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Salutschuss zu Ehren des Zaren Peter III. hinter dem Denkmal des russischen Monarchen
Foto: StangeSalutschuss zu Ehren des Zaren Peter III. hinter dem Denkmal des russischen Monarchen

kaiserliche Verbindung

Das „Mirakel von Oranienbaum“

Das erste Denkmal für Zar Peter III. in Russland ist ein Geschenk aus Schleswig-Holstein

Jörg Ulrich Stange
15.10.2024

Genau 262 Jahre nach seinem Sturz und gewaltsamen Tod ist dem 1728 in Kiel als Sohn des Herzogs Carl Friedrich von Holstein-Gottorf geborenen russischen Zaren Peter III. in seiner ehemaligen großfürstlichen Residenz Oranienbaum bei St. Petersburg ein offizielles Denkmal durch den Kieler Zarenverein gestiftet worden. Es handelt sich um eine Variante der Bronzeskulptur des Künstlers Alexander Taratynov, die sich bereits seit dem Jahr 2014 am Kieler Schloss, dem Geburtsort Peters III., befindet.

Zunächst nur ein „temporäres Kunstwerk“
Taratynovs Zarenskulptur war schon im Jahr 2018 als „temporäres Kunstwerk“ im Rahmen einer Sonderausstellung am ehemaligen Palais des Großfürsten Peter Feodorowitsch im Park von Oranienbaum als gemeinsame Schenkung des Kieler Zarenvereins und des Bildhauers platziert worden. Aus konservatorischen Gründen erlaubte die damalige Direktion der Peterhof-Museen jedoch nur einen vorübergehenden Verbleib der zeitgenössischen Skulptur. So wurde Jahr für Jahr der „Duldungsvertrag“ verlängert, bis eine neue Führung nach einem Generationswechsel an der Spitze der Verwaltung der Zarenschlösser im Raum St. Petersburg das Denkmalvorhaben des Kieler Zarenvereins und des Künstlers einer Revision unterzog.

Der neue Generaldirektor, seine Stellvertreterin, die Leiterin des Museums Oranienbaum, Elena Bortnikova, und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter befanden im Rahmen ihrer Forschungen, dass die ehemalige Großfürstenresidenz Oranienbaum ein besonderer Ort sei, der durch die historische Persönlichkeit Peters III. bis heute in unvergleichlicher Weise geprägt worden sei: ein architektonisches Schlösserensemble, das während seiner Zeit von 1742 bis 1762 zu bedeutender kultureller Blüte aufgestiegen sei. Bortnikova begründete nun die Errichtung eines Denkmals für Zar Peter III. mit den Worten: „Wir wollen, dass dieser Ort nicht nur in historischer Hinsicht mit Peter Fjodorowitsch in Verbindung gebracht wird, sondern auch visuell mit einem Denkmal, um diesen schönen Park mit dem Bild von Zar Peter III. zu identifizieren.“

Forschung würdigt zunehmend Peter III.
Der in Kiel als einziger Sohn aus der Ehe zwischen Herzog Carl Friedrich von Holstein-Gottorf und Anna Petrowna, der ältesten Tochter Peters des Großen, geborene und 1762 auf den russischen Thron gelangte Zar Peter III. galt über fast
250 Jahre hinweg als wenig populär in Russland. Seine Gattin, die spätere Katharina die Große, die in ihrem nahezu grenzenlosen Ehrgeiz schon früh Intrigen gegen ihn inszenierte und seinen Sturz nach nur 186 Tagen Regierungszeit herbeiführte, sorgte auch dafür, dass sein Ruf nachhaltig beschädigt wurde.

