20.11.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Fortgesetzte Ignoranz der Wirklichkeit: Während in den USA der vom Establishment geschmähte Donald Trump einen großen Sieg feiert, darf in Deutschland Robert Habeck ohne kritische Nachfragen weiter seine wirtschaftspolitischen Märchen erzählen
Foto: (Montage) picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Alex Brandon; Quelle: Robert Habeck Video/ScreenshotFortgesetzte Ignoranz der Wirklichkeit: Während in den USA der vom Establishment geschmähte Donald Trump einen großen Sieg feiert, darf in Deutschland Robert Habeck ohne kritische Nachfragen weiter seine wirtschaftspolitischen Märchen erzählen

Dammbruch der Wirklichkeit

Was für eine ereignisreiche Zeit! Während in den USA das linksliberale Establishment eine Niederlage einstecken muss, bricht in Deutschland die Ampelkoalition auseinander. Selbst das Bröckeln der Brandmauer zur AfD scheint plötzlich möglich

Werner J. Patzelt
16.11.2024

Eigentlich könnte jeder wissen, dass sich beim Zusammenprall von Wirklichkeit und Illusion stets die Wirklichkeit durchsetzt. Selbst jahrzehntelanger Kommunismus erschuf nirgendwo einen „neuen Menschen“. Stattdessen erwies sich seine – von manchen gar gut gemeinte – Tyrannei als der alleraufwendigste Umweg vom Kapitalismus zum Kapitalismus. Auch deshalb begeistert die – laut Eigendarstellung – „wissenschaftliche Weltanschauung“ des Kommunismus heute nicht mehr viele. Doch die Grundhaltung des Prinzips „follow the science“ ist geblieben. Nur lehrt „die Wissenschaft“ heute anderes, etwa die unvermeidliche Klimakatastrophe, den unreflektiert-verbrecherischen Charakter von Leuten mit weißer Hautfarbe oder dass es falsch ist, Familien für natürliche Gesellungsformen zu halten.

Der Trump-Schock
Wieder einmal stehen die selbst ernannt Aufgewachten und Erleuchteten den vermeintlich intellektuell Schläfrigen und politisch Blinden gegenüber. Die ersteren erheben sich, wie 2017 von Hillary Clinton in einer Wahlkampfrede formuliert, in ihre lichten Höhen stets dann, wenn die anderen, etwa Donald Trump & Co., in die Sumpfgebiete des Populismus hinabsteigen. Wie schön war da doch die Hoffnung, eine – auch im Vergleich mit den Obamas? – schwarze Präsidentin Harris aus den Reihen anständiger Demokraten würde die von Trump besudelten USA erneut in ethische Gefilde führen, wo sich sogar den Deutschen ihr Anspruch auf moralische Überlegenheit bestreiten ließe.

Doch dann schockierte Trumps höchst solide Wiederwahl. Dabei waren vorab erhebliche Feldvorteile für Harris vorhergesagt worden. Aber in den Weiten des Mittleren Westens und im tiefen Süden der USA war die Wirklichkeit eben anders, als man sie sich an nordamerikanischen Ost- und Westküsten vorstellte. Dort fühlt sich das, was ist, unter einfachen Leuten ziemlich anders an, als die im Kreis von Künstlern oder Intellektuellen beschriebene Wirklichkeit aussieht. Weithin verhält es sich in Europa ähnlich. Doch warum sagt das den amerikanischen und europäischen Prestige-Eliten niemand? Schlimmstenfalls wohl deshalb, weil von denen kein aufstrebender Journalist ausgegrenzt werden möchte. Und gewiss auch deshalb, weil die Lebenslügen von Medienlieblingen nun einmal längere Beine haben als bauernschlaue Lebenslügen von Kreti und Pleti.

Das Ende einer nie gewollten Koalition
Damit wären wir auch schon bei den Stars unserer erlöschenden Bundesampel. Immer noch macht sich keine Edelfeder lustig über einen philosophierenden Vizekanzler, der seit drei Jahren auch als Wirtschaftsminister dilettiert. Und bei einer feministisch-wertegebundenen Außenpolitikerin, die nach ihrer Selbsteinschätzung „vom Völkerrecht kommt“, berauscht grünfreudige Fernseh-talker weiterhin, dass sie – auch gut bezahlten „Visagist*innen“ sei Dank – zweifellos „bella figura“ macht.

Geschwiegen aber wird gut wittgensteinisch von dem, wovon sich eben nicht sprechen lässt, im Fall unserer Regierung nämlich von staatsmännischer, auch staatsfraulicher Kompetenz. Über den mangelnden Lieferservice des einst Führung versprechenden Kanzlers geht man am besten barmherzig hinweg. Immerhin kann unser Olaf – nein, der bekennende Nicht-Comedian! – auch gar nichts dafür, dass ihn ein falscher Lindwurm von der FDP seit Jahren nach Strich und Faden ausbremst. Endlich hat er ihn durchschaut und gefeuert.

