05.10.2024

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100 Jahre Volksabstimmung

Ausstellung in der Allensteiner Burg

Wie die beiden polnischen Kuratoren begründen, warum die Mehrheit für Deutschland stimmte

Dawid Kazanski
28.07.2020

Anlässlich des 100. Jahrestags der Volksabstimmung in Teilen Ost- und Westpreußens zeigt das Museum von Ermland und Masuren eine interessante Ausstellung mit dem Titel „Versailles, Volksabstimmung und wie geht es weiter in Ermland und Masuren?“, deren feierliche Eröffnung wegen der Corona-Einschränkungen verschoben wurde und erst Mitte Juli unter Beachtung der sanitären Maßnahmen stattfinden durfte.

Zwei Museumsmitarbeiter, Małgorzata Gałęziowska und Sebastian Mierzyński, haben ein Jahr lang an der Vorbereitung der Ausstellung gearbeitet. Sie fand ihren Platz in den Ausstellungsräumen des barocken Teils der Allensteiner Burg. Eine kleine Zahl der Eröffnungsteilnehmer hatte Gelegenheit, sich im Rahmen der sogenannten kuratorischen Führung über die Ausstellung zu informieren.

Zum Glück wurde die Eröffnungsfeier gefilmt und ist online verfügbar. Museumsdirektor Piotr Żuchowski stellte in seiner Eröffnungsrede die Schwerpunkte der Ausstellung folgendermaßen dar: „Die Rolle eines echten Museums besteht darin, Reflexion und Nachdenken aufzubauen. Unsere Ausstellung zeigt soziale und politische Prozesse, sie zeigt den Kontext der Volksabstimmung aus der Position des Wählers, der seine Stimme in die Wahlurne werfen und somit für Polen oder Deutschland stimmen musste. Die Ausstellung zeigt den Raum um die Plebiszitteilnehmer herum, dokumentiert, welche Informationen die Wähler erreicht haben und was sie zu dieser oder jener Entscheidung bewogen hat. Wir wollen die Realität so zeigen, wie sie damals war, damit der Betrachter, der zu dieser Ausstellung kommt, darüber nachdenkt, was Wählen ist, was Politik ist, und andererseits, wie wichtig die Wahlprozesse sind, wie eine Stimme über die Schlüsselfragen unseres Lebens entscheiden kann. Und genau darum geht es bei dieser ausgezeichneten Ausstellung.“

Die historische Rückschau ist in vier Museumsräumen untergebracht. Sie nimmt ihren Anfang in einem Saal, der thematisch an den Ersten Weltkrieg anknüpft. Aus diesem Grund ist es hier düster und die überwiegenden Farben sind Schwarz- und Grautöne. Der Besucher kommt mit verschiedenen Exponaten aus der Kriegszeit in Berührung: Zu sehen sind Soldatenuniformen, preußische Pickelhauben, eine Kanone, viele Fotos, auf denen Soldatentruppen abgebildet sind, darüber hinaus gibt es einen Rollstuhl und eine Gedenktafel mit den Namen der im Krieg Gefallenen.

Diese Gegenstände sollen zum einen darauf aufmerksam machen, dass Allenstein eine Kasernenstadt war und sich dadurch gut entwickeln konnte, da die Armee das Schwungrad der lokalen Wirtschaft war, zum anderen machen die Exponate klar, dass die damaligen Bewohner in ihrer Erinnerung die Gedanken an Kriegsgräuel und -zerstörungen lebendig hielten. Das müsse sich, wie der Ausstellungskurator Mierzyński überzeugt ist, auf die Entscheidungen der Wähler bei der Volksabstimmung ausgewirkt haben, denn Polen habe sich gerade im Krieg gegen die Bolschewisten befunden und die Wähler hätten sich nach Ruhe und Stabilität gesehnt, was gerade der deutsche Staat geboten habe.

