14.08.2025

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Der Original-Scheck über den Kaufpreis in Höhe von 7,2 Millionen US-Dollar
Foto: Edouard de Stoeckl and William H. Seward WikimediaDer Original-Scheck über den Kaufpreis in Höhe von 7,2 Millionen US-Dollar

Alaska – der verkannte Eisbärpark

Aus Geldnot musste das russische Gebiet vom Zaren verkauft werden – Die USA bezahlten 7,2 Millionen US-Dollar für ihren neuen Bundesstaat – Einst als Wildnis verschmäht, wurde es begehrtes Gold-Dorado und nun Treffpunkt von Trump und Putin

Jens Eichler
14.08.2025

Alaska ist heutzutage ein Synonym für unendliche Weiten, schneebedeckte Berge, Eisbären, Eskimos – und Ölplattformen. Der nordwestlich von Kanada gelegene US-Bundesstaat ist der größte und auch der am dünnsten besiedelte. Mit seinen Nationalparks von der Größe eines Landes und Gletschern, die größer sind als andere ganze US-Bundesstaaten, wird das Wort „episch“ Alaska kaum gerecht. Dabei begann seine Geschichte in einer ganz anderen Gestalt – nämlich als Teil einer Landbrücke. Vor etwa 20.000 Jahren, in der letzten Eiszeit, war der Meeresspiegel um mehr als 100 Meter niedriger als heute. Was also aktuell hysterisch Klimawandel genannt wird, war schon damals ein völlig natürlicher Vorgang. Wo sich heute die stürmische Beringstraße zwischen dem russischen Sibirien und dem amerikanischen Alaska erstreckt, lag ein breites Stück Land: Beringia.

Dieses damals riesige, baumlose Grasland verband die beiden Kontinente Asien und Nordamerika. Über Jahrtausende hinweg nutzten Tiere und Menschen diese natürliche Verbindung. Mammuts, Moschusochsen und Bisons zogen in Herden über die weiten Ebenen, gefolgt von kleinen Gruppen nomadischer Jäger, die Speere warfen, Feuer entfachten und neue Lebensräume erkundeten.

Die ersten Spuren menschlicher Anwesenheit – Werkzeuge, Knochen, sogar Kinderbestattungen – finden sich in Fundorten wie Upward Sun River oder den Bluefish Caves im Yukongebiet. Aus diesen Nomaden entstanden über Jahrtausende die indianischen Völker Alaskas: die maritimen Aleuten, die kunstfertigen Tlingit, die fischfangenden Yupik, die widerstandsfähigen Inupiat. Alles Stämme, die früher als Sammelbegriff „Eskimos“ genannt wurden und sich heute – politisch korrekt – als Inuit bezeichnen.

Diese Kulturen standen lange vor der Ankunft der Europäer in engem Kontakt miteinander. Handelswege führten entlang der Küsten, Felle, Kupfer, Obsidian und Geschichten wurden über hunderte Kilometer weitergegeben. Doch wenn sie keinen Handel trieben, bekämpften sie sich ebenso bis aufs Blut. Denn Sympathie empfanden sie keineswegs füreinander. Im Gegenteil: In Zeiten, wo jeder durch die Jagd und die Suche nach Essen ums Überleben kämpfte, gab es maximal die Gemeinschaft innerhalb der Stämme, aber nichts dergleichen darüber hinaus. Stammesfreundschaften? Dafür hatte man weder Zeit noch Muße. Lieber zog man dem Angehörigen eines anderen Stammes die Keule über den Schädel, weil man so wieder einen Jagd-Beute-Konkurrent weniger hatte.

Russlands Blick nach Osten
Fast 18 Jahrhunderte lang blieb Alaska für die „Alte Welt“ ein weißer Fleck auf der Karte. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts begann das russische Zarenreich, seine Grenzen zu dehnen – nicht nur nach Westen in Richtung Europa, sondern auch nach Osten über Sibirien hinaus. Zar Peter der Große hatte den Ehrgeiz, die Entschlossenheit und den Erobererwillen, um herauszufinden, wie weit sein Reich reichen könnte.

