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Juden haben wieder Angst in Deutschland. Auf den Straßen droht ihnen Schimpf und Gewalt, von Politik und Medien erfahren sie Heuchelei sowie subtile Verächtlichmachung. Und das alles aus Kreisen, die bislang vorgaben, auf ihrer Seite zu sein
Er ist wieder da. Vier Worte von schauerlicher Suggestivität. Sie könnten als Werbeslogan dienen für die Fortsetzung einer Slasher-Filmreihe. Der Schriftsteller Timur Vermes hatte vor zwölf Jahren sein Romandebüt so betitelt, eine gallige Satire über die imaginäre Wiederkehr Adolf Hitlers im Berlin des Jahres 2011. Heute kommen einem die Worte erneut in den Sinn: Er ist wieder da. Doch diesmal ist es nicht Hitler, sondern der Judenhass, der zurückkehrt nach Deutschland und Europa im Jahre 2024.
Der österreichische Publizist Peter Sichrovsky hat die Lage prägnant formuliert: „Nach dem Schock des Holocaust gab es ein paar Jahrzehnte, in denen es uns Juden in Österreich sehr gut ging. Und plötzlich, seit dem 7. Oktober, sind diese Ratten, die sich versteckt haben und die ruhig waren, aus ihren Löchern herausgekommen und haben sich gedacht: Jetzt dürfen wir wieder! Es ist für uns Juden so, als ob das Wochenende vorbei ist und es hat der Montag wieder begonnen.“
Ein rabenschwarzer Montag. In Deutschland wie in Österreich und in vielen anderen westlichen Gesellschaften mehren sich die Attacken auf jüdische Menschen. Erst kürzlich stellte der jüdische Fußballverein TuS Makkabi Berlin seinen Spielbetrieb ein – aufgrund des Krieges im Nahen Osten könne der Club die Sicherheit seiner jüdischen Sportler nicht mehr garantieren. In Berlin-Mitte stieg ein Jude mit Kippa in ein Taxi, der Fahrer fragte: „Sind Sie Jude?“ – und forderte ihn auf, wieder auszusteigen. In München wurde ein jüdischer Mann an Krücken vor einer Synagoge von zwei 17-Jährigen als „Scheißjude“ beschimpft und verprügelt.
Man könnte derlei Vorkommnisse schier endlos aufzählen, täglich kommen neue hinzu. Juden werden körperlich angegriffen, bedroht, verunglimpft, sie müssen auf Häuserwänden Hakenkreuzschmierereien erblicken und Davidsterne in blutigroter Farbe sowie NS-Parolen und „Fuck Israel“, geschrieben mit zwei SS-Runen. Für jüdische Menschen ist der öffentliche Raum zu einem Spießrutenlauf geworden. Was wir alle erleben, ist die Kapitulation des zivilisierten Umgangs miteinander vor der Vergesindelung unseres Landes.
Das neue Gesicht des Judenhasses
Der Antisemitismus frisst sich derzeit durch unser Gemeinwesen wie Erosion durchs Metall – aber nicht nur, weil die üblichen Verdächtigen am Werke sind. Alte und neonazistische Narren, die ihr intellektuelles Zukurzgekommensein seit jeher an den traditionell intelligenteren Juden abreagieren. Zu ihnen gesellen sich stumpfstirnige Linke, die ihren rotbepinselten Faschismus durch antizionistischen Zynismus zum Ausdruck bringen. Als Dritter im Bunde treten unsere muslimischen Miteinwohner hinzu, die im nordafrikanischen Gürtel von Maghreb und Arabien strukturell antijüdisch sozialisiert wurden und deren Hass in den Parallelwelten unserer Vielfaltsrepublik einen warmen Schoß findet, um weiter bebrütet zu werden. Wohlgemerkt: Adolf Hitler wird in vielen islamischen Ländern als großer deutscher Staatsmann bewundert.
Zur neuen Normalität in Deutschland wird der Antisemitismus jedoch nicht durch diesen Pöbel auf den Straßen, sondern vor allem auch durch eine Armada von Heuchlern in den feinen Amtsstuben von Politik und Medien. Während das Kanzlerwort „Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz“ offiziös die Runde macht, nistet zwischen den Zeilen eine enthemmte Dämonisierung Israels und der Regierung Netanjahu. Anfang der Woche verstieg sich „Spiegel Online“ zu der Behauptung, Israel habe „eine Kriegserklärung an die Weltordnung“ ausgesprochen. Mehr Herabsetzung eines winzigen Landes an der Mittelmeerküste, das sich dem Terror und kriegerischer Angriffe von Gaza bis Iran ausgesetzt sieht, geht kaum.
