Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Heimlich, still und leise dringt Peking in die Ritzen des EU-Binnenmarkts ein – Brüssel schaut dabei nur verwundert zu, aber wehrt sich nicht im Geringsten
China ist zu einer wissenschaftlichen Supermacht aufgestiegen.“ Ein Satz aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ – klingt sachlich und ebenso leicht bewundernd. Doch gerade in dieser scheinbaren Harmlosigkeit liegt das Problem: Der Westen beschreibt Chinas Aufstieg zunehmend in Worten, die den eigenen Bedeutungsverlust verschleiern. Was sich als Anerkenntnis der Realität gibt, ist in Wahrheit die Rhetorik einer stillen Anpassung. Früher war der Ton gegenüber Peking moralisch aufgeladen: Menschenrechte, Demokratie. Heute dominieren Begriffe wie „strategische Kooperation“, „wirtschaftliche Vernunft“ und „gegenseitiger Nutzen“.
Diese Verschiebung ist kein Zufall. Sie ist Teil einer Kommunikationsstrategie, die in China seit Jahrzehnten bewusst gepflegt wird – und im Westen auf eine sprachlich entkernte Öffentlichkeit trifft. Chinas Strategie lautet: leise Präsenz, lauter Erfolg.
Die Kommunistische Partei investiert Milliarden in Medien und kulturelle Kooperationen, nicht um Propaganda zu betreiben, sondern um Normalität zu erzeugen. Begriffe wie „Kooperation“ oder „Modernisierung“ werden so lange wiederholt, bis sie als unverdächtig gelten. Diese „lautlose Eroberung“ funktioniert, weil sie auf eine Kultur trifft, die sich an ihrer eigenen Sachlichkeit berauscht. Die Folge: China muss seine wachsende Macht nicht mehr erklären. Der Westen erklärt sie sich wohlwollend selbst.
Drei Hebel als Muster
Nirgends zeigt sich das deutlicher als beispielsweise in Ungarn. Mit dem geplanten Fudan-Campus in Budapest entsteht der erste chinesische Universitätsstandort außerhalb Chinas – finanziert durch Kredite der chinesischen Staatsbank, gebaut von chinesischen Firmen. Offiziell eine Bildungspartnerschaft, tatsächlich ein Instrument der Elitenbindung. Parallel expandiert der Elektromobilitätskonzern BYD mit staatlicher Förderung, und der Bau der Bahnlinie Budapest–Belgrad, zentraler Bestandteil der „Belt and Road“-Initiative, wird zu 85 Prozent über chinesische Kredite finanziert. Drei Hebel – Bildung, Industrie, Infrastruktur – verbunden durch ein gemeinsames Muster: Projekte, die klar geopolitisch gedacht sind, werden in Europa vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet. Kritische Fragen zu Kreditbindung, Technologiezugriff oder politischer Einflussnahme gelten als unpraktisch.
Doch Europa hätte gewarnt sein können. Schon in der Schuldenkrise nutzte China geopolitische Lücken. Als Griechenland 2010 in die Zahlungsunfähigkeit rutschte, übernahm der Staatskonzern COSCO die Mehrheit am Hafen von Piräus – heute ein Knotenpunkt der „Belt and Road“-Initiative. Während die EU Griechenland stabilisierte, sicherte sich Peking lautlos eine der wichtigsten Handelsdrehscheiben Europas. Bemerkenswert ist weniger der Kauf als das, was danach geschah: nichts. Der Hafen verschwand aus den Schlagzeilen. Unsichtbarkeit ist Teil der chinesischen Kommunikationsstrategie – und der Westen spielt mit, indem er schlicht nicht hinsieht.
In Großbritannien ist man zumindest einen Schritt weiter. Nach Jahren enger Kooperation mit chinesischen Staatsunternehmen im Energiesektor zog die Regierung 2022 die Reißleine. Bei Sizewell C kaufte London die chinesischen Anteile zurück, das Nachfolgeprojekt Bradwell B wurde gestoppt. China wurde nicht verurteilt, aber entflochten – eine späte Einsicht: Souveränität ist halt keine Detailfrage, sondern eine Systemfrage.
Win-win als Einbahnstraße
Auch in Serbien und auf dem westlichen Balkan investiert China massiv in Infrastruktur, Rohstoffe und Industrie. Die Projekte – finanziert durch chinesische Kredite, gebaut von chinesischen Firmen – schaffen Bindungen, die sich politisch kaum mehr lösen lassen. Belgrad spricht von „strategischer Partnerschaft einer gemeinsamen Zukunft“, ein Begriff, der klingt wie aus einem Werbeprospekt, aber faktisch Abhängigkeit beschreibt.
Hin und wieder kritisiert die EU leise Chinas Einfluss, trägt dann aber gleich wieder selbst zu ihm bei. Brüssel hält seit Jahren Fördermittel an Ungarn zurück – aus angeblicher Sorge um Rechtsstaatlichkeit. Doch Budapest ersetzt das fehlende Kapital durch chinesische Kredite. So wird China zum Ersatzinvestor. Für Peking ist das eine doppelte Chance: Es erhält faktisch Eintritt in den EU-Binnenmarkt und demonstriert zugleich, dass Europa keinen gemeinsamen Kurs gegenüber China findet. Diese Konstellation ist die eigentliche „Win-Win-Situation“ – allerdings nur für die Volksrepublik.
Sanfte Kapitulation meint keinen offenen Verzicht, sondern eine schrittweise Selbstentmächtigung. Sie beginnt in der Sprache – in der Bereitschaft, Machtfragen in Vernunftbegriffe zu übersetzen und Konflikte als Missverständnisse zu behandeln. Die westliche Öffentlichkeit beschreibt China inzwischen so, wie China gerne beschrieben werden möchte: rational, modern, unvermeidlich. Solange Europa diese Erzählung übernimmt, verliert es nicht nur geopolitische Kontrolle, sondern auch die Fähigkeit zur Selbstprüfung. Es ist nicht Chinas Stärke, die uns gefährdet, sondern unsere Weigerung, die Realität klar auszusprechen.