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Bücher bringen die bunte Welt

Deutschsprachige Literatur seit 30 Jahren: Die Österreich-Bibliothek in Oppeln führt Leser in ihre deutsch-schlesische Traumwelt

Chris W. Wagner
15.04.2023

Die Österreich-Bibliothek in Oppeln feiert 30. Geburtstag. Sie ist eine von sechs Österreich-Bibliotheken in der Republik Polen und gehört zu den aktivsten. Dass es so ist, verdankt sie dem Umstand, dass sie nicht, wie die meisten „an eine Universität, sondern an die Woiwodschaftsbibliothek angeschlossen und somit offen für alle ist“, sagt Leiterin Monika Wójcik-Bednarz. Sie ist stolz, dass im Laufe der Jahre der Bücherbestand stark gewachsen ist und der Leserkreis konstant blieb – „keine Selbstverständlichkeit in digitalen Zeiten“, meint sie.

Deutsche Literatur hatte es bis zur politischen Wende in Oberschlesien besonders schwer, da es dort, laut kommunistischer Propaganda, keine Deutschen mehr gab. Aber auch nach der „Wende“ hatte alles Deutsche im Oppelner Raum einen schweren Stand. Auf dem Land rollten gerade mal zwei Caritas-Bücherbusse, die Städter mussten anfangs in die benachbarten deutschen Freundschaftkreise, also in die Ortsverbände der Deutschen Minderheit, ausweichen. Erst 1993 wurde die Österreichbibliothek und 2000 die Zentrale Caritasbibliothek in Oppeln eingerichtet.

Abseits der Innenstadt, in einem unansehnlichen Bau der 70er Jahre, führt eine lange Außentreppe in die Österreichbibliothek. Doch im Inneren wird man von den Mitarbeiterinnen stets mit einem Lächeln und perfektem Deutsch belohnt. Joanna Waleska arbeitet seit 18 Jahren in der Österreichbibliothek. Sie stammt aus dem drei Kilometer von Oppeln entfernten Winau [Winów]. Zuhause wurde im slawischen oberschlesischen Dialekt gesprochen, nur die Großeltern sprachen Deutsch.

Deutsch lernen mit TV-Werbung

„Nach dem Krieg und dem Sprachverbot wichen meine Großeltern immer mehr in den Dialekt aus und haben mit ihren Kindern nicht mehr deutsch gesprochen“, so Waleska. Sie gehöre der Generation an, die Deutsch durchs Satelliten-Fernsehen gelernt hat, sagt sie: „Die Werbung war so bunt und schön – all das, wo man heute denkt: ‚ist das nervig' – davon war ich fasziniert. Für mich war diese bunte Welt, die schönen Menschen und auch das Angebot für Kinder und Jugendliche anziehend. Ich wollte an dieser Welt teilhaben.“ Auch durch den Kontakt zu Verwandten in der Bundesrepublik haben sie und ihre Geschwister Deutsch gelernt, berichtet sie.

Waleska besuchte das II. Gymnasium in Oppeln, an dem bilingual unterrichtet wurde. Ihre Deutschlehrerin machte mit der Klasse einen Besuch in der Österreichbibliothek. Von da an wurde sie Nutzerin dieser Bücherei. Später hatte ihre Schwester sie auf eine Zeitungsanzeige aufmerksam gemacht, dass in der Österreichbibliothek Personal gesucht werde. „Ich dachte: ‚Ich kenne die Institution, ich gehe hin und bewerbe mich' und so bekam ich den Job.“ Die Winauerin lacht: „Meine Vorgesetzte sagte: ‚Es gibt zwei Typen von Bibliothekaren: die einen kündigen nach zwei Wochen, die anderen bleiben fürs Leben'.“

Auch für die Leiterin Monika Wójcik-Bednarz ist die Österreichbibliothek eine Aufgabe fürs Leben geworden. Sie kam Ende der 90er Jahre aus Rogau [Rogów Opolski] nach Oppeln. In ihrem Heimatort war sie in der Schlossbibliothek beschäftigt. Als sie in die Österreichbibliothek kam, standen nur wenige Bücher in den Regalen. Doch die Nachfrage war groß, und zwar nicht nur von Studenten oder Dozenten. Diese brachten ihre Verwandten oder Nachbarn und später auch ihre Kinder mit. „Hier leben viele Familien, die ihre Kinder zweisprachig erziehen, und das tun sie auch mit Hilfe unserer Bücherbestände“, freut sich Wójcik-Bednarz.

Deutschsprachige Veranstaltungen in der Bibliothek

Sie hat von Beginn an deutschsprachige Veranstaltungen im Hause organisiert. Zuerst mit Hilfe des damaligen Österreichischen Kulturforums in Krakau und bald auch in Zusammenarbeit mit der Organisation der Deutschen Minderheit. Seit 23 Jahren lädt die Österreichbibliothek zum Österreichischen Frühling ein. Von März bis Mai werden Lesungen, Ausstellungen, Filmvorführungen oder Konzerte in deutscher Sprache angeboten. „Es ist bereits eine Marke, die im Jubiläumsjahr mit 30 Veranstaltungen auffährt“, sagt sie. Darauf freut sich auch Waleska, weil dann „die Bude voll ist“, und sie liebt den Kontakt mit den Lesern: „Unsere Leserinnen leihen sich eher Belletristik aus, aber gerne solche, die einen geschichtlichen Hintergrund hat. Die Herren greifen zur Sachliteratur und wählen oft Bücher zu schlesischer Geschichte. Unsere Männer suchen nach Fakten und die Damen möchten eher in eine Traumwelt gleiten.“


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