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Reportage

Auf der Suche nach Europa

Der Journalist Alex Rühle bereiste monatelang „mit unvoreingenommener Neugier“ fast alle EU-Länder und liefert doch einen ideologiegesteuerten Bericht

Wolfgang Kaufmann
27.09.2023

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, sagt der Volksmund. Das gilt auch für den Journalisten Alex Rühle, der seit 2001 für die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt und zwischen dem 10. März und 23. Juni 2022 fast alle Länder der EU mit Ausnahme von Irland, Luxemburg, Malta, Österreich, der Slowakei, Tschechien und Zypern bereiste – parallel dazu gab es Aufenthalte in Serbien sowie Bosnien und Herzegowina. Rühle legte rund 20.000 Kilometer zurück und passierte 33 Mal eine innereuropäische Grenze. Die Ergebnisse dieser Tour verarbeitete er in dem Buch „Europa – wo bist Du? Unterwegs in einem aufgewühlten Kontinent“.

Erklärtes Ziel Rühles war es „zu erkunden, was den Kern Europas heute ausmacht“, und dabei „mit unvoreingenommener Neugier“ vorzugehen. Allerdings konnte der „SZ“-Reporter nicht über seinen persönlichen weltanschaulichen Schatten springen, wie er schon im Prolog unter Beweis stellt. Da ist von „der alles überwölbenden Erderwärmung“ die Rede. Und so geht es beständig weiter, wenn Rühle über Begegnungen und Beobachtungen an den Reisestationen zwischen Ceuta im Süden und Oulu im Norden beziehungsweise Tulcea im Osten und Lissabon im Westen berichtet: Stets betrachtet er Europa durch die Brille des linken Intellektuellen, der über alles herzieht, was für ihn nach Putin- oder Trump-Verehrung, Nationalismus, Revisionismus, Populismus, Klimawandel- und EU-Skepsis, „Verschwörungstheorien“ und sonstigem „rechten“ Gedankengut riecht.

In diesem Zusammenhang ist sich der Reporter teilweise nicht zu schade, beleidigend-geschmacklose Formulierungen zu verwenden. So bezeichnet er die serbischen Fahnen vor den Regierungsgebäuden in Belgrad als „Fahnenlappen“, welche „so kümmerlich von ihren Masten (baumeln) wie benutzte Präservative“.

Ansonsten ging Rühle auch bei der Auswahl seiner Gesprächspartner in den jeweiligen Ländern bemerkenswert einseitig vor: Er konsultierte zumeist nur politische Aktivisten links-grüner und dezidiert migrationsfreundlicher Couleur oder zumindest solche Personen, deren Aussagen die Weltsicht des „SZ“-Journalisten bestätigen. Gleichzeitig haben Autor und Verlag es nicht für nötig gehalten, dem Buch Fotos beizufügen, weswegen man als Leser keinen Eindruck vom realen physischen Erscheinungsbild der Interviewten erhält.

Dafür war im Nachwort Platz für einen „dankbaren Gruß an all die Menschen, die an der Entwicklung des Corona-Impfstoffes beteiligt waren“.

Alex Rühle: „Europa – wo bist Du? Unterwegs in einem aufgewühlten Kontinent“, dtv, München 2022.
415 Seiten, gebunden, 25 Euro


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