Die Ausstellungsinhalte im zweiten Raum sind der Versailler Friedenskonferenz gewidmet. Die Aufmerksamkeit wird auf eine Wand mit zahlreichen Landkarten gerichtet, die ein Symbol dafür sind, wie die Konferenz in Versailles aussah, bei der die Politiker über das Schicksal der in Ost- und Westpreußen lebenden Menschen bestimmten, ohne die Komplexität dessen zu verstehen, was in der Region geschah. Die Entscheidungen wurden mit dem Finger auf der Landkarte getroffen.

Darüber hinaus wird in dem Ausstellungsraum Propagandamaterial sowohl von polnischer als auch von deutscher Seite präsentiert. Das sind unter anderem verschiedene Flugblätter und Plakate. Besonders wertvoll ist ein Exponat, das Mierzyński als einen stummen Zeugen der Geschichte bezeichnete. Es handelt sich um einen Stempel der Plebiszitkommission mit der Aufschrift „Allenstein“, mit dem die Umschläge mit Stimmzetteln abgestempelt wurden. In dem Saal wird auch vorgeführt, wie der Wahlvorgang selbst aussah. Was die Ergebnisse der Volksabstimmung anbelangt, bräuchten diese nicht kommentiert zu werden, wie der Kurator betonte, da bekannt sei, dass Polen die Abstimmung verloren hat.

Er erwähnte auch, dass die Teilnahme von Stimmberechtigten aus dem heutigen Nordrhein-Westfalen einen wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse der Volksabstimmung gehabt habe. Es handelte sich um gebürtige Ost- und Westpreußen, die mit Schiffen des Seedienstes Ostpreußen zum Wählen geholt wurden. Ein weiterer Ausstellungsraum ist mit Exponaten und Tafeln dem schwierigen Alltag nach dem Abstimmungsakt gewidmet. Es herrschte große Armut und die Wirtschaft musste wieder aufgebaut werden.

Auf Großplakaten werden die ersten wirtschaftlichen Erfolge hervorgehoben wie die Entstehung kleiner Geschäfte in Allenstein. Gałęziowska betonte, man habe zu jener Zeit versucht, das deutsche Nationalbewusstsein so stark wie möglich unter den Menschen zu prägen. Es habe beispielsweise ein Projekt zur Suche nach Spuren der Vergangenheit gegeben. Es wurden Lokalverbände gegründet, die archäologische Stätten besucht und nach Spuren des Deutschtums gesucht hätten.

Im letzten, vierten Ausstellungsraum werden die Museumsbesucher mit den Resultaten der Abstimmung konfrontiert. Zu ihnen gehörten auch die Errichtung des Abstimmungsdenkmals in Allenstein, der Aufbau des Treudank-Theaters oder Notgeld, das mit auf ihm dargestellten Motiven auf die Volksabstimmung Bezug nahm. Gałęziowska benannte auch mittelbare Ergebnisse der Volksabstimmung. Diesen sei der Mythos der Schlacht von Tannenberg zuzurechnen. Der Sieg aus dem Jahr 1914 sei durch den für das Deutsche Reich positiven Ausgang des Plebiszits noch erfolgreicher in der deutschen Propaganda in Gegenüberstellung zur Niederlage des Deutschen Ordens in der Schlacht gegen die polnischen und litauischen Heeres bei Tannenberg vom 15. Juli 1410 genutzt worden. Das Symbol dafür war die Errichtung des Tannenberg-Denkmals bei Hohenstein, das am Ende des Zweiten Weltkriegs vor der anrückenden Roten Armee gesprengt wurde und dessen Bausteine die Kommunisten zum Aufbau des Denkmals zur „Befreiung der Erde von Ermland-Masuren“ verwendeten. Daraus werde das Paradox der Geschichte sowie das Unglück der Bewohner Ostpreußens ersichtlich, erklärte Gałęziowska: Während 1920 die Bestimmungen des Versailler Vertrages über die Schicksale der Menschen in Ostpreußen entschieden hätten, seien das 1945 die Beschlüsse der Siegermächte in Jalta gewesen.

Die Sonderausstellung ist noch bis Ende März 2021 zu sehen.


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