27.07.2024

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Bürokratie-Abbau

Beruhigungspille für Wirtschaft und Bevölkerung

Der „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ der Bundesregierung beinhaltet viel Sollen und Wollen

Peter Entinger
20.11.2023

Die Mängelliste in Deutschland, dem einstigen Land des Wirtschaftswunders ist lang. Verbände und Unternehmen beklagen seit Jahren langwierige Genehmigungsverfahren, eine ausufernde Bürokratie und eine mangelhafte Digitalisierung. In der vergangenen Woche trommelte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein Kabinett und die Ministerpräsidenten der Länder zusammen. Alles soll anders, alles soll besser werden. Ein Projekt mit dem Bandwurmnamen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ soll die lahmende Wirtschaft in Gang bringen. Es soll zur Verschlankung von Verfahren führen, indem das Recht modernisiert wird sowie Prüfschritte in Genehmigungsverfahren reduziert und standardisiert werden. Hierfür sieht der Pakt auch die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren mithilfe von Digitalisierung vor.

Es gehe darum, „dass nicht noch ein Politiker sagt, alles soll schneller werden, sondern dass es tatsächlich passiert“, sagte der Kanzler. In der Vergangenheit hätten Bund und Länder immer mehr Vorschriften erfunden. Diese sollten nun vereinfacht werden. Warum dies bisher nicht geschehen ist und wie es konkret besser werden soll, ließ Scholz offen. Fest steht bisher nur, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden soll, welche die Umsetzung überprüft. Erste Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2024 vorliegen.

Schnellere Genehmigungsverfahren
Durch den Pakt sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Wohnungsbau, der Mobilfunkausbau und die Modernisierung von Straßen, Schienen, Brücken und Stromnetzen einfacher und schneller gelingen. Doch der Teufel steckt wie immer im Detail. In der Beschlussvorlage heißt es, dass die dafür erforderlichen – und bisher äußerst langwierigen Gesetzgebungsverfahren – beschleunigt werden sollen. Maßnahmen zur konkreten Umsetzung sucht man allerdings vergeblich.

Tatsächlich liest sich das Papier in weiten Teilen wie eine Beruhigungspille für Wirtschaft und Bevölkerung. Die weitestgehend brachliegende Digitalisierung soll auf Vordermann gebracht werden. „Natürlich wollen wir auch alle Prozesse digitalisieren, damit das schnell geht. Wir wollen künstliche Intelligenz verwenden und unsere gesamte öffentliche Struktur digitaler machen“, sagte der Kanzler. Neben viel „sollen“ findet man also in dem „Ankündigungs-Pakt“ auch viel „wollen“.

Dass der Wohnungsbau bisher hinter den Erwartungen hängt, dass die Bundesregierung alle diesbezüglich gesteckten Ziele bislang grandios verfehlt hat? Schnee von gestern! In Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten vereinfache und beschleunige der Pakt den Bau von bezahlbarem Wohnraum. Durch eine Sonderregelung könne bis Dezember 2026 auf Bauleitpläne verzichtet werden. „So kann Deutschland viel schneller bauen“, heißt es in dem Papier euphorisch. Man darf gespannt sein.

Ein Beispiel, wie viel Unwägbarkeit in den Planungen steckt, zeigt ein Blick auf die Verlautbarungen zum Ausbau der Mobilfunknetze. „Damit Netzbetreiber in Zukunft leichter Standorte für die Masten finden, werden die Abstandsvorgaben zum Beispiel zu Straßen oder außerhalb von Ortschaften verringert“, heißt es. So könne die Netzabdeckung vorwiegend im ländlichen Raum verbessert werden. Außerdem soll es künftig in vielen Fällen möglich sein, kleinere Masten ohne Verfahren oder Genehmigung aufzustellen.

Proteste und Klagen möglich
Aber was ist mit den zu erwartenden Protesten von Umweltgruppierungen? Was ist mit möglichen Klagen? Eine Antwort darauf sucht man vergeblich. Auch beim Straßenbau und der Sanierung von Autobahnbrücken, derzeit ein einziger Flickenteppich in Deutschland, verspricht man Abhilfe. „Deutschland erhält eine leistungsstarke Infrastruktur mit modernen Straßen, Brücken, Schienen und eine gut ausgebaute Energieinfrastruktur mit Netzen zur Strom- und Wärmeversorgung“, heißt es vollmundig. Eher kleinlaut wird hinterhergeschoben: „Um lange Einzelfallprüfungen beim Artenschutz zu vermeiden, sollen umfassende gesetzliche Standards erarbeitet werden, um gefährdete Arten zu schützen und Rechtsklarheit zu schaffen.“ Das könnte allerdings dauern.

Dass es bei all den Ankündigungen zu einer Prozesslawine kommen könnte, scheint auch dem Kanzler und seinen „Pakt-Mitstreitern“ zu dämmern. Dabei liest sich die Lösung auf dem Papier ganz einfach. Gerichtliche Auseinandersetzungen um den Bau wichtiger Bahnstrecken sollen künftig nicht mehrere Gerichtsinstanzen durchlaufen müssen, sondern direkt vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden. „Das spart viel Zeit“, heißt es euphorisch. Wenn es denn klappt. Auf die Meinung der Juristen darf man jedenfalls schon jetzt gespannt sein.


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Kommentare

Lothar Herrmann am 20.11.23, 08:13 Uhr

"Wir wollen künstliche Intelligenz verwenden ..." Phantastischer Plan - mit der reichlich vorhandenen natürlichen Dummheit geht's ja doch nur weiter abwärts ... Nur leider ist wollen allein nicht ausreichend ...

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