Im Jahr 1725 beauftragte er daher den dänischen Kapitän Vitus Bering, im Auftrag Russlands den Nordpazifik zu erkunden. Geld, Material und Zeit sollten keine Rolle spielen. Und so kam es, dass Bering nach einer ersten mehrere Jahre dauernden Seereise ohne große Erkenntnisse heimkehrte. Dem enttäuschten Zaren gefiel das Ergebnis aber nicht, und so schickte er den „dänischen Seebären“ erneut auf Entdeckungsreise. Bei seiner zweiten Expedition, 1741, erreichte Bering gemeinsam mit Alexei Tschirikow, einem russischen Seefahrer und Sibirienforscher, endlich die Küsten Alaskas. Der Empfang durch das raue, kalte Land war hart: eisiger Sturm, dichter Nebel und todbringender Skorbut rafften einen Großteil der ohnehin ausgemergelten Besatzung dahin. Bering selbst starb schließlich am 19. Dezember 1741 entkräftet auf einer Awatschainsel, die heute seinen Namen trägt. Der nahe Moskau geborene Tschirikow aber sackte alle Entdecker-Lorbeeren ein und gilt seither als erster Europäer, der einen Fuß auf Alaskas Boden setzte.

Was die Expedition jedoch später ins Zarenreich zurückbrachte, war schier unbezahlbar – Felle des Seeotters, so weich und dicht, dass sie binnen kürzester Zeit in China und Europa als Luxusware galten. Und schon bald strömten russische Pelzhändler – die Promyschleniki – in das neue Territorium, gierig nach dem „weichen Gold“, wie man seinerzeit die edlen Felle nannte.

Rund ein halbes Jahrhundert später, 1799, erhielt die Russisch-Amerikanische Kompanie ein kaiserliches Monopol für den Handel und damit auch die Verwaltung des Gebiets. Der Gouverneur Alexander Baranow machte Sitka zur Hauptstadt von „Russisch-Amerika“, wie Alaska tituliert wurde. Von hier aus kontrollierten die Russen Handelsposten auf Kodiak, den Aleuten und sogar an der Küste des heutigen Kaliforniens in Fort Ross.

Der Pelzhandel war lukrativ, und ebenso erbarmungslos. Die Russen zeigten sich von der blutrünstigsten Seite: Viele in Alaska lebende Indianerstämme wurden brutal gezwungen, für die Russen zu jagen. Wer nicht freiwillig zustimmte, wurde gefoltert oder gleich vor den Augen der Familie niedergemetzelt. Hinzu kamen Krankheiten wie Pocken, die von den Russen eingeschleppt wurden und die Bevölkerung dezimierten. Dennoch entstanden neue Gesellschaftsformen – insbesondere Kinder aus ebenso freiwilligen wie unfreiwilligen Verbindungen zwischen russischen Männern und indianischen Frauen. Die sogenannten Kreolen, entwickelten mit der Zeit eine eigene Kultur, die Sprachelemente, Kleidung und Glaubensvorstellungen nach und nach mischte.

Mit der Zeit jedoch stieß das Imperium an seine Grenzen: Die rücksichtlose Jagd und Abschlachterei der Seeotter führte zu dramatischem Bestandsrückgang. Die Versorgung der entlegenen Siedlungen wurde hingegen immer immer teurer, und russische Interessen verschoben sich nach Osten und Süden.

Mitte des 19. Jahrhunderts stand Russland zunehmend finanziell unter Druck. Der dreijährige Krimkrieg von 1853 bis 1856 hatte die Staatskassen bis auf den Boden geleert und parallel dazu gezeigt, wie verwundbar weit entfernte Gebiete waren. Damit wurde auch im Zarenpalast eines gewiss: Sollte ein Krieg mit Großbritannien ausbrechen – der zu dieser Zeit drohend bevorstand –, würde Alaska, das nun einmal nahe den britischen Kolonien in Kanada gelegen war, wohl kaum zu verteidigen sein.

