24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Novelle des Abtreibungsgesetzes

„Beerdigung der Frauenrechte“

Eine Welle der Wut ergreift die polnische Bevölkerung – Demonstrationen auch in Südostpreußen

Dawid Kazański und Edyta Gładkowska
06.11.2020

Abtreibung ist eines der Themen, die gesellschaftliche Meinungsgegensätze verschärfen und glühende Emotionen auslösen. Nach dem Gesetz war eine Abtreibung bis jetzt möglich, wenn das Kind infolge von Vergewaltigung oder Inzest gezeugt wurde, das Leben einer Frau in Gefahr war oder Gynäkologen diagnostizierten, dass der Fötus schwere Defekte oder eine unheilbare Krankheit haben könnte.

Das polnische Verfassungsgericht, das in einer tiefen Justizkrise steckt und dem vorgeworfen wird, es sei politisiert, hat Ende Oktober einen Schwangerschaftsabbruch bei Fehlbildung des Fötus für verfassungswidrig erklärt, da solche Schwangerschaftsabbrüche gegen den von der Verfassung garantierten Schutz des Lebens verstießen. Das bedeutet ein faktisches Verbot von Abtreibungen in Polen, da 98 Prozent der legalen Abtreibungen Missbildungen des Fötus betreffen.

Menschenrechtsaktivisten und die polnische Opposition kritisierten das Urteil. Der frühere polnische Ministerpräsident Donald Tusk äußerte sich kritisch: „Das Thema Abtreibung und die Entscheidung eines Pseudo-Gerichts inmitten der grassierenden Pandemie auf die Agenda zu bringen, ist mehr als zynisch.“

Auch in Ostpreußen, unter anderem in den Städten Allenstein, Osterode, Bar-tenstein, Lyck, Lötzen, Neidenburg, Neustadt, Treuburg, Osterode, Johannisburg und Elbing, gab es eine Lawine von Protesten. Am Freitag, dem 24. Oktober, versammelten sich in Allenstein mehrere hundert Menschen vor dem Sitz der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), um ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Die Teilnehmer der Versammlung hatten Grablichter dabei, aber auch Schilder mit Parolen wie „Meine Gebärmutter ist unpolitisch“, „Das ist Krieg“, „Beerdigung der Frauenrechte“, „ich bin kein Inkubator“ oder „Polen ist eine Hölle für Frauen“. Die Grablichter wurden vor den Eingang der Büros derjenigen Politiker gestellt, denen man die Schuld für die Verschärfung des umstrittenen Gesetzes zuweist.

Tausende gingen auf die Straße

Vor Ort waren auch uniformierte Polizisten, die die Teilnehmer darüber informierten, dass die Demonstration nicht den geltenden Vorschriften entspreche, wegen der Pandemie eine Bedrohung darstelle und aufgelöst werden müsse. Als dies nicht gelang, griffen die Beamten ein und ergriffen Demonstranten, die sich der Verpflichtung zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum widersetzten.

Hervorzuheben ist, dass die Versammlung trotz einer angespannten Atmosphäre friedlich zu Ende ging. Die Proteste, die sich über das ganze Land ausbreiteten, gingen am Sonntag weiter. Aktivisten betraten Kirchen mit Protest-Schildern, störten Gottesdienste und forderten die Legalisierung der Abtreibung. Sie skandierten auch anti-klerikale Slogans. Es gab viele Vorfälle, die mit einem Polizeieinsatz endeten.

In Allenstein kam es auch zu Demonstrationen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Rund um die St. Jakobus-Kirche und die Erzdiözese Ermland fand am Sonntag am frühen Nachmittag ein Protest-Spaziergang statt, an dem etwa 400 Menschen teilnahmen. Nach dem Ende der heiligen Messe begaben sich einige Protestler spontan vor das Büro von Politikern der Regierungspartei. Dort zündeten sie erneut Grablichter an, die symbolisieren sollten, dass das Urteil des Verfassungsgerichts gegen die Menschenrechte von Frauen verstoße.

Abtreibung war ab 1956 in Polen legal. 1993 wurde nach einer Kampagne der katholischen Kirche ein restriktives Abtreibungsgesetz eingeführt. Diesem zufolge war Abtreibung nur in drei Fällen erlaubt: die Schwangerschaft stellt eine Gefahr für das Leben der schwangeren Frau dar; pränatale Untersuchungen weisen auf eine schwere und irreversible Schädigung des Fötus oder einer unheilbaren Krankheit hin, die sein Leben bedroht; die Schwangerschaft ist auf Inzest oder Vergewaltigung zurückzuführen.

Schärfste Regelung in Europa

Mit dem Gesetz vom 1993 hatte Polen eines der striktesten Abtreibungsgesetze in Europa. Offiziell registrieren die Behörden jährlich über 1000 Abtreibungen. Laut Frauenrechtlerinnen liegt die tatsächliche Zahl jedoch bei mindestens 150.000. Zehntausende Polinnen treiben illegal zu Hause ab oder fahren zur Abtreibung ins Ausland.

Die Regierungspartei PiS setzt sich seit Jahren für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen ein. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes sind Schwangerschaftsabbrüche nur noch möglich, wenn das Leben der Schwangeren unmittelbar bedroht ist oder sie in Folge einer Vergewaltigung oder durch Inzest schwanger geworden sind. Die Aktivistin Kaja Godek will zusammen mit katholischen Kreisen Abtreibung aber vollständig verbieten. Ein entsprechendes Gesetz lehnte das Parlament zum ersten Mal 2015 ab. 2016 erfolgte ein erneuter Versuch, der nach Protesten Hunderttausender Frauen in ganz Polen im Oktober 2016 erneut durchfiel.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Marilys Eschenbach am 11.11.20, 12:46 Uhr

Auf jeden Fall kommt dieses Denken seit den 60igern aus der linken Ideologie bzw. kulturellem Marxismus. Und in China ist es ja auch üblich. So wurden viele von uns seit den 60igern geprägt. Oft unbewußt.
Wären z.B. die Frauen bewußter und auch empathischer würden sie sich in das kleine Menschenkind hineindenken und realisieren, was für ein Geschenk sie bekommen, wenn es auf die Welt kommt. Anstelle es auf den Müll zu werfen.
Diese unbewußten Frauen müßten mal einen Kurs zum Thema Empathie machen. Vielleicht denken sie dann anders.

sitra achra am 07.11.20, 11:42 Uhr

Die dummen Leute, die angeblich in Polen für Frauenrechte manifestieren, sind nur die Opfer einer zielgerichteten Kampagne immer derselben Feldpostnummer. Diese hat lediglich zum Ziel, das Land zu destabilisieren, bis es zum finalen Abschuss reif ist und sich dem Globalismus willig unterwirft, ein weiteres Sklavenland soll dabei kreiert werden.
Dabei gibt es erhebliche ethische und demographische Gründe, die für ein Abtreibungsverbot sprechen.
Den DemonstrantInnen steht es außerdem frei, für sichere Verhütung zu sorgen. Da gibt es genügend Alternativen. Die Frage ist nur, ob deren Intelligenz so weit reicht, diese erfolgversprechende Lösung anzuwenden...

Andreas Nickmann am 06.11.20, 13:30 Uhr

Als Kath. muss ich der von mir ansonsten sehr geschätzten PAZ hier widersprechen: Abtreibung ist etwas in sich Schlechtes

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS