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Der Militärhistoriker Erich Vad zieht in seinem Buch „Abschreckend oder erschreckend“ Bilanz über die Ereignisse seit dem Fall des Eisernen Vorhangs bis heute und gibt Empfehlungen für eine deutsche Sicherheitspolitik
Erich Vad, Jahrgang 1957, gehört zur Offiziersgeneration der damals noch jungen Bundesrepu-blik Deutschland. Als Brigadegeneral war er militärpolitischer Berater von Angela Merkel. In seinem neuen Buch „Abschreckend oder erschreckend? Europa ohne Sicherheit“ behandelt er den Zeitraum von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.
Die Darstellung konzentriert sich auf die Zeit ab dem Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine 2022. Die Jahrzehnte davor waren bestimmt durch eine für Europa und Deutschland bisher einmalig lange Friedensperiode. Diese hatte ihre Herausforderungen: für Deutschland die Unterbringung und nachfolgende Integration von Millionen vertriebener Landsleute aus den Ostgebieten. Es folgten, und das gilt für den gesamten europäischen Kontinent, der Kalte Krieg und der Eiserne Vorhang sowie die politischen Entkrampfungen, die in den Ereignissen ab 1989 mündeten.
Bei Vad lernt der Leser einen in militärischen, strategischen und politischen Bereichen hochkompetenten Fachmann kennen, der überdies ein hohes Maß an Empathie für die jeweils Betroffenen zeigt. Beeindruckend sind seine grundsätzlichen Erkenntnisse und Aussagen über das Wesen von Krieg. Hier ist er ein Anhänger des preußischen Militärstrategen und Reformers Carl von Clausewitz. Der moderne Krieg finde heute nicht nur auf dem Schlachtfeld statt, sondern „er greift aus dem All, per Computervirus, ... mit Drohnen und Kleinwaffen, als Troll oder Gotteskrieger, auf dem Handy oder in meinem Heim an“. Das sind gerade für den normalen, unbeteiligten Bürger düstere Szenarien, deren er sich oft nicht bewusst sei. Der Autor zieht aus dieser Erkenntnis den Schluss, „das die Verteidigung unseres Cyberspace genauso wichtig sein muss wie die der Landesgrenzen“.
Europa inmitten der Großmächte
Zentrales Anliegen für Vad ist die Stellung und das Verhältnis von Europa/Deutschland zu den Mächten USA, Russland und China. In genauen Analysen untersucht er die Grundpositionen und Interessenlagen der drei Großmächte sowie den Stellenwert und die Rolle Europas und Deutschlands zu ihnen. China beanspruche, erste Großmacht zu werden, und sein Konkurrent, die USA, steht ihm im indopazifischen Raum gegenüber. Nicht nur militärisch, auch wirtschaftlich sei China Großmacht.
„Die neue Seidenstraße“ ziele ökonomisch nach Europa, aber auch nach Afrika. Russland sei wirtschaftlich von China abhängig und gegenwärtig durch den Ukrainekrieg ausgelastet. Das Ziel, das Territorium der ehemaligen Sowjetunion wiederherzustellen, bleibe Putins Bestreben. Die USA seien unbestritten bis heute erste Großmacht und durch die NATO wichtigste Schutzmacht für Deutschland und Europa. Es bleibe offen, ob sich bei einem Präsidentenwechsel in den USA die Bindungen zu Europa abschwächen werden.
Geradezu leidenschaftlich treibt Vad das Wissen um die schwache Stellung Europas und damit auch den Stellenwert Deutschlands in zahlreichen Stellen seines Buches um. Der Kontinent sei kein Global Player und kein gleichwertiger Machtfaktor neben den drei Großmächten – im politischen, im wirtschaftlichen sowie im militärischen Bereich, und Deutschland sei nicht die führende Macht.
Der Autor sieht im Prozess einer Vereinheitlichung einzelner Politikfelder wie Militär, Sicherheit, Terroristenbekämpfung und Migration Ansätze, die weiterentwickelt werden müssten. Sein Fazit lautet: „Deutschland muss als Zentralmacht in der Mitte Europas eine Führungsrolle einnehmen und den Prozess aktiv vorantreiben.“ Europa habe in zahlreichen Politikfeldern Lücken, sei aber auch heute nicht ohne Sicherheit.
Die Texte sind klar und verständlich geschrieben. Das Buch sollte zur Lektüre des politisch interessierten und engagierten Bürgers gehören, ebenso wie auch zur wiederaufkommenden Diskussion um die allgemeine Wehrpflicht.
Erich Vad: „Abschreckend oder erschreckend? Europa ohne Sicherheit“, Westend Verlag, Neu-Isenburg 2024, gebunden,
238 Seiten, 24 Euro