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Amüsieren sich köstlich über ihren eigenen Polit-Unsinn, der sie und das Land an den Abgrund bringt
Foto: pa/dts-AgenturAmüsieren sich köstlich über ihren eigenen Polit-Unsinn, der sie und das Land an den Abgrund bringt

Leitartikel

Berliner Kaspertheater

Jens Eichler
07.08.2024

Tri-tra-trallala, der Kasper, der ist wieder da. Die meisten dürften es noch aus der Grundschule kennen: das Kaspertheater. Damals, als Kasper Larifari noch nicht binär, eine blondgezopfte Gretel keine kulturelle Aneignung und der böse Wolf noch nicht rassistisch waren. Doch wie steht es um den Berliner Polit-Mummenschanz? Keine Frage, die SPD hat hier klar die Gretchenrolle übernommen – als willfähriges Rotkäppchen. Auch der böse Wolf ist eindeutig identifizierbar. Keiner frisst so bösartig seine Gegner wie die Grünen. Tja, bleibt wohl für die FDP nur noch eine Rolle übrig – die des lustig-trotteligen Kaspers.

Und in der Tat gibt Bundesfinanzminister Christian Lindner aktuell genau dieses Bild ab. Denn anders können weder sein Verhalten noch seine Äußerungen auch nur ansatzweise interpretiert werden. Lindner als der Zipfelmützen tragende Witzbold mit der Patsche in der Hand, mit der er den Koalitionskollegen gern mal eine drüberzieht.

Das aktuelle Narrenspiel: das aktuelle neue Haushaltsgezerre um ein paar weitere Steuermilliarden für drohende Finanzierungslücken. Sagte doch der FDP-Finanzminister im ZDF-Sommerinterview am 4. August: „Ich habe die politische Verantwortung für unsere Staatsfinanzen. Ich habe mich einmal auf einen Koalitionskompromiss eingelassen, der wackelig war und von Karlsruhe verworfen worden ist. Das passiert mir kein zweites Mal ...!“

Ganz gemein ausgetrickst
Eine Aussage, in der viel Dynamit steckt. So viel, dass man als Wahlvolk förmlich auf den Knall und damit auf das Platzen der Bombe wartet. Auch wenn Lindner, wie er selbst sagt, die Verantwortung über den Haushalt trägt, so wirft er doch hinten herum Bundeskanzler Olaf Scholz (= Rotkäppchen) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (= der böse Wolf) vor, ihn hinterrücks ausgetrickst zu haben. So, so, er hat sich also beim Nachtragshaushalt im Herbst des letzten Jahres auf einen faulen Kompromiss eingelassen. Hört sich einerseits so an, als ob Kompromisse sonst so gar nicht Lindners Steckenpferd seien. Na klar, Kasper Lindner-Larifari ist ja bekannt für einen klaren, stringenten Kurs (kleine Ironie am Rande).

Oder hat er sich auf etwas eingelassen, ohne genau hinzusehen? Das hieße, er wurde einerseits von den beiden anderen Protagonisten über den Haushaltstisch gezogen und hat – immerhin der verantwortliche Fachminister – nicht so genau hingesehen. Betrogen und fehlende Akkuratesse – auch für einen Kasper keine gute Mischung. Auf alle Fälle ergeht sich Lindner mit diesen Formulierungen wieder in hilfloses Gestammel, getreu dem Motto: Ich war's nicht, schuld waren die anderen! Alles nichts Neues, wenn da nicht eine diesmal so definitiv klingende Drohung mit Ultimatums-Attitüde wäre: „Noch einmal passiert mir das nicht!“, droht Lindner. Sonst ...? Und wenn doch? Was dann? Lindner steckt in Wahrheit in einer ausweglosen Lage, in einem Dilemma. Natürlich weiß der FDP-Chef, dass diese Regierung am Ende ist. Komplett am Ende. Tief im Inneren weiß er sogar, dass er seine Partei, aber allen voran die Bundesrepublik, von Anfang an gar nicht erst in diese prekäre Lage mit diesem unsäglichen Trio hätte bringen dürfen. Es war quasi Selbstmord auf Raten mit stets zu vielen lautstarken Ankündigungen. Lindner kann sich drehen und wenden, wie er will. Da kommt er nicht mehr raus. Und die anderen im Übrigen auch nicht.

Komplett ins Aus geschossen
Die einzig wahre Konsequenz wäre, einen finalen Schlussstrich zu ziehen. Es hat sich ausgekaspert. Und dann? Genau das ist der Haken. Die FDP könnte bei einer Neuwahl an der Fünfprozenthürde scheitern, die Grünen wahrscheinlich wieder im Nichts versinken und die SPD verkäme wohl zur Splitterpartei mit ein paar mickrigen Prozentchen. Okay, heißt also: Alle Mann festhalten, auch wenn das Boot zu sinken droht, wir bleiben noch an Deck. Ein Jahr lang Nase und Mund knapp über Wasser halten, auch wenn es noch so in die Atemwege schwappt. Was für eine Tortur – nur für noch ein Jahr mehr Machterhalt, ein Jahr mehr Murks und ein Jahr mehr deutsches Dahinsiechen.

Und dann? Dann hätte Kasper Lindner-Larifari endlich etwas Definitives geschaffen: nämlich sich und die FDP komplett ins Aus geschossen, als Genugtuung die anderen gleich mit, und der AfD hätte er spätestens jetzt zu einem grandiosen Sieg verholfen. Was für ein Kaspertheater!


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