Ein Verkauf aus schlichter Geldnot
Die Lösung lag für den Zaren und seine beratende Regierungsentourage auf der Hand: verkaufen! Und zwar am besten solange der Preis noch stimmt. Denn einen potenten Kaufinteressent gab es: die USA. Sie boten sich als Käufer an. Der damalige Außenminister William H. Seward sah nämlich in Alaska überaus großes strategisches und wirtschaftliches Potenzial. Nach langen, zähen und harten Verhandlungen unterzeichneten beide Seiten gegen 4 Uhr am Morgen des 30. März 1867 den Kaufvertrag: 7,2 Millionen US-Dollar – etwa zwei Cent pro Acre – für rund 1,6 Millionen Quadratkilometer. Aus heutiger Sicht ein Schnäppchen. Kein Wunder, dass die Reaktion in den USA zunächst eher spöttisch ausfiel. Zeitungen nannten Alaska „Sewards Dummheit“ oder „Sewards Eistruhe“. Die Zeitung „New York World“ bezeichnete das gekaufte Alaska als „ausgelutschte Orange“, weil es angeblich nichts Wertvolles besaß außer Pelztiere, die aber von den Russen ohnehin schon alle erlegt worden waren. Und die „New York Tribune“ schrieb von einer „gefrorenen Wildnis“, in der sich lediglich ein paar eisverliebte Indianer gegenseitig umbringen würden. Selbst innerhalb der Regierung war man von dem Kauf nicht wirklich überzeugt und sprach vom „Eisbärpark“ des Präsidenten Andrew Johnson.

Doch trotz aller Witzeleien und des vielen Spotts sollte sich schon bald der wahre Wert des Kaufs zeigen: Das 1896 entdeckte Gold löste einen Goldrausch am Klondike aus, der Zehntausende Glücksritter durch Alaska Richtung Yukon strömen ließ. Im Zweiten Weltkrieg wurde zudem die militärische und strategische Qualität Alaskas erkannt. 1968 entdeckte man riesige Erdölfelder in Prudhoe Bay, die den Wert des einst so billig gekauften Bodens um ein Vielfaches steigen ließ. Bis 1977 mit der Fertigstellung der Trans-Alaska-Pipeline ein weiterer Wirtschaftsmotor für die USA gestartet wurde.

Mit Beginn des Kalten Kriegs wurde der nördlichste US-Bundesstaat zur vordersten Frontlinie zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Lächerliche vier Kilometer trennen die Diomedes-Inseln in der Beringstraße – „Big Diomede“ gehört zur Russischen Föderation, „Little Diomede“ hingegen zu den USA. Militärbasen, Frühwarnsysteme und Abfangjäger prägten Jahrzehnte die Landschaft. Anchorage und Fairbanks wurden zu strategischen Drehkreuzen. Die Nähe zu Russland machte Alaska sowohl verletzlich als auch wertvoll.

Geopolitischer Treffpunkt
Heute ist Alaska ein Bundesstaat, in dem indianische Traditionen, russisches Erbe und amerikanischer Pioniergeist aufeinandertreffen. Es ist reich an Öl, Gas, Fischbeständen, an Nationalparks, Wildnis und einer strategischen Lage, die in geopolitischen Planungen immer noch eine zentrale Rolle spielt. Denn wohlgemerkt: Alaska ist kein neutraler Boden – und genau deshalb auch eine treffende Wahl für ein Gipfeltreffen mit überaus großer Symbolkraft. Hier stoßen buchstäblich Ost und West aufeinander, getrennt nur durch eine schmale Wasserstraße. Die Geschichte selbst erzählt von Verschiebungen der Macht: einst russisch, heute amerikanisch.

Für ein Treffen zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump bietet Alaska drei entscheidende Vorteile:

1. Historische Symbolik: Der Ort erinnert beide Seiten daran, dass Grenzen verhandelbar sind und einst friedlich verschoben wurden.

2. Geographische Nähe: Kürzere Anreise aus Moskau als aus Washington; logistisch somit sehr effizient.

3. Abgeschiedenheit und Sicherheit: Militärpräsenz garantiert Schutz, während die Landschaft Raum für vertrauliche Gespräche lässt.

Die Wahl Alaskas ist somit nicht nur eine praktische Entscheidung, sondern auch eine Botschaft: Zwischen Russland und den USA gibt es noch Orte, an denen Geschichte nicht trennt, sondern sogar verbindet.


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Kommentare

Gregor Scharf am 14.08.25, 11:06 Uhr

Es kursierte bei uns in Mitteldeutschland ein Sprichwort: „Amerikaner sind Russen mit Geld.“
Volkes Mund tut nicht selten Wahrheit kund.

Gregor Scharf am 14.08.25, 07:34 Uhr

In Alaska entscheidet man über Europa. Das nächste Treffen findet dann womöglich in Jalta statt.

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