Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Auch in diesem Jahr kamen in Gdingen zahlreiche Personen zusammen, um der Opfer der Flucht über die Ostsee zu gedenken
Anfang 1945, vor nunmehr 80 Jahren, machten sich von Gdingen aus tausende Flüchtlinge aus Pommern und Ostpreußen auf Schiffen über die Ostsee auf den Weg in den Westen. Ihre Hoffnung auf ein Entkommen endete für viele bereits in der Region von Leba, wo die drei Schiffe „Wilhelm Gustloff“, „Steuben“ und „Goya“ torpediert wurden. Der knapp 23.000 Opfer gedenkt seit 1997 der Bund der deutschen Bevölkerung in Gdingen mit seinem Vorsitzenden Benedikt Reschke. Jetzt wurde dieser für das Erinnern vom Marschall der Woiwodschaft Pommern ausgezeichnet.
Eine vielköpfige Schar an Gästen hatte sich in der Kirche der Muttergottes der unaufhörlichen Hilfe und Petrus, des Fischers, in Gdingen eingefunden, um diesen ernsten Tag zu begehen. Der Propst der Kirche, Andrzej Kryger, konnte Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Danzig und des Verbands der deutschen sozialkulturellen Gesellschaften in Polen sowie Mitglieder verschiedener Vereine der deutschen Minderheit in Pommern und Ostpreußen, aber auch den parlamentarischen Staatssekretär für Vorpommern und das östliche Mecklenburg, Heiko Miraß, begrüßen.
Gedenken und das Unvorstellbare
Im Rahmen des ökumenischen Gottesdienstes überwogen die ernsten Töne. Grete Reschke erinnerte in ihrem Gedicht „Gustloff 2025“ an die Toten der versenkten Schiffe, angesichts der neuen Kriege aber auch an deren aktuelle Opfer. Diese Brücke schlugen auch Domherr André Schmeier aus Allenstein und Pastor Sebastian Niedźwiedziński aus Danzig in ihren Ansprachen sowie Pastor Wojciech Fröhlich aus Stolp in seiner Predigt an. „Ich würde mir wünschen, dass wir andere Gründe für Gedenkfeiern hätten. Dass wir solcher Tage gedenken, sollte für uns ein Grund zur Scham sein. Als Christen dürfen wir in ähnlichen Situationen nicht schweigen, sondern müssen unser entschiedenes Nein sagen“, appellierte er an die Anwesenden.
Heiko Miraß konzentrierte sich auf das Wort „unvorstellbar“, mit dem besonders tragische Ereignisse so oft umschrieben werden. Unvorstellbar für die Personen, die nach dem Krieg geboren sind und so etwas nie erleben mussten. „Doch diejenigen, die das Glück hatten, diesem Unvorstellbaren zu entrinnen, mussten es sich ihr Leben lang vorstellen, ob sie wollten oder nicht“, beschrieb er die Lage der Personen mit der „Schuld der Überlebenden“, wie es zuweilen genannt wird. „Auf Rügen kam in der Nacht zum 31. Januar 1945 das Flottentorpedoboot T 36 mit 564 Überlebenden an. Eine Saßnitzer Schülerin berichtete von den Zuständen und ergänzte ,Wir sollten sie anziehen, füttern und die Kabinen säubern; die meisten von uns haben vor Ekel die Flucht ergriffen, geblieben sind nur wenige'.“
Ehrungen durch den Marschall der Woiwodschaft und den Verband
Auch diese Personen gehören mit ihren Erlebnissen im weitesten Sinne zu den Opfern der Ereignisse. Seit der Gründung des Bunds der deutschen Bevölkerung in Gdingen hält Benedikt Reschke die Erinnerung an die größte Schiffskatastrophe der Geschichte wach. In der Kapelle, die Petrus, dem Fischer, gewidmet ist, hängt zwischen den Tafeln für viele andere auf See Gebliebene auch seit Jahren eine, die an die „Gustloff“, die „Steuben“ und die „Goya“ erinnert. Dort wurden im Rahmen eines kurzen Gebets nach dem Gottesdienst Blumen niedergelegt.
Vorher jedoch gab es Rosen für einen Lebenden. Benedikt Reschke wurde für seinen langjährigen Einsatz vom Marschall der Woiwodschaft Pommern, Mieczysław Struk, geehrt. Die Abgeordnete zum Sejmik Beata Koniarska überreichte Reschke in seinem Namen die Verdienstmedaille der Woiwodschaft „de nihilo nihil fit“, was man auf Deutsch etwa mit „von nichts kommt nichts“ übersetzen könnte.
Ohne den Einsatz von Benedikt Reschke, seiner Frau und des Vereins wäre die Torpedierung der Schiffe möglicherweise längst vergessen. Das betonte auch die Präsidentin der Stadt Gdingen Aleksandra Kosiorek bei ihrem Grußwort am Kai im Gdingener Hafen. Seit Langem war ein Vertreter der Stadt bei der Gedenkveranstaltung präsent und erlebte dort persönlich mit, wie die Gäste der Veranstaltungen wie jedes Jahr der Ostsee ihre Kränze übergaben und Grabkerzen für die Opfer entzündeten.
Auf dem Kai sangen die Teilnehmer der Feier selber unter Trompetenbegleitung „Wahre Freundschaft“, den Gottesdienst in der Kirche begleitete hingegen sehr professionell der Chor „Dzwoń Kaszubska“ (Kaschubische Glocke) unter der Leitung von Piotr Klemenski, der die nachdenkliche Stimmung durch seine Lieder wirksam verdeutlichte.
Beratung der Verbandsarbeit
Nach dem bewegenden Werfen der Kränze fanden sich die Gäste zum geselligen Teil des Tages im Restaurant „Windrose“ zusammen und berieten dabei ihre weitere Arbeit zum Erhalt der Erinnerung und zum Einsatz für die deutsche Minderheit in Pommern, Westpreußen und Ostpreußen. Rafał Bartek, der Vorsitzende der deutschen Minderheit in Polen, nutzte die Gelegenheit, um einige ältere Mitglieder mit der Ehrennadel des Verbands der deutschen sozialkulturellen Gesellschaften in Polen auszuzeichnen, die jahrzehntelang aktiv sind und auch mit über neunzig Jahren noch zu den Treffen kommen.
Von solchen Menschen, die sich einsetzen, kann es nie genug geben. Weder bei der deutschen Minderheit, noch dafür, das Unvorstellbare das bleiben zu lassen, was es sein sollte: unmöglich und unvorstellbar.