Von „Israels zusehends schrankenloser Kriegsführung“, ist weiter zu lesen, und dass das israelische Parlament im Begriff ist, „das Palästinenserhilfswerk UNRWA zur Terrororganisation zu erklären. Auf einer Ebene mit Hamas.“ Warum die Knesset diesen Schritt diskutiert, wird unterschlagen: Am 7. Oktober 2023, dem schwarzen Sabbat, waren auch Mitarbeiter des UN-Hilfswerks an den Terrormassakern beteiligt. Rund 100 Namen von UNRWA-Angestellten stehen auf einer Liste, die Israel dem Chef der UN-Unterorganisation, Philippe Lazzarini, übergab. Seit 75 Jahren ist die UNRWA in den Palästinensergebieten tätig, wie überall in Gaza ist die Hamas auch in das Hilfswerk eingesickert und hat es korrumpiert. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft forderte im Sommer einen „schnellen Ausstieg aus der Finanzierung des palästinensischen Sonderflüchtlingswerks UNRWA für die Nachfahren palästinensischer Flüchtlinge“. Die Bundesregierung finanziert das Hilfswerk unverdrossen weiter.
Relativierung auf allen Kanälen
Zum Jahrestag des Hamas-Massakers am 7. Oktober brachte das ZDF ein Spezial „Gedenken in Israel“. Darin durfte die Politikwissenschaftlerin Dalal Erekat aus Ramallah minutenlang den Massenmord an mehr als 1200 Menschen klein- und die Hamas schönreden: „Ich glaube nicht, dass die Palästinenser als menschliche Schilde benutzt werden. Die israelische Militärmaschinerie zielt auf Zivilisten ab und will sie umbringen.“
Anschließend widersprach der Studioleiter Tel Aviv, Michael Bewerunge, zunächst dem Schwadronieren Erekats, um dann seinerseits unverzüglich zu beklagen, dass Israel beim Angriff auf die Hamas „wenig bis gar nicht Rücksicht“ nimmt „auf die Zivilbevölkerung“. So etwas sendet das ZDF an jenem Tag, da Israel um seine Toten trauerte und um seine Geiseln bangte.
Und so geht das dauernd. Wann immer wir öffentlich-rechtliche Nachrichten einschalten und Talkshows schauen, erreicht uns ein stetes Rinnsal niederträchtiger Narrative. Mal heißt es, Netanjahu wolle den Krieg hinauszögern, weil er hernach seine Abwahl fürchtet oder gar, vor Gericht gestellt zu werden. Mal heißt es, Israel verweigere einen Waffenstillstand, damit die Geiseln freikommen könnten. Der Gedanke, dass die Hamas die Geiseln freilassen könnte, damit ein Waffenstillstand möglich würde, bleibt unerwähnt. Wie auch, dass der Deal, den Israel verweigert, die Freilassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen beinhaltet. Wie verrückt wäre es, Terroristen zu entlassen, damit sie anschließend wieder Juden töten können? Zuweilen heißt es auch, Netanjahu sei gegen eine Zwei-Staaten-Lösung. Aber wer will schon seine erbitterten Todfeinde auf diesem schmalen Küstenstreifen als staatliche Ordnung institutionalisieren?
Den Vogel schießt jedoch eine gewisse Kristin Helberg ab, Ehefrau eines syrischen Arztes, Journalistin und dem Publikum besser bekannt als Talkshow-Dauergast, wenn es um Nahost geht. Helberg hat das Israel-Bashing zur antisemitischen Kunstform entwickelt. Sie brachte es bei „Markus Lanz“ fertig, die Propagandalüge vom Genozid, den Israel angeblich in Gaza verübt, juristisch sattelfest vorzutragen. Und das geht so: Natürlich habe Israel ein Recht auf Selbstverteidigung, aber nur im Rahmen des Völkerrechts, und die These vom Genozid werde in Fachkreisen diskutiert, deshalb sollten wir darüber sprechen, sie wolle sich die These auch nicht zu eigen machen. Hauptsache, irgendetwas von Genozid bleibt beim Publikum hängen. Feinster Denunziantensprech und infame Täter-Opfer-Umkehr.
