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Bargeldzahlung garantiert Anonymität? Eine weit verbreitete Illusion

Technische Details ermöglichen eine engmaschige Rückverfolgung von Banknoten und derer, die damit bezahlt haben – Sicherheitsexperte fordert bereits die lückenlose Erfassung aller Vorgänge

Wolfgang Kaufmann
04.09.2025

Bargeld ist gedruckte Freiheit.“ So lautete der Titel eines Beschlussantrages der AfD-Fraktion an den Bundestag vom Juni 2022, in dem es um den Stopp der Einführung des Digitalen Euro ging. Um die 80 Prozent der Deutschen sehen dies genauso, wobei sie insbesondere den Schutz der Privatsphäre als Argument für Bargeldzahlungen anführen. Im Gegenzug beschwören die Gegner der Verwendung von Banknoten die Schattenseiten des Bargeldes. Es ermögliche verdeckte Terrorfinanzierung, sei der Treibstoff der Organisierten Kriminalität, erleichtere Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung und andere dunkle Machenschaften. Dabei gehen aber beide Sichtweisen an der Realität vorbei. Denn Bargeld ist schon lange kein anonymes Zahlungsmittel mehr, das im Guten wie im Bösen Freiheit garantiert – zumindest gilt das für Geldscheine.

Jede Euro-Banknote erhält eine individuelle, nur einmal vergebene Seriennummer, welche unter anderem Auskunft über die Druckerei und das Herstellungsdatum gibt. Dazu kommen weitere, teils geheime Merkmale zur Erhöhung der Fälschungssicherheit, aber auch zur Markierung. Das macht Geldscheine noch unverwechselbarer als Fingerabdrücke, bei denen wenigstens die theoretische Möglichkeit besteht, dass zwei Menschen die gleichen Papillarlinien besitzen.

Die Identifizierung der Euro-Banknoten erfordert im Normalfall den Einsatz technischer Methoden. Und die kommen tatsächlich auch pausenlos zum Einsatz, weswegen unsere Geldscheine hell leuchtende digitale Datenspuren erzeugen. Wobei das Ganze schon vor dem ersten Zahlungsvorgang beginnt. Wenn die Druckerei die neuen Scheine an die Bundesbank ausliefert, werden die Seriennummern vom Absender wie vom Empfänger gespeichert. Danach wandern die Banknoten in eines der vielen Cash-Center in der Bundesrepublik, welche Geldtransportfirmen wie Prosegur gehören.

Persönliches Profil der Nutzer
Dort erfolgt die nächste maschinelle Erfassung und teilweise nochmalige Speicherung der Seriennummern, bevor die Scheine in die Geldautomaten wandern. Und damit ist der erste neuralgische Punkt des Bargeldkreislaufs erreicht, an dem die Anonymität des Bargelds definitiv endet. Denn am Automaten lässt sich der Schein problemlos mit dem Konto verknüpfen, von dem das Geld abgehoben wird. Das bestätigt auch die Polizei, wobei sie noch hinzufügt, dass die Banken „im konkreten Einzelfall“ manchmal schon im Vorfeld die Anweisung erhalten, die Seriennummern von Scheinen aufzuzeichnen, die an bestimmte Personen gehen.

Gleichzeitig existieren noch weitere Möglichkeiten, Bargeld gläsern zu machen. Beim Verdacht auf Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Erpressung, Terrorfinanzierung und ähnliche Delikte nutzen der Zoll und andere Sicherheitsorgane neben den Daten der Geldautomaten auch Informationen aus weiteren Quellen.

Dazu zählen Kassensysteme im Einzelhandel und auf Bahnhöfen. Außerdem verfügen moderne Parkschein-, Kaffee-, Zigaretten- und Süßigkeitenautomaten über die Fähigkeit, die Seriennummern der Scheine auszulesen und weiterzumelden, wonach dann eine Verknüpfung mit personenbezogenen Daten in den nationalen oder internationalen Polizeidatenbanken erfolgen kann. Umgekehrt lässt sich eine gezielte Suche nach Seriennummern einleiten, in deren Verlauf jede Verwendung eines konkreten Scheines Alarm auslöst.

Über die diesbezüglichen Details hüllen sich Behörden und Banken allerdings in Schweigen. Geldinstitute wie die Sparkassen und die Commerzbank ignorieren entsprechende Anfragen komplett, während andere Banken schmallippig mitteilen, sie hätten nicht die Absicht, bestehende Sicherheitsvorkehrungen offenzulegen. Dabei läuft das Ganze auf einen datenschutzrechtlichen Albtraum hinaus. Immerhin ermöglicht die Analyse des Bargeldflusses die Erstellung von persönlichen Profilen der Nutzer, die unter anderem Details über hochprivate Gewohnheiten beinhalten. So wird nicht nur der harmlose Einkauf im Supermarkt für die Staatsorgane nachvollziehbar, sondern auch der Erwerb von Suchtmitteln oder der Besuch „anrüchiger“ Etablissements – von Ausgaben für politische Zwecke ganz abgesehen.

Furcht vor politischer Verfolgung
Dennoch ist die Einrichtung einer datenbasierten Überwachungsstruktur auf der Basis von Bargeld vollkommen legal, denn die für alle EU-Mitgliedsländer verbindliche europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vom April 2016 gilt nur für personenbezogene Daten, während die Seriennummern der Geldscheine zu den Sachdaten zählen, auch wenn sie problemlos einer klar identifizierbaren Person zugeordnet werden können.

Offiziell heißt es, dass die Erfassung des umlaufenden Bargeldes noch nicht vollständig und flächendeckend erfolge. Jedoch gibt es starke Bestrebungen, diesen Zustand zu ändern. Dahinter stehen zumeist Lobbyverbände von Unternehmen, die sich vom Verkauf der Technik zum Bargeldtracking hohe Gewinne versprechen, sowie Vertreter der Sicherheitsorgane wie Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Bezirksgruppe Zoll der Gewerkschaft der Polizei. Letzterer fordert unter anderem eine lückenlose gemeinsame Seriennummern-Datenbank, auf die alle Zoll-, Polizei-, Steuer- und Geldwäsche-Aufsichtsbehörden zugreifen können: „Wir brauchen ... dringend diese Daten, sonst können uns die Leute die Hucke volllügen.“

Dahingegen sieht die Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Marit Hansen, in dem Bargeldtracking nicht nur ein datenschutzrechtliches Problem, sondern auch ein Sicherheitsrisiko: Es erleichtere die Wirtschaftsspionage sowie andere geheimdienstliche Aktivitäten des Gegners. Und das stimmt tatsächlich, weil es längst allgemein zugängliche Bargeldnachverfolgungsprogramme wie EuroBillTracker gibt und die behördlichen Datenbanken von Hackern geknackt werden könnten.

Ein ganz anderes Argument kommt dagegen vom Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Luke Hoß: „Bei einer Machtübernahme autoritärer Parteien wie der AfD“ bestehe die Gefahr, dass die Daten aus dem Bargeldtracking zur Verfolgung von politischen Gegnern führten. Als ob die jetzt Regierenden immun gegen derartige Versuchungen wären!


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