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Denkmalschutz

Bröckelndes Fachwerk-Juwel

Die 600 Jahre alte Dorfkirche von Altwustrow ist ein Schmuckstück in der Region, aber auch ein andauernder Sanierungsfall

Martin Stolzenau
18.02.2022

Kirchen galten über Jahrhunderte in Dörfern und Städten als Mittelpunkte des sozialen Lebens. Sie offenbaren bis heute vielgestaltige architektonische und künstlerische Leistungen. Doch die Instandhaltung wurde vielerorts in den letzten Jahrzehnten arg vernachlässigt.

So sind eine Menge Sakralbauten, die als Kulturdenkmäler von regionaler oder nationaler Bedeutung gelten, inzwischen baulich stark gefährdet. Allein in Berlin und Brandenburg sind 600 von etwas über 2100 Gotteshäusern vom Verfall bedroht. Um etwas dagegenzusetzen, hat die Deutsche Stiftung Denkmalpflege (DSD)bereits 2004 die Aktion „Rettet unsere Kirchen!“ gestartet, die seitdem zu Spenden aufruft und damit die Denkmalpflege deutschlandweit befördert.

Zu den Objekten, die zuletzt davon profitierten, gehört auch die mit einer Fachwerkfassade errichtete Dorfkirche in Altwustrow. Das Dorf liegt auf einem Horst im Oderbruch elf Kilometer östlich von Bad Freienwalde, wurde 1421 erstmals in einer Urkunde schriftlich erwähnt und entwickelte sich über die Jahrhunderte als Platzdorf.

Heute gehört Altwustrow als Ortsteil zu Wustrow, das wiederum ein Teil der neuen amtsangehörigen Gemeinde Oder­aue im Landkreis Märkisch-Oderland ist. Allein die Kirche besitzt im Inneren eine Besonderheit, die ihr die Beachtung der Kunsthistoriker, der DSD und vieler Besucher aus Nah und Fern beschert.

Ein Lehen des Kurfürsten

Altwustrow gehörte wohl zu den Gründungen eines Benedict Boytel, der sein Lehen an Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg kurz vor dessen Tod zurückgab. Danach wechselten über Jahrhunderte die Besitzer mit unterschiedlichen Anteilen des Besitzes. Das reichte von den Brüdern von Krummensee, den Brüdern von Eichendorf und der Adelsfamilie von Barfuß auf Prädikow über David von der Marwitz und seinen Nachfahren bis zu Otto von Schwerin und Paul Anton von Kameke.

Bis 1722 hatte allerdings König Friedrich Wilhelm I. alle Altwustrower Teile zurückerworben. Sie wurden in der Folge vom Amt Alt-Landsberg verwaltet und waren unter Friedrich dem Großen von der Oderregulierung mit der Trockenlegung des Oderbruches betroffen. Danach wohnten hier Fischer und Bauern, ein Schmied und ein Lehnschulze. Dazu gesellten sich einige Bauten wie ein erstes Schulhaus, ein Spritzenhaus und später auch eine Windmühle.

Doch das kleine Schulgebäude bedurfte bald der Erneuerung. Deshalb begann ab 1787 ein zähes Ringen der Dorfbewohner um das neue Schulhaus mit einem Beetsaal. Die Königlich-Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer lehnte die Übernahme der Kosten ab. Doch die Dorfbewohner bauten ohne Genehmigung mit eigenen Mitteln und „zivilem Ungehorsam im Namen des Herrn“ ihr neues Schul- und Gotteshaus. Daraus entwickelte sich ein mehrjähriger Streit zwischen den Amtsstuben und dem Dorf, der 1802 mit einem Kompromiss endete. Der Bau wurde Altwustrow zugestanden mit der Auflage, auch für alle weiteren Kosten aufzukommen.

Mit Zeitungspapier überklebt

Der äußerlich schlichte Fachwerk-Saalbau hatte seinen Schmuck im Inneren und wurde regelmäßig ausgebaut und verschönert. Dafür sparte man im Ort. Der Ausbau umfasste auch einen Kirchturm, der eine Glocke bekam. Zur Ausstattung im Inneren zählten Kanzelaltar, Gestühl, Taufengel und Empore. Dann gefiel den Bewohnern die im „derben Bauernbarock bemalte Decke“ nicht mehr. Sie entschlossen sich für eine weitaus anspruchsvollere Variante, die bis heute Aufsehen erregt. Die Decke erhielt „handgeschöpfte Flachspapierbögen“, die von einem unbekannten Maler mit klassizistischer Malerei bekrönt wurden. Die Gestaltung reichte vom Heiligen Geist mit Strahlenkranz über „Rankenwerk mit Blumengesichtern“ bis zu einer „über dunklen Wolken aufgehenden Sonne“ und vier Adlern, die ihre Schwingen ausbreiten.

Dieses Kunstwerk, das jedem „Herrenhaus zur Ehre gereicht“ hätte, kostete und verblasste über die Jahrzehnte. Irgendwann um 1900 wurde die schadhafte Decke mit Zeitungspapier überklebt. Die Nachfahren waren nicht mehr so spendierfreudig für ihre Kirche.

In der DDR-Zeit hat man die Decke mit billigen Spanplatten verkleidet, die man schlicht weiß angestrichen hat. Dazu gesellten sich Baumängel, die ab 1968 eine gründliche Sanierung notwendig machten, die sich bis 1979 hinzog. Der eigentliche Deckenschatz wurde vergessen und erst nach 1989 bei neuerlichen Deckenarbeiten freigelegt. Die ursprüngliche Malerei wirkte damals ruinös.

Nach der deutschen Vereinigung ergriffen die Bewohner von Altwustrow die Initiative zur Innensanierung. Ein eigens dafür gegründeter Förderverein, die DSD und Zustifter brachten die Sanierung auf den Weg. Das reichte von der Rettung der „Fachwerkkonstruktion mittels hydraulischer Pressen“ bis zur Wiederherstellung der klassizistischen Papierdecke aus früher Zeit, ein „für die gesamte Region einzigartiges Schmuckstück“. Seit vergangenem Jahr erstrahlt der Sakralbau wieder in jungfräulicher Schönheit pünktlich zum 600. Jahrestag der Ersterwähnung von Altwustrow.


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