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Vor 75 Jahren starb der Fotograf Kurt Hielscher. In seinen Bildern hielt er das alte Europa fest, bevor es in der Geschichte verschwand
Es gibt Biographien, bei denen man denkt: „Dieses Leben hätte ich auch gern gehabt. Zumindest in Teilen.“ Ein solches Leben führte der am 7. Januar 1881 im schlesischen Striegau geborene Fotograf Kurt Hielscher.
Geboren als Sohn eines Försters und aufgewachsen in einem Waisenhaus in Bunzlau, wurde er nach dem Studium zunächst Lehrer in Westpreußen. Schon früh packte Hielscher die Leidenschaft für die Fotografie. Als er im Sommer 1914 seine erste größere Auslandsreise nach Spanien unternahm, brach fast zeitgleich der Erste Weltkrieg aus, sodass Hielscher das ferne Land nicht mehr verlassen konnte. Anstatt zu verzagen, erkundete er die Iberische Halbinsel und hielt die Erlebnisse mit seiner Kamera fest. Nach der Rückkehr in die Heimat erschien 1921 eine Auswahl der dabei entstandenen Bilder unter dem Titel „Das unbekannte Spanien“ – und zwar sowohl in Deutschland als auch in Spanien. Dass bereits ein Jahr später französische, italienische und englischsprachige Ausgaben folgten, zeigt, dass Hielschers Fotografien von Beginn an weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus als herausragend wahrgenommen wurden.
Natürlich lag es da nahe, auch ein Buch über die eigene Heimat zu machen. Und so zog Hielscher 1922 und 1923 „vom eisigen Gipfel der Zugspitze“, wie er es im Vorwort seines Deutschland-Bandes schrieb, bis hin zum „fliegenden Sand der Riesendünen der Kurischen Nehrung“. Dass die noch heute bestechenden Aufnahmen auch technisch brillant waren, verdankte der Fotograf den Zeiss-Ikon-Werken und der von ihnen gestellten Kamera, den Zeiss-Werken und den von ihnen gestellten Objektiven, der Firma Agfa, die ihm „das gesamte vorzügliche Plattenmaterial überließ“ (Hielscher) – sowie auch dem Kupfertiefdruckverfahren, in dem die Bücher hergestellt wurden. Vorangestellt waren den einzigartigen Bildern aus dem Deutschland der Zwischenkriegszeit ein Geleitwort von Gerhart Hauptmann und ein Abdruck des letzten handschriftlichen Briefes von Hans Thoma.
Nach seinen ersten beiden Bänden erhielt Hielscher Einladungen in die verschiedensten Länder Europas, um dort ähnliche Dokumentationen von „Baukunst, Landschaft und Volksleben“ zu erstellen. So erschienen in wenigen Jahren Bildbände über Skandinavien, die „ewige Stadt“ Rom und Italien sowie Jugoslawien, Österreich und Rumänien. Das alles wohlgemerkt zu einer Zeit, in der viele seiner Zeitgenossen schon den Ausflug in die Kreisstadt oder gar die Landeshauptstadt als Weltreise empfanden.
Dass die von Hielscher in Bildern eingefangene Welt an der Schwelle zu einer neuen Zeit stand, war ihm durchaus bewusst: „Ich versuche, das Urgesicht eines Landes und seines Volkes in meinen Büchern zu zeigen. Als Zeugen einer versinkenden Welt werden meine Bilder noch sprechen, wenn ich selbst längst verstummt bin.“ Kurz darauf stürzte der Zweite Weltkrieg den von ihm porträtierten Kontinent in den Abgrund. Und was der Krieg übrig ließ, wurde oft durch eine gnadenlose Modernisierung verdrängt.
Kurt Hielscher starb vor 75 Jahren, am 10. Juli 1948, im sächsischen Lichtenstein.
Sonny Burnett am 16.07.23, 10:03 Uhr
Das Berliner Pentant zu Hielscher ist F. Albert Schwartz. Er fotografierte die Hauptstadt, bevor sie durch den Krieg zerstört wurde. Seine Aufnahmen sind spektakulär und verdeutlichen auf schmerzhafte Weise, was Deutschland und Europa durch den Krieg verloren haben.
Chris Benthe am 15.07.23, 05:48 Uhr
Wunderbar. Für solche Beiträge liebe ich die PAZ.