Grüner Israel-Boykott
Ähnlich bösartig geht es zu auf dem Berliner Politparkett. Jetzt kam heraus, wer seit März die Waffenlieferungen an den jüdischen Staat blockierte: Robert Habeck und Annalena Baerbock. Erst als Friedrich Merz im Bundestag den Kanzler fragte: „Was sind Ihre Solidaritätsbekundungen für den Staat Israel eigentlich wert?“ – da kündigte Scholz weitere Waffenlieferungen an.
Eine seltsame Tonalität durchzieht linke Parteien, wenn es um Juden geht. Fast so, als dächten sie bei sich: Antisemitismus mögen wir nicht, Juden aber auch nicht, Muslime sind uns sehr viel lieber. Auf dem jüngsten Parteitag der Berliner Linkspartei überwarfen sich die Delegierten anlässlich eines Antrags, die linken Antisemitismus kritisierte. Die Streitlinie verlief entlang der Frage, welche wissenschaftliche Antisemitismus-Definition zu gelten habe. Auch dies gehört zur neuen Normalität der Judenverachtung: Antisemiten etikettieren ihre Abneigung gegenüber Juden solange um, bis sie mit sauberer Weste dastehen.
Oder sie machen es wie Lisa Paus. Die grüne Bundesfamilienministerin postete: „Wir gedenken heute der Opfer und der Geiseln seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Die Zahl der antisemitischen und antimuslimischen Vorfälle ist auch in Deutschland seitdem massiv gestiegen.“ Zack! Im Handstreich relativiert, Täter und Opfer gleichgestellt. Oder sie machen es wie Alfonso Pantisano, Berlins Queer-Beauftragter und Spross italienischer Einwanderer, der just am 7. Oktober nicht nur Kevin Kühnerts Kritik an der grassierenden Homophobie unter Muslimen widersprach, sondern sich auf Instagram mit einer Kufiya, dem sogenannten Palästinenser-Schal, präsentierte. Zack! Es war der Gedenktag, da Israel um seine Toten trauerte und um seine Geiseln bangte.
Was Deutschland von seinen Juden hat
Es geht aber auch anders. Am selben Tag veröffentlichte der Chef des Medienhauses „Axel Springer“, Mathias Döpfner, ein Plädoyer für eine Neuregelung zur bevorzugten Einbürgerung jüdischer Einwanderer. Angesichts der beschämenden Gegenwartslage setzte er einen patriotischen Impuls und rief „das Deutschland der deutsch-jüdischen Symbiose, der kulturellen und wirtschaftlichen Blüte zwischen 1871 und 1933“ in Erinnerung, „das beste Deutschland, das es je gab“, obschon auch damals voller antijüdischer Ressentiments.
Und doch ist Döpfners Gedankenspiel nicht ohne Charme: „Wenn Mecklenburg-Vorpommern – ein Bundesland so groß wie Israel – ab morgen zum bevorzugten Einwanderungsgebiet für jüdische Migranten würde, hätten wir dort in zehn Jahren die besten deutschen Universitäten, die größte Dichte von Start-ups, die geringste Arbeitslosigkeit und das höchste Pro-Kopf-Einkommen.“ Ungefähr so sahen die Pläne für den Gazastreifen nach dem Abzug der Israelis 2005 aus: eine mediterrane Schweiz, ein palästinensisches Singapur, Investoren waren in den Startlöchern. Heraus kam die Willkürherrschaft der Hamas, eine Wüstenei aus Wut und Gewalt. Die Juden machen im Nahen Osten den Unterschied aus und verdeutlichen, dass Kulturen eben doch von verschiedenartiger Beschaffenheit sind. Deshalb sind sie allenthalben so verachtet.
Und so könnten sich gerade in diesen Tagen auch die nichtjüdischen Deutschen von den Juden einiges abschauen: etwa den Leistungswillen zur Exzellenz, die Ehrfurcht vor dem Lernen und den Lesehunger. Döpfners Essay trägt den Titel: „Deutschland muss jüdischer werden“. Ja, das wäre schön.
Holger Fuß ist freier Autor und schreibt für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften über Politik, Wissenschaft, Kultur und Zeit-
geschehen.
Peter Faethe am 18.10.24, 09:01 Uhr
Auch Antibolivianismus oder Antikamerunismus verdient unsere Verachtung. Eine höhere Verfolgungs-Priorität verdient natürlich Antiteutonismus.