu 30 schreibende Nachahmer an der friesischen Nordseeküste sollen bereits mehr oder minder erfolgreich der Wolfschen Fährte des Grauens folgen.

Touristiker jubeln, Urlauber haben einen Mordsspaß. Wie eine Sturmflut überschwemmen Wolfs Regiokrimis am „Endje van de Welt“ die Tische der Buchhandlungen. Trotz Weitsicht im platten Land – ein Ende ist nicht in Sicht. Ein Schuss ländliche Idylle, eine volle Schippe Nervenkitzel – das dürfte reichen, um auch im kommenden Jahr wieder Tausende Krimifans in die Provinz zu locken.

Bereits in der Schule war der junge Klaus-Peter Kopf einer „Geschichtenerzählerbande“. „Ich wurde von Geschichten geflutet“, erzählte er. Phantasiewelten waren seine Realität, nicht der Schulalltag. Ein zarter Hinweis auf das Meer, und schon habe er Abenteuer auf einem Piratenschiff erlebt. Später, als der ehemalige Sozialarbeiter zum Morden in den Norden kam, ließ er erstmals 2002 Blut aus der Schreibfeder fließen. Die zunächst kaum beachteten Tropfen sind inzwischen eine Monsterwelle, die alle Deiche bricht und bis in 24 Länder schwappt.

Seit 2017 jagt Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen die Serienmörder sogar in Abendkrimis am Sonnabend im ZDF. Bemüht um größtmögliche Authentizität lässt der Schriftsteller und Drehbuchautor seine hartnäckige Chefermittlerin in seiner Straße und sogar in den heimischen vier Wänden leben. Im Distelkamp 13 weiß der Experte des Verbrechens, woher der Wind weht, wo eine Tür quietscht oder eine Diele knarrt.

Krimibus blieb auf der Strecke
Mittlerweile ist die Eigenheimsiedlung beliebtes Pilgerziel für Krimifans. Dabei gibt es die Hausnummer 13 gar nicht. Finden Leser mit Spürnase dann doch eine verdächtige Hausnummer und fragen: „Wohnt hier Kommissarin Klaasen, ich würde gerne fotografieren?“, finden Wolf und dessen Nachbarn das erst recht grauenvoll. Seit der Autor fragte: „Ist es dir recht, wenn ich dein Leben fiktionalisiere und aus dir eine literarische Figur mache?“, geben Protagonisten wie ein Lokalreporter, ein Konditor oder Nachbarn wie das bodenständige Ehepaar Peter und Rita Grendel mit deren wirklichen Namen den Geschichten lokales Flair. Frei erfunden sind nur die Mörder, Opfer und Handlungen. Aus Beobachtungen, Erlebnissen und Phantasie entstehen fiktionale Handlungen, die von der Wirklichkeit an realen Plätzen getragen sind.

So gibt Hauptkommissarin Klaasen ihrem langjährigen Polizeikollegen Frank Weller im selben Saal das Ja-Wort, in dem auch der Autor geheiratet hat. Vor geduckten backsteinroten Häusern, in Straßen und Lohnen (kleinen Gassen) lesen Krimifreunde manchmal Romanpassagen und vergleichen die Verortung des Geschehens. Milieugenau mit kulturellen Bezügen schildert Wolf eine aus den Fugen geratene ostfriesische Welt – und trifft damit den Nerv nicht nur eines Erholung suchenden Ferienpublikums.

Längst bieten die Tatorte finsterer Geschehen in mittlerweile mehr als zwei Dutzend Ostfriesenkrimis reichlich Stoff für ein fröhlich-düsteres Mord-Hopping. Weil die Bösewichte Angst und Schrecken in Ostfrieslands herb-schöner Landschaft verbreiten, haben findige Tourismusstrategen die Gruselgeschichten zur Erfolgsstory für eine mordsmäßig spannende Feriengaudi fortgeschrieben.

Ein „Krimi-Caching“ über 33 Kilometer sowie eine Rätseltour „Up söök in Norddeich“ (Auf Suche in Norddeich) stellt per App den Spürsinn von Hobbydetektiven auf die Probe. Nur ein beliebter Krimibus ist auf der Strecke liegen geblieben und tourt keine Leseratten mehr in die dunklen Ecken hinter der Idylle.

Wer durch das beschauliche adventlich geschmückte Norden spaziert, muss aber auch in diesen Tagen keine Angst vor einer meuchelnden Hand aus dem Hinterhalt haben. Im traditionsreichen Café ten Cate ist die weihnachtliche Welt ohnehin in Ordnung. Der plüschig-exklusive Charme vergangener Jahrzehnte ist zwar einem nüchternen Interieur gewichen, trotzdem hat das Jugendstilhaus mit seiner cremig-schokoladigen Krimikulinarik regelmäßig und werbewirksam Auftritte in Wolfs Kriminalromanen.

Dann und wann sieht man den 70-jährigen Wahlostfriesen aus Gelsenkirchen mit Zopf und roten Hosenträgern an einem Tisch den nächsten Coup ausklamüsern. Wenn Leser allerdings nach einer Horror-Lektüre bei einsamen Deichspaziergängen ins Schwitzen kommen, dann könnte das auch Angstschweiß sein.

Buchtipp: Der Weihnachtsmann-Killer. Band 2. Ein neuer Winter-Krimi aus Ostfriesland, Verlag S. Fischer. Als Hörbuch mp3 bei GoyaLit, jeweils 16 Euro


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Kommentare

sitra achra am 07.12.24, 16:02 Uhr

Bei uns in SH, genauer in Nordfriesland, treiben hingegen die gefährlichen Julenissen Tulle und Rulle ihr Unwesen.
Vor ihrem Schabernack ist niemand sicher. Es ist wahrlich zum Fürchten.God jul!

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