Doch womöglich sollte man mit der auf eine Fußgängerampel reduzierten Koalition milder verfahren. Zustande kam sie ja nur, weil nach 16 Merkel-Jahren das Land nach neuen Gesichtern lechzte und die Union inhaltlich ausgelaugt, die allzeit progressive SPD also unverzichtbar war. Außerdem waren die Grünen mit dem Regieren jetzt wieder einmal dran. Die Bundes-Angela hatte dem durch die Vergrünung ihrer eigenen Partei vorgearbeitet, und die Bundes-Annalena war ohnehin bereits als kommende Kanzlerin gehandelt worden – sehr zum Leidwesen ihres baldigen Nachfolgers als grüner Kanzlerkandidat.

Da blieb, diesmal formuliert ohne Ironie, der FDP auch nichts anderes übrig, als lieber schlecht denn gleich gar nicht zu regieren. Ohnehin hätte unter den Umständen des Jahres 2021 weder der Papst den Bannfluch noch der iranische Revolutionsführer jene Fatwa gegen die AfD aufheben können, die schon das bloße Erwägen möglicher Kooperationen mit dieser Partei zum mit Höchststrafe belegten Tabu macht. Und also musste es einfach ampeln. Sich im Wesentlichen auf eine entlang der „reinen Lehre“ verschärfte Fortsetzung des GroKo-Kurses bei der Migrations- und Energiepolitik verständigend, ließ sich die SPD alternativlos auf das Abenteuer ein, mit Grünen und FDP zwei Parteien zusammenzuspannen, die zuvor einander jahrelang wie Hund und Katze traktiert hatten. Was herauskam, hätte Franz Josef Strauß so beschrieben: „Sie zogen aus, um Deutschland zu reformieren, und haben einen Saustall sonders gleichen angerichtet.“

Mehr als das Scheitern einer Regierung
Doch am Scheitern sind derzeit die Politikvisionen einer ganzen Generation. Anscheinend hat diese zu Schulzeiten politische Weltkunde vor allem als ein Quasselfach erlebt. Jetzt stellt sie sich die Wirklichkeit vor wie Plastilin, das nach eigenen Wünschen zu kneten die Aufgabe fortschrittlicher Politik wäre.

Freilich prügelte auf die Ampelkoalitionäre die Wirklichkeit selbst ein. Der russische Angriffskrieg machte aus einst fundamentalpazifistischen Grünen Deutschlands bellizistischste Partei. Die ist zwar nicht kriegslüstern, doch tief erfüllt von traditionellen deutschen Hoffnungen, bei Opferbereitschaft winke zwar vielleicht nicht der Endsieg, doch immerhin ein Siegfrieden.

Leider wurde die Wende hin zu „erneuerbaren Energien“, für die der Sonnen- oder Windgott keine Rechnungen schickt, doch teurer als die einst in Aussicht gestellte Kugel Eis pro Kopf. Wer hätte auch ausrechnen können, in welcher Höhe Investitionskosten für die Infrastruktur anfallen würden, oder gar Importkosten für jene Strommengen, die zur Absicherung der Grundlast in Flauten- und Schlechtwetterzeiten zugekauft werden müssen? Blöd nur, dass Deutschlands Kernkraftwerke angeblich so marode waren, dass sie zur Abwendung einer nuklearen Katastrophe gerade dann abgeschaltet werden mussten, als man uns wider jegliches Erwarten das russische Gas abdrehte. Oder war das die Folge unserer Sanktionspolitik? Woher soll man das denn wissen?

Wo die Ampel geliefert hat
Jedenfalls kann man Grünen und Sozis keineswegs vorwerfen, sie hätten zwei ihrer Politikvisionen nicht verwirklicht. Jahrelang erklärten sie, Energie sei zu billig. Nun hat sie unser Energieminister endlich verteuert. Und seit Langem träumte eine Linke, die sich an den „Grenzen des Wachstums“ so wähnte wie jetzt im Vorfeld einer Klimakatastrophe, vom heilsamen Nullwachstum. Auch das hat Wirtschaftsminister Habeck herbeiregiert.

Da soll noch einer sagen, alle Politiker brächen ihre Versprechen! Wer konnte denn ahnen, dass energieintensive Unternehmen aus schnödem Eigeninteresse ihre Produktion samt Arbeitsplätzen und Steuern ins Ausland verlagern würden? Doch wahrscheinlich können sie, dem Beispiel von manchen grünen Größen folgend, inzwischen auch ihrerseits „mit Deutschland nichts anfangen“. Das ist aber letztlich gar nicht schlecht; „Alles für Deutschland“ ist immerhin ein Faschistensatz, für den man hierzulande von Gerichten verurteilt wird.

