17.11.2025

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Berichten über die unheimlichen, unaufgeklärten Jägermorde im 19. Jahrhundert:  Karolina Rybicka und Michał A. Pieczka
Bild: WagnerBerichten über die unheimlichen, unaufgeklärten Jägermorde im 19. Jahrhundert: Karolina Rybicka und Michał A. Pieczka

Östlich von Oder und Neiße

Betet für euren Vater und denkt nicht an Rache

Im Riesen- und Isergebirge enthüllt sich die Geschichte der Förster

Chris W. Wagner
17.11.2025

Wanderer, die den grünen Wanderweg vom niederschlesischen Bad Flinsberg [Świeradów-Zdrój] zum Großen Geierstein [Sępia Góra] im Isergebirge [Góry Izerskie] einschlagen und an der zweiten Weggabelung nach links abbiegen, finden an diesem Weg drei Steine. Diese erinnern an einen mysteriösen Mord vom neunten Februar 1839. Der Blogger Robert Kotecki beschreibt auf seiner Internetseite „KarkonoszeGo“ diese Geschichte: „Drei Männer stapften durch den tiefen Schnee, weil sie Waldtiere mit Futter versorgen und das Revier patrouillieren wollten. Es waren die Revierjäger Christ und Hirt sowie ein Praktikant namens Frey. Dabei stießen sie auf frische menschliche Spuren und vermuteten, dass diese von einem Wilderer stammen könnten. Sie betraten den Jungwald und fanden tatsächlich einen Wilderer.“ Die Geschichte ging für die beiden Jäger nicht gut aus, denn der bewaffnete Wilderer schoss ohne Vorwarnung in Richtung der Männer. Praktikant Frey konnte fliehen, holte Hilfe, doch für Hirt und Christ kam diese zu spät.

Die Schlesischen Provinzblätter aus dem 19. Jahrhundert vermerken gleich mehrere ungeklärte Morde an Förstern und Jägern im Riesen- und Isergebirge, wo die meisten Diener eines adeligen Guts oder Forstamts waren. Im Königreich Preußen waren sie Beamte im niederen bis mittleren Dienst. Sie trugen Uniform, führten Waffen und hatten Ordnungs- und Polizeigewalt im Revier.

Ein Oberförster gehörte häufig zur gebildeten Mittelschicht und sein Ansehen war mit dem eines Lehrers, Pfarrers oder Beamten vergleichbar. Dennoch kam es vermehrt zu Gewalt gegen sie, so die Historikerin und Archivarin Karolina Rybicka: „Wilderei war oft ein Mundraubdelikt armer Landbevölkerung. Das machte den Beruf des Försters riskant. Sie galten oft als Helden in Grün, die ihr Leben für Ordnung und Eigentum riskierten.“

Nach seinem täglichen Rundgang in den Wäldern um Bad Flinsberg begab sich Förster Johann Ulbricht am 29. Juli 1802 in Richtung seiner Waldhütte. „Seit Tagen hatten Wilderer viel Schaden angerichtet. Ulbricht wollte in der Hütte übernachten“, berichtet Rybicka. Er überraschte am Morgen des 30. Juli 1802 zwei Wilderer, die einen Hirsch ausweideten. Aber diese überwältigten den Jäger und erstachen ihn. Die Mörder wurden nie gefasst.

Am 17. September 1838 wurde Christian Gottfried Maywald aus Kiesewald [Michałowice] im Kreis Hirschberg [Jelenia Góra] während seines Rundgangs mit der eigenen Waffe angeschossen und verstarb an den Schussverletzungen. Am Tatort erinnert ein Stein an den Förster.

Rybicka fand daneben eine makabre Schicksalsverbindung zum Praktikanten Frey, der 1839 in Flinsberg mit dem Leben davonkam: „Frey ist der Vater von einem weiteren Opfer, nämlich Wilhelm Frey. Dieser wurde am 21. Juli 1877 ebenfalls durch einen Wilderer ermordet. Er lebte in Wolfshau [Wilcza Poręba], heute Stadtteil von Krummhübel [Karpacz]“, berichtet sie. Wilhelm Freys Geschichte sei besonders tragisch, da er am 21. Juli zwischen 19 und 20 Uhr bereits im Sterben einen Eintrag im Notizbuch machte, der lautet: „Wenn ich sterben sollte, ehe ich gefunden werde, so wisse man, dass ich von einem Wilddiebe geschossen bin; der war ganz nahe mit Doppelflinte, vermummt und mit falschem Bart. Mein gutes, liebes Weib, meine lieben Kinder, werdet gute Menschen, betet für mich. Gott in deine Hände befehle ich meine Seele, erlöse mich. Ich schreie so sehr und kein Mensch hört mich. O Kinder, betet für euren Vater und denkt nicht an Rache. Gott vergebe meinem Mörder; meine Leiden sind groß. Frey.“

Er war Leibjäger des Grafen Leopold Schaffgotsch und seit kurzer Zeit aus Boberröhrsdorf [Siedlęcin] nach Wolfshau als Förster versetzt worden. Er hinterließ eine Frau und fünf unmündige Kinder. Unweit seiner Försterei erinnert eine Gedenktafel an den Mord. Diesem folgten weitere ungeklärte Taten. Am 6. November 1890 wurde Carl Robert Weniger aus Hartenberg (Górzyniec) erschossen, ein Jahr darauf, am 12. Juli 1891, ließ Johann Klammt aus Rabishau (Rębiszów) im Dienst sein Leben.

Auch wenn die Förstermorde bis heute nicht aufgedeckt sind, so bleibt wenigstens die in Stein gemeißelte Erinnerung an die Opfer. Dank Rybicka schließt sich eine neue Lücke in der schlesischen Alltagsgeschichte.


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