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Frankreich verteidigt sein Überseeterritorium – Rohstoff Nickel spielt dabei eine wichtige Rolle
Die zur französischen Republik gehörende Inselgruppe Neukaledonien, welche im Pazifik östlich von Australien liegt, wurde in den vergangenen Wochen Schauplatz schwerer gewalttätiger Ausschreitungen. Diese forderten insgesamt sechs Todesopfer und hunderte Verletzte. Darüber hinaus gab es Sachschäden in Milliardenhöhe. Die Randalierer hatten Geschäfte, Tankstellen, Schulen, Kliniken und andere öffentliche Gebäude sowie zahllose Kraftfahrzeuge in Brand gesetzt. Die Zentralregierung in Paris reagierte mit der Verhängung des Ausnahmezustandes, der vom 15. bis zum 27. Mai galt.
Auslöser der Unruhen war die Entscheidung der Nationalversammlung in Paris, das Wahlrecht auf Neukaledonien zu reformieren. Dieses weist einige Besonderheiten auf, welche aus der Geschichte der Inselgruppe resultieren. Die ehemalige Strafkolonie wurde 1946 zum französischen Überseeterritorium erklärt, wonach 1953 sämtliche Bewohner des Archipels die französische Staatsbürgerschaft erhielten.
Das galt auch für die Ureinwohner Neukaledoniens, die sich selbst Kanaken nennen. Deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ging durch die Einwanderung ethnischer Franzosen sowie die Immigration von Polynesiern und Asiaten kontinuierlich zurück, bis sie ab 1963 eine Minderheit bildeten. Daraufhin kam es zur Gründung der militanten Widerstandsbewegung Front de libération nationale kanak et socialiste (FLNKS), welche die Unabhängigkeit Neukaledoniens und den Abzug aller „Ausländer“ erzwingen wollte. Damit löste sie einen Bürgerkrieg aus, der von 1984 bis 1988 währte und etliche Menschenleben kostete.
Um die Inselgruppe zu befrieden, stimmte Paris 1988 dem Matignon-Abkommen zu, durch das Neukaledonien mehr Autonomierechte erhielt. Dem folgte 1998 das Abkommen von Nouméa. Das sah eine Beschränkung der Zuwanderung und darüber hinaus auch drei Referenden über die Unabhängigkeit vor. Bei diesen waren die Kanaken insofern wahlrechtlich privilegiert, als Neuankömmlinge aus der Zeit nach 1998 sowie deren auf Neukaledonien geborene Kinder an den Referenden nicht teilnehmen durften, selbst wenn sie die französische Staatsbürgerschaft besaßen. Dennoch ergaben die drei Abstimmungen 2018, 2020 und 2021 stets das gleiche Ergebnis: Die wahlberechtigten Neukaledonier wollten mehrheitlich Franzosen bleiben.
Allerdings boykottierten die Kanaken das letzte Referendum und bezeichneten dieses anschließend als ungültig. Dahingegen sah die Regierung in Paris das Abkommen von Nouméa als nunmehr erfüllt an und ergriff gesetzgeberische Initiativen, um das angebliche undemokratische und verfassungswidrige Wahlrecht auf Neukaledonien zu reformieren.
Jeder Dritte trägt eine Waffe
Daraus resultierte die aktuelle, mit großer Mehrheit getroffene Entscheidung des französischen Parlaments, dass ab dem 1. Juli ausnahmslos alle Bewohner von Neukaledonien, die auf der Inselgruppe geboren wurden oder seit mindestens zehn Jahren dort leben, ein Stimmrecht erhalten sollen, was die Kanaken – durchaus zutreffend – als endgültigen Todesstoß für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen ansehen.
Dabei sind diese Paris ebenso ein Dorn im Auge wie die Ungleichstellung der Neukaledonier. Denn für die Franzosen ist der Archipel von ebenso großer wirtschaftlicher wie strategischer Bedeutung. In der Erde Neukaledoniens liegen rund 25 Prozent der weltweiten Vorräte an Nickel, einem strategischen Rohstoff, der unter anderem für Akkumulatoren, Mobiltelefone und Flachbildschirme benötigt wird.
Darüber hinaus unterhalten die französischen Streitkräfte fünf Marine- und Luftwaffenstützpunkte auf Neukaledonien. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Präsident Emmanuel Macron sofort nach Ausbruch der Unruhen, welche faktisch auf einen versuchten Staatsstreich der kanakischen Unabhängigkeitsbefürworter hinausliefen, 3500 Soldaten und Polizisten nach Neukaledonien entsandte, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Nun wird erneut mit den Kanaken verhandelt, wobei auch ein Aussetzen der Wahlrechtsreform zur Diskussion steht. Allerdings hat sich die Kluft zwischen den Ureinwohnern und den „Zugewanderten“ auf Neukaledonien durch die Ausschreitungen noch mehr vertieft. So zürnte der Abgeordnete der Macron-Partei Renaissance, Nicolas Metzdorf: „Ich gehöre zur siebten Generation in Neukaledonien, und man greift mich an, weil ich weiß bin.“
Parallel dazu verwies die Präsidentin der Südprovinz, Sonia Backès, auf permanente „rassistische Beleidigungen“ der Zugewanderten seitens der Kanaken und meinte: „Wenn es nach den Separatisten geht, dann sind wir Fremde im eigenen Land.“
Daher liegen weitere gewaltsame Zusammenstöße in der französischen Überseegemeinschaft, in der jeder dritte Einwohner eine Waffe besitzt, durchaus im Bereich des Möglichen.