Bleibt vom Eindringen der Wirklichkeit in unsere Weltbilder noch jenes Geschenk, „wertvoller als Gold“ nach Ansicht einer grünen Gutmenschin, das uns Merkels freundliches Gesicht bescherte. Tatsächlich gelang der Import einer neuen Dienstleistungsklasse; gut so! Hoffentlich lassen die angekündigten Ingenieure und Ärzte nun auch nicht länger auf sich warten. Und die Einzelfälle von Messerstechereien oder Vergewaltigungen? Lernen wir eben, dass man neuen Mitbürgern nicht mit Provokationen oder weiblichem Verführungsgehabe gegenübertreten soll. Und erziehen wir erst einmal die Dunkeldeutschen, bevor wir Fluchttraumatisierten mit Zumutungen kommen.

Das alles wären „fake news“ und „Hassrede“? Glaubt das nur gerne und behauptet, die Wirklichkeit wäre gerade so, wie Ihr sie hoffnungsfroh seht! Wer will sich schon auch eine gute Story durch allzu viel Recherchieren verderben? Hilflose Eltern sagten früher ihrem Kind, wenn in halbreligiösen Kreisen die befürchtete Frage nach der Existenz Gottes aufkam: „Wenn du nur fest genug an ihn glaubst, dann wird es ihn auch geben!“ Doch allenfalls metaphorisch kann der Glaube Berge versetzen, real sie schaffen aber nie – zumindest nicht durch Menschenhand. Aber auch in Glaubensfragen bricht die Wirklichkeit irgendwann durch. Bei Paul Claudel war es ein überraschendes Rendezvous mit dem Göttlichen zur Weihnachtszeit – und bei der zeitenwendenden Bundesregierung eine höchst reale russische Aggression.

Das Problem der Brandmauern
Und die Brandmauern zur Abwehr der AfD-Gefahr in Hochschulen und Volksvertretungen? Die Union merkt allmählich, dass sie fruchtbares politisches Ackerland für den alleinigen AfD-Gebrauch umfriedet und sich selbst mit einer Mauer der Art umgeben hat, wie sie einst die heile Welt des Realsozialismus gegen kapitalistisch-imperialistische Übergriffe schützte. Wie schön, dass auch die neue Mauer ein „antifaschistischer Schutzwall“ ist! Was mit wohlgeordneten Verhältnissen nach dessen fahrlässigem Bruch geschieht, haben wir nach 1989 ja gesehen. Wehret deshalb den Anfängen, und zwar jetzt! Tatsächlich tut das die Union weiterhin lammfromm und kreuzbrav an der Seite der Maueringenieure zu ihrer Linken.

Ihrerseits merkt die AfD, dass ihr Spitzenwerte an Wahlabenden, die sie mit wählerattraktivstem Verbalradikalismus errungen hat, für das politische Gestalten rein gar nichts nutzen. Alle Wählerpotentialanalysen zeigen nämlich, dass es zu einer absoluten AfD-Mehrheit nirgends reichen wird. Vielleicht wird diese Partei ja eher noch als die Union merken, dass der Weg zu unser Land reparierenden Reformen nicht ohne seriös ausgehandelte Koalitionen zwischen Union und AfD zu begehen sein wird.

Das einzusehen, könnte dann zum Anfang vom Ende jener Lebenslüge werden, die nicht nur der Union und der AfD schadet, sondern noch mehr unserem Land. Es tut seiner repräsentativen Demokratie nämlich gar nicht gut, wenn eine konservativ-rechte Bevölkerungsmehrheit immer wieder Mitte-Links-Regierungen vorgesetzt bekommt.

Prof. Dr. Werner J. Patzelt war von 1991 bis 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden und ist derzeit Forschungs- direktor des Mathias Corvinus Collegiums in Brüssel. Zu seinen Werken gehören „CDU, AfD und noch mehr politische Torheiten. Neue Analysen, Interviews und Kommentare 2019–2024“ (Weltbuch 2024) sowie „Ungarn verstehen“ (Langen Müller 2023). www.wjpatzelt.de


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Kersti Wolnow am 18.11.24, 06:54 Uhr

Herr Patzelt, bringen wir den gegenwärtigen Kulturkampf auf eine Formel: Intelligenz gegen Dummheit.
Was die Intelligenz daran hindert, der Dummheit mit einem lauten und nicht endendem Protestschrei entgegenzutreten, ist mit gutem Benehmen, schlechter bis keiner Organisation und finanzieller Abhängigkeit zu erklären.
Vor allem letzteres ist fatal, was man bei Corona an der Ärzteschaft erkennen konnte. Wer fand den Weg zum Widerstand, eine Handvoll? Der große Rest wurde mit Geld erst zu strafbaren Handlungen verleitet und dann ruhiggestellt. Der Mensch ist käuflich.
Es kann auch hier nur eine Vernunftsrevolution von oben geben. Vielleicht hilft unserem gequälten Volk die Wahl von Trump wie seinerzeit die von Gorbatschow?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es ist seelische Folter, seit 3 Jahrzehnten dem politischen Irrweg zusehen und folgen zu müssen.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS