12.10.2024

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Der Wochenrückblick

Ausgerechnet Krenz

Wie Wagenknecht Hof hält, wie ein Lob schadet, und was sich die Regierung sparen kann

Hans Heckel
12.10.2024

Berlin ist immer eine Reise wert! Aber muss es denn unbedingt auf allen Vieren sein? Wer so unterwürfig in die Hauptstadt kriecht, sotell sich über den Spott des deutschen Publikums nicht wundern. Michael Kretschmer, Dietmar Woidke und Mario Voigt wundern sich wohl auch gar nicht, selbst wenn sie öffentlich etwas anderes behaupten müssen, der Gesichtswahrung wegen.

Alle drei sind zu Sahra Wagenknecht an die Spree gekrochen, um Koalitionsmöglichkeiten mit dem BSW in ihren Ländern auszuloten. Warum zu Wagenknecht? Die Frau war weder in Sachsen und Brandenburg, wo CDU-Kretschmer und SPD-Woidke Ministerpräsidenten sind, noch in Thüringen, wo CDU-Voigt das gerne werden würde, angetreten. Sei's drum, sie hat das Sagen in ihrer neuen Formation. Aber hätte es die Etikette nicht verlangt, dass Wagenknecht sich in die jeweiligen Landeshauptstädte bemüht, statt die Herren bei sich antanzen zu lassen wie ein persischer Großkönig seine Satrapen?

Habe sie ja gar nicht, behauptet Voigt bei „Markus Lanz“. Er sei sowieso gerade in Berlin gewesen, und da habe er sie eben um einen Gesprächstermin gebeten. Klar: Um eine Audienz sucht immer der Untertan nach, niemals der König. Und die Besprechung findet in den Gefilden des Monarchen statt, nicht in der Hütte des kleinen Krauters. Listig, fast ein wenig sadistisch fragt Lanz dann bei Voigt nach, ob Kretschmer und Woidke auch rein zufällig in Berlin gewesen seien, als sie sich mit der BSW-Ikone trafen. Schon etwas genervt grummelt der zurück, das solle Lanz die beiden selber fragen.

Wagenknecht hat die drei beim Kragen, und sie lässt die Jungs das ganz schön spüren. Die gemeinsame Erklärung der Landespolitiker zum Ukrainekrieg mag sogar einiges an Bedenkenswertem enthalten. In der Politik aber geht es eben nicht nur um die Frage, was geäußert wird und warum, sondern vor allem: warum ausgerechnet jetzt? So rundet die Ukraine-Erklärung das trübe Bild nur ab. Die Symbolik der Unterwerfung, die diese Besuche und die Erklärung zusammen ausstrahlen, hat fast etwas Bemitleidenswertes.

Völlig wolkenlos erscheint der Himmel über Wagenknechts Truppe allerdings auch nicht mehr. Bei den Umfragen von INSA ist das BSW von der Spitze bei zehn Prozent auf nur mehr acht abgerutscht. Das ist etwas zuviel, als dass man es einfach der Ungenauigkeit solcher Befragungen zuschreiben möchte. Vielleicht ist der eine oder andere Sympathisant des BSW doch überrascht, mit welcher Geschwindigkeit sich die steile Oppositionspartei ins Geschacher des Koalitionspokers gestürzt hat, auch wenn die Spieler bislang bloß feinsinnig von „Sondierungen“ sprechen wollen.

Und als wäre das nicht genug Irritation, steigt auch noch Egon Krenz aus seinem politischen Grab und lobt die junge Partei über den grünen Klee. Krenz! Der war zu seinen aktiven Zeiten der Mann mit dem höchsten Igitt-Faktor unter den SED-Politbüro-Mumien. (Abgesehen von Stasi-Mielke, aber der läuft in dieser Kategorie ohnehin außer Konkurrenz.) Möchten Sie von so einem öffentlich gelobt werden? Sag ich doch.

Das Lob kommt überdies zur Unzeit, da gerade zahlreiche Angehörige der sächsischen CDU-Basis die Meinung kundtun, dass für sie auch Wagenknechts Verein nichts weiter sei als die neueste historische Ausdünstung der alten Honecker-Partei. Exakt als das möchte das BSW aus begreiflichen Gründen gerade nicht gesehen werden. Und dann kommt Krenz.

