21.07.2025

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Die an der Pregel gelegene Börse von Königsberg im Jahr 1924 handelte mit über 50 Werten und war eines der finanztechnischen Mittelpunkte der östlichen Handels- und Industriemetropole
Bild: ullstein bild/Haeckel ArchivDie an der Pregel gelegene Börse von Königsberg im Jahr 1924 handelte mit über 50 Werten und war eines der finanztechnischen Mittelpunkte der östlichen Handels- und Industriemetropole

Königsberg

Das östliche Tor zur Welt

Trotz Trennung vom Deutschen Reich behauptete sich das Juwel Ostpreußens als Industrie- und Handelsmetropole – bis heute

Wolfgang Kaufmann
21.07.2025

Mit dem Versailler Diktat wurde Ostpreußen durch die Schaffung des „Polnischen Korridors“ vom übrigen Deutschen Reich rücksichtslos und eiskalt abgetrennt. Das führte aber nicht, wie zuerst befürchtet, zu einem wirtschaftlichen Niedergang. Denn die große Agrarprovinz im Osten stand weiter im regen Austausch mit dem industriellen Westen Deutschlands. Eine Schlüsselrolle nahm dabei Ostpreußens Hauptstadt Königsberg ein. Hier liefen zum einen nahezu sämtliche Fäden der landwirtschaftlichen Provinzialorganisation zusammen, zum anderen diente Königsberg aber auch als östliches Tor zur Welt.

Der neue, zwischen 1920 und 1924 errichtete, Hafen entlang des Pregel-Unterlaufes ermöglichte eine Steigerung des Güterumschlages auf das Zehnfache der Menge von 1900. Gleichzeitig war Königsberg der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt im deutschen Osten. Seine Anlagen wurden nach dem Ersten Weltkrieg systematisch ausgebaut. Im Jahr 1927 erreichte das Frachtaufkommen im nationalen und internationalen Güterverkehr auf der Schiene, der über Königsberg lief, einen Umfang von fast drei Millionen Tonnen. Das resultierte aus den vielfältigen Verbindungen – nicht nur nach Westen durch den Danziger Korridor, sondern auch nach Süden bis hinunter ans Schwarze Meer und nach Osten, wo sich das Riesenreich der Sowjetunion erstreckte. Außerdem bildete der schon 1921 eingeweihte zivile Flughafen Königsberg-Devau eine wichtige Drehscheibe für den Luftverkehr, wobei die Abwicklung der Passagier- und Frachtflüge ab 1922 durch die Deutsch-Russische Luftverkehrs A. G. (Deruluft) erfolgte.

Zum Ende der sogenannten „Goldenen Zwanziger Jahre“ existierten im Industrie- und Handelskammerbezirk Königsberg 1428 Unternehmen, die mit Maschinen, Holz, landwirtschaftlichen Erzeugnissen aller Art, Futter- und Düngemitteln, Brennstoffen, Textilien, Möbeln, Tabak- und Kolonialwaren, Wein, Bier sowie Spirituosen handelten. Dazu kamen 92 Speditionen und acht Reedereien. Letztere wiederum besaßen 16 Seeschiffe, vier Eisbrecher und Schlepper, 67 Binnenschiffe sowie 48 Schuten oder Prähme.

Bedeutsam mit eigener Börse
Zur Finanzierung des Wirtschaftslebens in Ostpreußen stand in Königsberg mehr als ein Dutzend Banken bereit. Dabei handelte es sich vornehmlich um Kreditbanken wie die Ostbank für Handel und Gewerbe, öffentlich-rechtliche Banken wie die Bank der Ostpreußischen Landschaft sowie private und genossenschaftliche Banken wie die örtliche Niederlassung der Raiffeisenbank. Ebenso verfügte Königsberg über eine eigene Börse unter Aufsicht der Industrie- und Handelskammer, an der bis zu 50 Werte gehandelt wurden, die sich vor allem aus der Getreide-, Saatgut- und Futtermittelbranche sowie aus dem Fracht-, Lager- und Versicherungsgeschäft zusammensetzten.

Königsberg war außerdem ein wichtiger Industriestandort. Mit an erster Stelle rangierte hier in den 1920er Jahren die Sägeindustrie. Diese lieferte entsprechend zugeschnittenes Holz für den Hoch- und Tiefbau in ganz Ostpreußen und darüber hinaus ebenso in West- und Mitteldeutschland. Parallel dazu gab es etliche Werke, welche Holz zu Fenstern und Türen verarbeiteten, die sogar aufgrund ihrer bestechenden Qualität bei Material und Verarbeitung in Übersee beachtlichen Absatz fanden. Gleichfalls eine große Rolle spielte die Zellstoffindustrie. Die Koholyt AG betrieb in den 1920er Jahren die weltweit modernste Anlage zur Zellulose-Herstellung.

Zur metallverarbeitenden Industrie zählten die Waggonfabrik L. Steinfurt und der Union-Gießerei. Aus der ersteren kamen vor allem Eisenbahn- und Straßenbahnwagen, während die letztere als Lokomotivfabrik und Schiffswerft fungierte. Dazu existierten jede Menge Mittel- und Kleinbetriebe, die meist Landmaschinen, aber teilweise auch sehr spezielle Produkte wie Geldschränke herstellten.

Aufgrund der vielen Baumaßnahmen in den 1920er Jahren florierten natürlich sämtliche Hoch- und Tiefbau-Unternehmen sowie das Teerwerk Preußen, eine Niederlassung der Vereinigten Dachpappen AG in Berlin.

Die Textilindustrie wiederum war ebenfalls durch so manche Spezialbetriebe vertreten, darunter die Ostpreußische Dampfwollwäscherei AG, die Wolle für die Spinnereien im In- und Ausland aufbereitete. Ähnlich große Bedeutung besaß die chemische Industrie. Dabei dominierten in Königsberg Unternehmen für die Verarbeitung von Ölen und Fetten sowie die Seifenfabrik L. Gamm & Sohn und die Färberei von Caillé & Lebelt.

Und zu guter Letzt prosperierte auch die Nahrungs- und Genussmittel-Branche, unter anderem vertreten durch etliche Brauereien und Likörfabriken, Hersteller von Konfitüren und Fischkonserven sowie die Königsberger Kühlhaus- und Kristall-Eisfabrik A. G. Von enormer Bedeutung waren darüber hinaus die mit finanzieller Unterstützung des Reiches gegründeten Ostpreußischen Fleischwerke. Außerdem gab es zwei Mühlen-Großbetriebe: Die Walzmühle von Gustav Karow sowie die Schälmühle der Königsberger Mühlenwerke A. G., die Erbsen-, Hafer- und Gerstenprodukte lieferte.

Selbst heute, wo Königsberg als russische Exklave von Deutschland abgetrennt ist, steht Ostpreußens Hauptstadt immer noch wirtschaftlich besser da, als es anhand der isolierten Lage zu vermuten wäre. Das resultiert primär aus der vor einem Jahrhundert vom deutschen Steuerzahler und deutschen Unternehmern finanzierten kommunalen und sonstigen Infrastruktur, von der Königsberg bis heute noch zehrt.


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