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Berlin besitzt dank Wilhelm von Bode eine der größten Donatello-Sammlungen – Phänomenale Ausstellung in der Gemäldegalerie
Er sei „fraglos einer der größten Bildhauer der Geschichte“, behauptet werbewirksam der Kunsthistoriker Neville Rowley über den italienischen Renaissancekünstler Donatello. Das darin tatsächlich viel Wahres steckt, sieht man an der Donatello-Ausstellung, die Rowley als Kurator für frühe italienische Kunst in der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin zusammen mit Kollegen in Florenz und London erarbeitet hat.
Die bislang größte aller Retrospektiven zu Ehren des „Donatello“ genannten Donato di Niccolò di Betto Bardi (um 1386–1466) findet mit 90 Exponaten in der Gemäldegalerie des Berliner Kulturforums statt. Die Werke des Florentiner Künstlers treten in Dialog mit Skulpturen, Reliefs und Gemälden italienischer Zeitgenossen.
Dass Berlin neben Florenz und London die bedeutendste Sammlung der Werke Donatellos besitzt, ist dem 1914 geadelten Museumsdirektor Wilhelm von Bode zu verdanken. Auch auf vielen anderen Sammelgebieten verschaffte er den Berliner Museen durch seine von den drei Kaisern und zahlreichen Mäzenen mitfinanzierten Erwerbungen Weltgeltung.
Aber eine besondere Vorliebe hegte der Generaldirektor der Königlich Preußischen Museen für die Kunst und Kultur der italienischen Renaissance, zu deren Wiederentdeckung er wesentlich beitrug. Seit Bodes Wirken ist Donatello als einer der einflussreichsten Künstler der Frührenaissance anerkannt. Zentrale Werke des Bildhauers erwarb er für das 1904 eröffnete Kaiser-Friedrich-Museum, das seit 1956 Bode-Museum heißt.
Sein David aus Florenz
Der Untertitel der Retrospektive erhebt Donatello zum „Erfinder der Renaissance“. Rowleys erklärt dazu: „In Donatellos Werken lassen sich jene zahlreichen Neuerungen entdecken, die die italienische Kunst der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entscheidend geprägt haben.“ Er räumt jedoch ein: „Donatello hat sich offenbar nie richtig an jene Kunstgattung gewagt, die den Individualismus der Renaissance am stärksten prägen sollte: das Porträt.“ Die Gelehrten, Architekten und Künstler der Renaissance orientierten sich an der römischen Antike. Donatello war einer der ersten Bildhauer, die sich von ihr Anregungen holten.
Als Gast aus Florenz steht der alttestamentliche Held „David“ (Marmor, 1408/09) zum Auftakt der an Attraktionen reichen Retrospektive im Rampenlicht. Der Jüngling ist stolz auf sich. Die Linke in die Hüfte gestemmt, deutet er mit Zeige- und Mittelfinger auf sich selbst. Die Finger der Rechten aber weisen zu seinen Füßen, zwischen denen das Haupt des Goliath liegt. Den übermächtigen Gegner hat David mit seiner Steinschleuder niedergestreckt.
Friedfertig, aber ebenso ausdrucksvoll ist Donatellos ebenfalls aus Florenz angereiste Marmorskulptur von Johannes dem Täufer (um 1442), der als jugendlicher Asket mit übergroßem Kopf auf schmalen Schultern dargestellt ist. Eine von Donatellos berühmtesten Skulpturen vervollständigt das Trio aus Florenz: der bronzene „Amor-Attis“ (um 1435–40). Der dickliche Junge tanzt fröhlich. Seine frivole Kleidung entspricht der des phrygischen Gottes Attis, und wie Liebesgott Amor weist er Flügel auf.
Heftige Gefühlsausbrüche
Flügel haben auch die in größerer Zahl ausgestellten „Spiritelli“. Ihr Name bedeutet „kleine Geister“. Die Vorbilder dieser feisten Knaben finden sich auf antiken Sarkophagen. Donatelli war einer der ersten Renaissancekünstler, der sich ihrer annahm. Sein „Spiritello mit Tambourin“ (Bronze, um 1429) ist nach den Worten Rowleys „ein Meisterwerk des instabilen Gleichgewichts“. Bode bezahlte das gute Stück aus eigener Tasche und schenkte es den Berliner Museen. Erst später hat sich für die von Donatelli populär gemachten „Spiritelli“ die Bezeichnung „Putten“ eingebürgert. Die kleinen geflügelten Wesen bevölkern die Werke zahlloser Künstler.
In seiner ganzen Schaffenszeit beschäftigte sich Donatello in immer neuen Varianten mit Reliefs aus Terrakotta und Marmor, die Maria als lebensgroße Halbfigur und den ganzfigurigen Jesusknaben zeigen. Sie lieferten anderen Künstlern Anregungen, wie die Schau etwa am Beispiel Michelozzos zeigt. Sein den Berliner Sammlungen angehörendes Flachrelief der „Orlandini-Madonna“ (Marmor, um 1426) orientiert sich hinsichtlich der im Profil dargestellten Maria an Donatellos „Pazzi-Madonna“ (Marmor, um 1422).
Dieses Meisterwerk erwarb Bode für Berlin. Es zeigt Maria, die in inniger Zuneigung ihre Stirn an die ihres Kindes drückt. Sie befinden sich in einer perspektivisch dargestellten Nische. Rowley bezeichnet die „Pazzi-Madonna“ daher als ein frühes Beispiel dafür, „dass Donatello die von seinem Freund Filippo Brunelleschi entwickelte Zentralperspektive nutzte“. Die sorgte auch in der Malerei für Furore, wie die Schau zum Beispiel mit Fra Angelicos fesselndem Gemälde „Die Erscheinung des heiligen Franziskus“ (Gemäldegalerie Berlin, um 1429) zeigt.
In Donatellos Spätwerk begegnen uns heftige Gefühlsausbrüche, besonders eindrucksvoll im Londoner Bronzerelief der „Beweinung Christi“ (um 1458–60). Die Gestik und Mimik Marias sowie der umstehenden Figuren signalisieren große Verzweiflung, die ihren Widerhall in den kleinteilig aufgewühlten Gewandfalten der Figuren findet. Die Emotionen gipfeln im Ausdruck der hinter dem toten Jesus stehenden Maria Magdalena. Sie fährt sich mit den Händen ins auffliegende Haar, reißt ihren Kopf zur Seite und brüllt Trauer und Schmerz aus sich heraus.
• Bis 8. Januar in der Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz, Berlin, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, Eintritt: 14 Euro
www.smb.museum/donatello