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Die geplante EU-weite Chatkontrolle wird als Eingriff in die Privatsphäre gewertet– Experten befürchten das Aufweichen von Sicherheitsstandards
Der Digitalverband European DIGITAL SME Alliance sowie mehr als 40 Internetunternehmen schlagen Alarm: In einem offenen Brief haben sie vor den Plänen einer EU-weit verpflichtenden „Chatkontrolle“ gewarnt. Diese vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen – das automatisierte Scannen aller privater Chat-Nachrichten vor der Verschlüsselung – gefährde die Datensicherheit und brächten massive Nachteile für den digitalen Standort Europa. Die Unterzeichner des Briefes fordern die EU-Minister auf, alle Vorhaben abzulehnen, die „Client-Side-Scanning“ oder die anlasslose Massenüberwachung privater Kommunikation vorschreiben.
Tatsächlich ist zu befürchten, dass der aktuelle Vorschlag der EU-Ratspräsidentschaft das Internet „nicht nur für alle unsicherer“ machen wird, sondern auch eines der zentralen Ziele Europas untergräbt: die digitale Souveränität. Europäische Dienste müssten nämlich ihre Sicherheitsstandards aufweichen, um Nachrichten – auch Ende-zu-Ende-verschlüsselte – nach illegalen Inhalten zu durchsuchen. Dies kann nur viele Nutzer vertreiben. Die Folge wäre eine stärkere Abhängigkeit von ausländischen Tech-Giganten, die gerade nicht den EU-Regeln unterliegen. Kleine und mittlere Unternehmen wären besonders betroffen, da ihnen oftmals die Ressourcen fehlen, um so aufwendige Überwachungstechnik zu entwickeln und zu betreiben. Außerdem zieht die Einhaltung der Scan-Pflicht unverhältnismäßige Kosten nach sich und könnte manche Anbieter vom Markt drängen. Zugleich würde die nationale Sicherheit geschwächt, da eingebaute Sicherheitslücken Tore für Kriminelle und feindliche Akteure öffnen könnten.
Europa hat sich durch strenge Datenschutzgesetze wie die Datengrundverordnung (DSGVO) einen guten Ruf erarbeitet – Datenschutz „made in Europe“ ist ein Alleinstellungsmerkmal und vielleicht der einzige Wettbewerbsvorteil gegenüber den USA und China. Ausgerechnet dieser Vorteil würde durch die Chatkontrolle zunichte gemacht. „Dies wird die europäische Innovation ersticken und die Dominanz ausländischer Anbieter zementieren“, heißt es in dem Brief. Die Unterzeichner fordern daher, die Chatkontrolle aus dem Gesetzesvorschlag zu streichen. Stattdessen solle die EU andere Maßnahmen zum Kinderschutz ergreifen – wirksam und verhältnismäßig, ohne Europas digitales Fundament zu untergraben.
Mit ihrer Ablehnung der Chatkontrolle stehen die IT-Firmen nicht allein. IT-Sicherheitsexperten, Juristen, Datenschützer, Internet-Verbände und Wissenschaftler warnen vor einer anlasslosen Durchleuchtung privater Nachrichten. Das würde die größte Überwachungsmaschine Europas schaffen. Sogar der Deutsche Kinderschutzbund, Amnesty International und Reporter ohne Grenzen haben sich ausdrücklich dagegen positioniert – ebenso die deutschen Branchenverbände Bitkom und eco.
Deutschland stellt sich dagegen
Auch die Betreiber beliebter Messenger-Dienste protestieren: Signal, Threema und der Meta-Ableger WhatsApp etwa haben deutlich gemacht, dass sie eine Aufweichung ihrer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht akzeptieren werden. Die Präsidentin der Signal-Stiftung, welche die Verantwortung für die gleichnamige Messenger-App Signal trägt, Meredith Whittaker, sagte: „Wir werden notfalls lieber den europäischen Markt verlassen, als die eigene Verschlüsselung zu unterminieren!“
In Deutschland hat die Bundesregierung nun klargestellt, dass sie den umstrittenen EU-Vorstoß so nicht mittragen wird. Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) erklärte: „Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein. Private Kommunikation darf nie unter Generalverdacht stehen. Der Staat darf Messenger auch nicht dazu zwingen, Nachrichten vor Versendung massenhaft auf verdächtige Inhalte zu scannen.“
CDU-Fraktionschef Jens Spahn etwa verglich das Chat-Scanning mit dem präventiven Öffnen aller Briefe und mit dem Verletzen des Briefgeheimnisses. Er folgerte entsprechend deutlich: „Das geht so nicht, und deshalb wird es das mit uns nicht geben.“ Mit der deutlichen deutschen Position schwinden zugleich die Erfolgsaussichten der Pläne im EU-Rat.
Für die EU-Kommission bedeutet die Kritik einen herben Rückschlag. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass Kinderschutz enorm wichtig ist – doch das Mittel der lückenlosen Chat-Durchleuchtung schießt weit über das Ziel hinaus. Beobachter fordern stattdessen ein Umsteuern: Anstatt die sichere Kommunikation aller Bürger zu gefährden, solle sich die Politik auf wirkungsvolle und grundrechtskonforme Maßnahmen konzentrieren. Denkbar wären eine bessere personelle Ausstattung der Ermittlungsbehörden und intensivere internationale Zusammenarbeit, um Netzwerke von Kinderschändern gezielt zu zerschlagen.