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Das Lübecker Günter-Grass-Haus präsentiert eine neue Dauerausstellung zu Leben und Werk des Literaturnobelpreisträgers
Für seine Nobelpreisträger macht Lübeck stets einen großen Bahnhof. Da genügt schon die Eröffnung einer kleinen Dauerausstellung, damit sich die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth für einen Empfang am vergangenen Mittwoch im Theater Lübeck schick gemacht hat.
Die grüne Politikerin erntet, was ihre Vorgängerin Monika Grütters von der CDU in die Wege geleitet hat: das Ergebnis einer kompletten Umgestaltung der Ausstellungsräume im Günter-Grass-Haus für einen sechsstelligen Betrag. Anders als der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann und der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt ist Grass kein gebürtiger Lübecker; er stammt bekanntlich aus Danzig und kann sich nicht einmal als Zugezogener bezeichnen. Seine letzten 28 Lebensjahre verbrachte er im südlich von Lübeck gelegenen Behlendorf. Sein Sekretariat und das Archiv der Günter-und-Ute-Grass-Stiftung verlegte er jedoch in die Lübecker Altstadt. Die Ähnlichkeit der Hansestadt mit seiner Heimatstadt Danzig und die Nähe zur Ostsee mochten ihn dazu bewogen haben.
Das schmale Hinterhaus an der Glockengießerstraße 21 bietet dabei seit dem Jahr 2002 auf zwei Etagen die Räumlichkeiten für Ausstellungen des Günter-Grass-Hauses, wobei der obere Bereich Sonderausstellungen vorbehalten bleibt. Die Dauerausstellung im Erdgeschoss müsse laut Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa alle zehn Jahre neu konzipiert werden. „Der 20. Geburtstag des Hauses war eine ideale Gelegenheit für eine Umgestaltung, denn die vorletzte Ausstellung von 2012 war ohnehin veraltet, weil Günter Grass 2015 starb und sich dadurch neue Aspekte ergaben“, so Thomsa.
War sie zuvor mit Einblicken in Originalmanuskripte auf das literarische Werk von Grass ausgerichtet, so wendet sich der Blick jetzt auf dessen Biographie und den bildenden Künstler, der Grass schließlich auch war. So hängen die Wände voll mit zum Teil neuerworbenen Originalzeichnungen, Aquarellen und Lithographien des Autors, die größtenteils tierische Motive aus seinen „Fabel“-haften Werken zeigen: Ratten nach seinem Roman „Die Rättin“ (1986), Kröten nach seiner Erzählung „Unkenrufe“ (1992) oder Krebsgetier nach seiner Novelle „Im Krebsgang“ (2002). Im Hinterhof greift wie schon seit jeher als Plastikskulptur eine Hand nach dem Butt aus dem gleichnamigen Roman von 1977.
Größter Hingucker der Ausstellung sind aber weniger die Bilder als die von Bruno Grass zur Verfügung gestellte originale Olivetti-Schreibmaschine, auf der sein Vater sein Jahrhundertwerk „Die Blechtrommel“ schrieb. Laut Bruno Grass war die Schreibmaschine ein Geschenk der Großtante zum Hochzeitstag seines Vaters mit der Mutter Anna Margareta Schwarz am 20. April 1954. Dass der Autor, der in seinem Erinnerungsband „Beim Häuten der Zwiebel“ erst spät – im Jahr 2006 – seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS offenbarte, ausgerechnet an Hitlers Geburtstag heiratete, ließ sich laut Bruno Grass nicht umgehen. Es war kein anderer Termin mehr frei, „und er wollte meine Mutter unbedingt heiraten“.
Grass' viel diskutierte SS-Vergangenheit dürfte mit ein Aspekt für die Neuausrichtung der Ausstellung gewesen sein. Sie wird nicht verschwiegen, wenngleich man leicht daran vorbeiläuft. Gleich im Dielenbereich beim Museumsshop findet sich eine Zeitleiste mit biographischen Daten zu Grass. Direkt daneben läuft auf einer multimedialen Monitorwand eine Filmcollage mit Motiven aus der „Blechtrommel“ und dem „Ärzte“-Musiker Bela B. als Trommler in Endlosschleife. Das sind nette mediale Spielereien, die aber kaum zum Verweilen einladen.
Überhaupt hat man Grass jetzt in ein ultramodernes Design gezwängt. Das lenkt fast von Grass und seinem Werk ab und zwingt den Besucher, eher die neuartigen Dioramen in dem wie bisher ausgestellten alten Kolonialwarenladen aus der „Blechtrommel“ zu bewundern als die Kolonialwaren selbst. Und die von Grass thematisierte Vertreibung aus den Ostgebieten? Ist kein Thema mehr. „Neu schlägt alt“ heißt es dann auch bei den beiden sogenannten Hyperboxen, hinter denen sich auf durchsichtigen Touchscreen-Bildschirmen Motive aus „Beim Häuten der Zwiebel“ und „Die Rättin“ verbergen.
Überhaupt ist der Rundgang im kleinen Erdgeschoss schnell abgeschlossen, es sein denn, man öffnet einige Schubladen, die als „offenes Archiv“ Grass' Manuskripte, Schreib- und Malutensilien enthalten. Im oberen Stockwerk ist noch bis Sonntag die Ausstellung „Into the Trees“ zu sehen, in welcher der SPD-Unterstützer Grass seine grüne Ader aufzeigt als Kämpfer gegen das Waldsterben.
Am Treppenabsatz fällt der Blick auf die Literaturnobelpreismedaille von 1999. „Es ist aber nur eine von zwei Repliken“, verrät Thomsa, das Original befinde sich im Besitz der Günter-und-Ute-Grass-Stiftung. „Auch ich und alle anderen Familienmitglieder haben damals vom Stockholmer Nobelpreiskomitee eine Replik abbekommen: aus Schokolade“, ergänzt Bruno Grass. Die sei aber längst verspeist.
• Günter-Grass-Haus Glockengießerstraße 21, Lübeck, geöffnet Dienstag bis Sonntag und ab 1. April schon ab Montag von 11 bis 17 Uhr, Eintritt: 4 Euro. Internet: www.grass-haus.de
sitra achra am 10.03.22, 14:41 Uhr
Der Grund dafür, dass Grass für die EsPeDe die Blechtrommel gerührt hat, war wohl die Übereinstimmung dreier Buchstaben mit seiner Lieblingsorganisation. Das NAtionale musste dann zwangsläufig aus seinem Werk herausfallen. Siegfried Lenz hat mit seinen Romanen, zuallererst mit "So zärtlich war Suleyken", der verlorenen Heimat hingegen ein Denkmal gesetzt.