Historiker begannen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert in ihren Forschungen Peter III. differenzierter und damit objektiver zu beurteilen. Man würdigte nun zunehmend sein Reformwerk, das eine Modernisierung Russlands vorantreiben sollte. Das seit zehn Jahren am Kieler Schloss befindliche Denkmal stellt ihn überdies als Friedensstifter dar, denn durch seinen Waffenstillstand mit Preußen trug Peter III. ganz entscheidend dazu bei, den Siebenjährigen Krieg in Europa zu beenden, der etwa eine Million zivile und militärische Opfer gefordert hatte.Der im Jahr 2008 gegründete Kieler Zarenverein betreibt anhand der vorhandenen Archivalien eigene historische Forschungen zu den ambitionierten politischen Vorhaben des Holsteiners auf dem Zarenthron und lenkt zudem seit 2014 mit dem höchst populären und interaktiven Denkmal für Peter III. den Blick der Bewohner und Touristen der Landeshauptstadt auf diese ungewöhnliche historische Persönlichkeit.

Festakt für das erste Denkmal Peters III. in Russland
Am 8. September reiste eine neunköpfige Delegation des Kieler Zarenvereins über Hamburg, Danzig und Königsberg nach St. Petersburg. „Flugreisen des Vereins in die ehemalige Zarenhauptstadt in früheren Jahren dauerten von Hamburg aus zweieinhalb Stunden. Jetzt benötigen wir aufgrund der EU-Restriktionen zwei Tage“, beklagten Delegationsmitglieder. Dennoch zahlten sich die Strapazen für die Besucher aus. Bei Sonne und Temperaturen über 25 Grad genoss man das umfangreiche Besuchsprogramm.

Die Delegation des Kieler Zarenvereins wurde von der Direktorin der ehemaligen Residenz Peters III. Oranienbaum begrüßt und zunächst durch den Palast und das gerade restaurierte Bilderhaus Peters III. geführt. Anschließend absolvierten der Künstler Alexander Taratynov und ich, der Verfasser dieser Zeilen, in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kieler Zarenvereins, diverse Fernsehinterviews für mehrere russische Sender. Darauf folgte eine eindrucksvolle Zeremonie zur Übergabe des Denkmals vom Kieler Zarenverein an das Peterhof-Museums-Reservat.

Zunächst unterschrieben die Direktorin Bortnikova und ich als Vorsitzender die Schenkungsurkunden in einem eigens dafür errichteten Zeltpavillon in unmittelbarer Nähe des Denkmals. Mittlerweile waren zahlreiche Ehrengäste eingetroffen, die zum Teil aus Moskau und von jenseits des Uralgebirges eigens zur Teilnahme an diesem Festakt angereist waren. Nach Unterzeichnung der Verträge erfolgten kurze Ansprachen der drei Hauptakteure des Festaktes. Anschließend begaben sich Bortnikova und ich zum roten Band, dass unter dem Trommelwirbel von Grenadieren der „Holsteiner Garde“ in historischen Uniformen durchschnitten wurde. Dem Ereignis in würdevoller Angemessenheit entsprechend, reichte eine Mitarbeiterin die vergoldeten Scheren auf einem roten Kissen. Unter lauten Hurra-Rufen und Salutschüssen aus einer Kanone erfolgte auf diese Weise die feierliche Denkmalübergabe.

Doch damit war die feierliche Zeremonie keineswegs beendet. Ein Grenadier-Offizier der „Holsteiner Garde“ trug unter den Klängen „Des Großen Kurfürsten Reitermarsch“ im Paradeschritt einen Kranz mit Schleifen in Blau, Weiß und Rot,
den Farben Schleswig-Holsteins und Russlands, auf Deutsch und Russisch beschriftet, an das Denkmal des in Kiel geborenen Zaren. Nach einem kurzen Totengedenken überraschte die Schlösserverwaltung Peterhof die anwesenden Gäste mit einem spritzigen und eindrucksvollen Feuerwerk.

Das „Mirakel von Oranienbaum“
Ein weiterer Höhepunkt des Festaktes wurde von einem einzigartigen musikalischen Trio präsentiert: Eine erst kürzlich in den Archiven wiederentdeckte Auftragskomposition vom Großfürsten Peter an den Italiener Domenico Dall'Oglio wurde den Gästen von Musikern auf historischen Instrumenten – auf einer Violine, einem Cello und einem Cembalo – dargeboten. Dabei gehörte die besagte Violine zur Sammlung besonderer und außergewöhnlicher Stücke Zar Peters III. und wurde im Jahr 1741 gefertigt.

