18.10.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Anschauliche Illustration des Vorgangs einer Kernfusion
Bild: Shutterstock.comAnschauliche Illustration des Vorgangs einer Kernfusion

Forschung

Aufbruch bei Kernfusion

Große Ambitionen für neue Energiequelle hat erste vielversprechende Ergebnisse

Hagen Ritter
17.10.2025

Mit leicht ironischem Beiklang war bislang oft von einer „Fusionskonstante“ die Rede, wenn es um die Frage ging, wie lange die Forschung an der Kernfusion noch dauern wird. Über Jahrzehnte lautete die Antwort gleichbleibend: Bis zur Marktreife dauert es noch dreißig Jahre.

Inzwischen geben Forscher insbesondere aus Deutschland und Europa mit Blick auf die Kernfusion neue Einschätzungen ab, die erheblich optimistischer klingen: „Ich denke, diese sogenannte ‚Fusionskonstante' gilt nicht mehr“, äußerte sich etwa Hartmut Zohm. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik hält es für realistisch, dass es dem internationalen Forschungsprojekt ITER in Südfrankreich in den 2030er-Jahren gelingen wird, ein brennendes Plasma zu erzeugen. Dies wäre ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem kommerziellen Fusionskraftwerk.

Bereits vor einem halben Jahr haben CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag eine ehrgeizige Ankündigung gemacht: „Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.“ Anfang Oktober hat das schwarz-rote Bundeskabinett nun auch einen entsprechenden Aktionsplan beschlossen.

Kompetenzzentren im Aufbau
Mehr als zwei Milliarden Euro will die Koalition noch in dieser Legislaturperiode für die Fusionsforschung und den Wissenstransfer in die Industrie bereitstellen. Zum Vergleich: Bisher sind pro Jahr rund 150 Millionen Euro an staatlichen Mitteln in die Fusionsforschung geflossen.

Bereits bis Ende des ersten Quartals 2026 sieht der Aktionsplan die Einrichtung von Kompetenz- und Exzellenzzentren vor, die als Keimzellen für Innovationen dienen sollen. Langfristiges Ziel der Regierung ist es, dass das erste Demonstrations-Fusionskraftwerk durch ein Konsortium deutscher Unternehmen schnellstmöglich errichtet wird.

Zur Umsetzung will die Koalition auch bessere gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen. Bei einer Anhörung im Bundestag hatten sich bereits im vergangenen Jahr sechs Sachverständige für einen eigenen Rechtsrahmen für die innovative Fusionsforschung ausgesprochen. Sie betonten, das Atomgesetz könne nicht auf die Forschung und Entwicklung von Fusion angewendet werden, da von der neuen Technologie deutlich geringere Risiken als von der Kernspaltung ausgingen.

Greifen die angekündigten Maßnahmen, soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung nicht nur der erste Prototyp eines Fusionsreaktors in Deutschland gebaut werden. Entstehen soll hierzulande gleich eine ganze Industriebranche, die entsprechende Kraftwerke produziert und exportiert.

Auf Deutschland angewiesen
„Die Chancen sind sehr hoch, dass Deutschland einen funktionsfähigen Fusionsreaktor baut. Im Durchschnitt der letzten, vielleicht 20 Jahre, trägt Deutschland etwa 40 Prozent der europäischen Fusionsforschung. Alle wesentlichen Technologie- und Physikfelder werden in den deutschen Fusionszentren bearbeitet“, sagt Christian Linsmeier vom Forschungszentrum Jülich.

Auch Constantin Häfner, Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft für Forschung und Transfer, ist optimistisch: „Im Bereich der Laserfusion ist die USA in der Grundlagenforschung weit voran, aber Deutschland verfügt über eine hochkompetente Industrie, die viele Schlüsseltechnologien beherrscht und Fusionsanlagen mit Komponenten ausgestattet hat. Hier sind andere Länder auf uns angewiesen.“

Deutsche Technik spielte auch eine Rolle, als im Lawrence-Livermore-Labor im Dezember 2022 ein Durchbruch in der Fusionsforschung gelang: Erstmals wurde in dem kalifornischen Forschungsinstitut mehr Energie aus einem Fusionsprozess gewonnen, als zur Zündung des Prozesses überhaupt benötigt wurde.

Noch warten drei besondere Herausforderungen
Für den Versuch hatte Schott aus Mainz das Glas für die Laseranlage geliefert, der Ditzinger Maschinenbauer Trumpf steuerte seine Expertise im Bereich Hochleistungs-Lasertechnik bei.

In Deutschland selbst wurde erst vor wenigen Wochen ein weiterer Meilenstein in der Forschung erreicht. Im Mai stellte das Projekt Wendelstein 7-X der Max-Planck-Gesellschaft in Greifswald einen neuen Weltrekord für die Plasmadauer auf. W7-X hatte schon 2018 und 2024 für Rekorde gesorgt.

Trotz all der Fortschritte räumt die Bundesregierung ein: „Auf dem Weg zu einem ersten Fusionskraftwerk sind noch erhebliche technologische Herausforderungen zu überwinden.“

Klaus Hesch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nennt drei besonders wichtige Hürden, die noch bewältigt werden müssen, bis überhaupt ein Prototyp gebaut werden kann: Erstens muss ein Plasma über mehrere Minuten Energie liefern, zweitens muss ein geschlossener Brennstoffkreislauf entwickelt werden. Der Fusionsbrennstoff Tritium kommt in der Natur nicht vor; künftig soll er mithilfe der bei der Fusion entstehenden Neutronen in einer Kernreaktion aus Lithium erzeugt werden. Drittens müssen Materialien für den Fusionsreaktor entwickelt werden, die einem hohen Fluss energiereicher Neutronen standhalten.

Entsprechende Materialforschung soll das Projekt IFMIF-DONES vorantreiben, das derzeit im spanischen Escúzar in der Nähe von Granada aufgebaut wird. Deutschland prüft eine Beteiligung an dem Vorhaben.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS