18.01.2025

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Autobiographie

Aus dem Leben eines unbeugsamen Politikers

Posthum erschien Alexej Nawalnyjs Buch „Der Patriot. Meine Geschichte“ – Stets humorvoll schildert der tragische Held, der für seine Überzeugungen Haft und Folter in Kauf nahm, seinen Kampf gegen das Putin-Regime

Grigorij Ruzewizki
18.01.2025

Am 22. Oktober 2024 wurde das Buch „Patriot“ in 36 Ländern und 26 Sprachen gleichzeitig veröffentlicht. Es ist eine posthume Autobiographie des russischen Oppositionspolitikers, Journalisten, des Gründers und Leiters der Antikorruptionsstiftung Alexej Nawalnyj (1981–2024), mit deren Niederschrift er 2020 nach dem Giftanschlag auf ihn begonnen hat.

Auf über 500 Seiten offenbart sich die charismatische Persönlichkeit des Autors, seine Offenheit gegenüber dem Leser sowie die leichte Sprache des Erzählers. Selbst auf den Seiten, auf denen er die Tage und Stunden beschreibt, die er in den Zellen der Gefängnisse verbrachte, sowie ihre unmenschliche Atmosphäre, zeugen von seinem Vertrauen in die Zukunft.

Nawalnyj schreibt warmherzig über seine Kindheit und Jugend, seine Eltern. Das Zuhause, die Familie, Hunderte von gelesenen Büchern russischer und ausländischer Klassiker formten den Jungen zu einem Kämpfer.

Zwischen den Zeilen formuliert der Autor Analogien, indem er über den sowjetischen Krieg in Afghanistan (die Kreml-Propaganda nannte den Einmarsch in dieses Land die Erfüllung einer internationalen Pflicht, bei dem etwa 14.000 Tausend russische Soldaten und Offiziere starben) und den Ukrainekrieg schreibt, in dem die Zahl der Opfer, Militärs und Zivilisten auf beiden Seiten insgesamt mehr als eine Million Menschen überschritten hat (Statistik vom Dezember 2024). Das Buch in Form eines Essays ist gleichzeitig eine persönliche Erinnerung sowie eine politische und wirtschaftliche Analyse der russischen Gesellschaft über 30 Jahre hinweg. Ein autobiographischer Essay, aber gleichzeitig ist es auch eine Biographie des Landes.

Nawalnyj zeichnet ein Porträt von Boris Jelzin, dem der Rezensent eher nur ein wenig zustimmen kann. Sowohl Nawalnyj als auch Jelzin waren vielschichtige Persönlichkeiten, es gibt zwangsläufig unterschiedliche Meinungen über ihre Worte und Taten. Nawalnyj erklärt, dass jeder, der auf Jelzins Seite stand, absolut jeder, ein Dieb sei, der Russland bestohlen habe. Er beharrt jedoch nicht auf seinen Schlussfolgerungen – er respektiert den Leser und überlässt ihm die Entscheidung.

Auf jeder Seite kommt Nawalnyjs Optimismus zum Vorschein: Er macht Witze, zeigt Humor, sogar bei Gerichtsverhandlungen, und er hat Dutzende von Prozessen als Angeklagter hinter sich. Nawalnyj war sich sicher, dass Tausende Menschen zu ihm aufschauten, dass er eine öffentliche Person war, und dass er deshalb kämpfen und die Opposition anführen musste.

Dabei half ihm die Tatsache, dass er im Laufe der Jahre zu Gott gekommen war. „Der Glaube vereinfacht das Leben, er verkompliziert es nicht,“ so sein Credo. Während seiner Zeit im Gefängnis lernte Nawalnyj die Bergpredigt in vier Sprachen: Russisch, Englisch, Französisch und Latein. Sicherlich werden Tausende von Lesern in der ganzen Welt etwas von ihm lernen. Er spricht zum Beispiel von Zeichen, von Signalen, die zu ihm kamen.

Wiederholt organisierte Nawalnyj Hungerstreiks und schien sich an jede Minute dieser quälenden Stunden zu erinnern. Die Gefängnisverwaltung servierte ihm extra frisches Brathähnchen zum Mittagessen ... eine besondere Form der Misshandlung an einem hungernden Mann.

Auf mehreren Seiten schreibt Nawalnyj über seine Ehefrau Julia und das Glück eines Mannes, der seine zweite Hälfte gefunden hat. Am Tag nach dem Tod ihres Mannes erklärte sie, dass sie die Arbeit ihres Mannes fortsetzen werde. „Patriot“ ist eines der Ergebnisse der Arbeit von Julia Nawalnaja und ihrem Team: Nawalnyj ist tot, aber die Anti-Korruptions-Stiftung ist weiter aktiv. Mit dieser, offen gesagt, unerwarteten Veröffentlichung des Buches hat die Witwe auch ein Stück weit an sich selbst erinnert.

Die Zeit wird vergehen, und dieses ehrliche Buch wird zu einem Lehrbuch in russischen Schulen werden: Das Land wird ins 21. Jahrhundert zurückkehren.

Alexej Nawalny: „Patriot. Meine Geschich-te“, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2024, gebunden, 560 Seiten, 28 Euro


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