Anschließend hatte die Direktion von Peterhof die deutschen und russischen Gäste des Festaktes zu einem kulinarisch anspruchsvollen Büfett im Park von Oranienbaum bei milden Temperaturen eines ungewöhnlich schönen Spätsommerabends geladen. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Peterhof Museen brachte dabei das als historisch zu bezeichnende außergewöhnliche deutsch-russische Ereignis auf den Punkt. Sie nannte es das „Mirakel von Oranienbaum“ und spielte damit auf das „Mirakel des Hauses Brandenburg“ an. So bezeichnet man zumeist den plötzlichen Friedensschluss Russlands unter Zar Peter III. mit Brandenburg-Preußen 1762, der Friedrichs Königreich vor dem Untergang rettete.

Totenehrung an den Zarengräbern
Neben der offiziellen Übergabe des Denkmals in Oranienbaum und einer Vereinbarung über gemeinsame wissenschaftliche Projekte war ein weiterer Höhepunkt für die Mitglieder und Freunde des Kieler Zarenvereins die Totenehrung in der Peter-und-Paul-Kathedrale an den Gräbern der Zarenfamilie. Seit seinem ersten Besuch in der zentralen Grablege der Romanow-Holstein-Gottorf-Dynastie im Jahre 2013 gestattet die Direktion des Staatlichen Museums St. Petersburg mit der wissenschaftlichen Leiterin der Kathedrale, Marina Logunova, dem Kieler Zarenverein bei seinen Besuchen exklusiv den direkten Zugang zu den Gräbern der Romanow-Dynastie. Am marmornen Sarkophag des Herzogs und Zaren Peter III. platzierte eine Delegation vor elf Jahren ein Schmuckgefäß mit deutscher und russischer Inschrift, in dem sich Erde aus dem Kieler Schlossgarten befindet. Die Erde und die Kunstblumenbouquets mit Schleifen der jeweiligen Kieler Abordnungen der vergangenen Jahre in beiden Sprachen werden von der Leitung der Kathedrale seither wohl gehütet und befinden sich auch heute noch auf dem Grab des Kaisers. In diesem Jahr legte die Kieler Delegation Blumen nicht nur auf den Sarkophag Peters III., sondern ebenfalls auf die Gräber der unmittelbaren Familienmitglieder: seiner Mutter Anna Petrowna, seines Sohnes, des Kaisers Paul, und seiner Tante, der Zarin Elisabeth.

Konzert und Bilderausstellung im Königsberger Dom
Da die umständliche Reise von Norddeutschland nach St. Petersburg über Danzig und Königsberg führte, durfte sich die Delegation auf ihrem Rückweg an einem Kurzbesuch in der alten Hauptstadt Ostpreußens erfreuen. Auch dort wurde man von russischen Freunden empfangen, die den Besuch eines Orgelkonzerts im Königsberger Dom organisiert hatten, das am 13. September anlässlich des Jahrestages des Wiederaufbaus des Gotteshauses gegeben wurde. Anschließend hatte die Kieler Delegation das große Glück, im Dom eine beeindruckende Ausstellung des Königsberger Künstlers Romanas Borisowas zu besuchen. Die dort ausgestellten Aquarelle des Malers zeigen die Ruine des Königsberger Doms höchst eindrucksvoll aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Dom war bei der Bombardierung Königsbergs vor 80 Jahren im August 1944 von englischen Bombern im Rahmen der planmäßigen Vernichtung deutscher Kulturstätten ohne jegliche militärische Notwendigkeit zerstört worden.

Entscheidender Schritt in eine überfällige Richtung
Als Resümee der feierlichen Übergabe des Denkmals für den in Kiel geborenen russischen Zaren an das Peterhof-Museums-Reservat in Oranienbaum stellen die Mitglieder des Kieler Zarenvereins fest, dass nach nunmehr 262 Jahren der entscheidende symbolische Schritt erfolgt ist, das Urteil über die kulturellen und politischen Leistungen Peters III. künftig nicht nur in der Forschung, sondern ebenfalls in der populären Darstellung nach außen zu revidieren.


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