Dürfen das nur Immigranten?
Was den 87-Jährigen getrieben hat? Na, Rache natürlich. Seine alte SED hatte ihn damals aus der Partei gekegelt. Er sollte etwas von dem gewaltigen Schuldkonto mit in die freie Wildbahn nehmen, um dem Laden einen „Neuanfang“ zu erleichtern. Jetzt will er es ihnen heimzahlen, indem er die parteitaktisch gefährlichste und vermutlich tödliche Konkurrenz seiner treulosen Genossen umschmeichelt.

Die Ampel könnte sich über die Lobeshymne des letzten SED-Generalsekretärs an den BSW amüsieren. Leider beschert sich die Koalition eigenhändig so viel Ungemach, dass sie selbst für einen kurzen Gluckser weder die Zeit noch die Stimmung aufbringt.

Da mussten selbst hart gesottene Veteranen des deutschen Politikbetriebs trocken schlucken: Was war das denn? Das Kabinett beschließt auf Habecks Wunsch zunächst eine „Arsch-hoch-Prämie“ für Bürgergeldempfänger, die wieder arbeiten wollen. Doch kaum ist die Tinte unter dem Beschluss trocken, fallen sie in allen drei Parteien, selbst aus den Reihen von Habecks Grünen, über den Beschluss her. Möchte uns diesen Vorgang mal einer erklären?

Da haben wir ja schon einiges erlebt, aber das übertrifft wieder alles. Es hat den Eindruck, als ob man am Regierungstisch von Olaf Scholz gar nicht mehr ernst nimmt, was dort verhandelt und beschlossen wird. Und deshalb alles durchwinkt, wenn einer nur lange genug gequengelt hat wie in diesem Fall der Wirtschaftsminister.

Woher rührt diese Gleichgültigkeit? Die Prämie soll (sollte?) am 1. Januar in Kraft treten. Möglicherweise glaubt im Kabinett kaum noch einer, dass diese Regierung bis dahin durchhält. Somit wäre es wurst, was man jetzt noch beschließt, solange man sich als Partei nur laut genug von dem Quatsch distanziert, um im nahen Wahlkampf damit nicht in Zusammenhang gebracht zu werden.

Ob wir überhaupt noch regiert werden? Ein Kabinett, dessen Beschlüsse von den eigenen Truppen bereits zerfleischt werden, bevor sie ins Parlament gelangen, kann sich seine Zusammenkünfte eigentlich sparen.

Allerdings gibt es ja immer noch uns, das Volk. Und wir hätten schon ganz gerne so etwas wie eine Regierung, die regiert. Indes, was haben wir schon zu sagen? Offenbar bekommen wir nur Gehör, wenn wir einer jener schutzberechtigten Minderheiten angehören, die in unserem Land einen privilegierten Status zu genießen scheinen. Es war Landwirtschaftsminister Özdemir, dessen Klage über die Belästigung seiner Tochter durch migrantische junge Männer hohe und höchste Wellen schlug.

Ähnliche Klagen autochthoner Deutscher versickerten dagegen bislang in einem Sumpf des Desinteresses, nachdem höchstens für ganz kurze Zeit hin und wieder ein paar Floskeln der Empörung zu vernehmen waren.

Selbst Leute, die es gut meinen, erzählen einem mit Vorliebe, dass ja auch gut integrierte Immigranten die Nase voll hätten von arbeitsunwilligen Religionsfanatikern, die hier massenhaft ins Land schwappten.

Nun gut, das ist ja sehr interessant und sicher ein weiteres gutes Argument für eine vernünftige Grenz- und Einwanderungspolitik. Aber was soll der dauernde Hinweis auf die unzufriedenen Migranten eigentlich? Reicht es nicht, dass es uns, den eingeborenen Deutschen, reicht, um sagen zu dürfen: Es reicht? Haben wir dazu weniger Recht als ein Özdemir? Irgendwas ist in diesem Land ziemlich auf die schiefe Ebene geraten.


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