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Gefoltert, gequält, misshandelt – Wegen angeblichen Staatsverrats zu Koloniehaft verurteilt – In einem Käfig ohne Essen und Licht vegetiert
Unter den aus Russland und Weißrussland freigelassenen westlichen Geiseln befanden sich auch fünf Deutsche – einer davon ist der 19-jährige Russlanddeutsche Kevin Lick, der als Teenager vor rund zweieinhalb Jahren als jüngste westliche Geisel wegen angeblicher Spionage für westliche Geheimdienste in Russland verhaftet worden war.
Der in Montabaur geborene Staatsbürger Deutschlands und Russlands war mit seiner russlanddeutschen Mutter Victoria 2017 nach Russland zurückgekehrt. Sie gehörten zu der überschaubaren Gruppe von russlanddeutschen Aussiedlern, die sich seit 2010 durch vollmundige Versprechungen seitens der Kremlführung animiert fühlten, nach Russland zurückzukehren, da ihnen dort ein besseres Leben versprochen wurde. Als die alleinerziehende Mutter 2017 schließlich nach Maikop im nördlichen Kaukasus zog, war Kevin zwölf Jahre alt.
Im Jahr 2022, nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, beschlossen sie, erneut nach Deutschland zurückzukehren. Doch am Tag der Abreise wurde der damals 16-jährige Doppelstaatler vom russischen Geheimdienst FSB am Flughafen verhaftet. Am 28. Dezember 2023 verurteilte ihn das Oberste Gericht von Maikop in der Teilrepublik Adygea wegen „Staatsverrats“ zu fünf Jahren Koloniehaft.
Zum Geburtstag ins Lager
Er war damit der jüngste russische Staatsbürger, der in einem Fall von Staatsverrat verurteilt wurde. Am 3. April 2024 änderte die Berufungsinstanz das Urteil, beließ es aber bei vier Jahren Haft. Die Ermittlungen ergaben, dass der Jugendliche angeblich „visuelle Überwachung“ betrieben sowie „Aufmarschorte“ russischer Truppen in Maikop fotografiert und die Fotos an „Vertreter eines ausländischen Staates“ geschickt haben soll. Lick war zunächst in einer Jugendstrafkolonie in Maikop inhaftiert, wurde aber mit dem 18. Geburtstag in ein reguläres Untersuchungsgefängnis, einige Autostunden von Maikop entfernt, verlegt. Die Einzelheiten von Kevins Fall sind nicht bekannt, und die Sitzungen des Gerichts waren für Botschafts- und Medienvertreter gesperrt. „Bereg“ (Brücke), eine Vereinigung unabhängiger Journalisten, sprach mit Licks Mutter Victoria darüber, wie ihr Sohn in einem Untersuchungsgefängnis wegen „Hochverrats“ landete.
Da es sich um einen Minderjährigen handelte, musste die Mutter im Februar 2023 bei der Einweisung ins Gefängnis anwesend sein. Dort konnten sie und ihr Sohn ein paar Worte wechseln. Zweimal im Monat hatte sie fortan die Gelegenheit, ihren Sohn im Untersuchungsgefängnis zu besuchen. Ein Mobiltelefon besaß er nicht. Manchmal begleitete sie auch ihr Anwalt.
Lieber Bücher als Nahrung
Nach dem Zustand ihres Sohnes befragt, sagte sie einem Vertreter von „Bereg“: „Wie kann sich ein Kind fühlen, das seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt? Er ist ein Kind, ein Zehntklässler, der die Schule nicht abgeschlossen hat. Er will wirklich lernen, er liebt es zu lernen. Letztes Mal habe ich ihm Lehrbücher und drei Tüten mit Lebensmitteln gebracht. Ich kann maximal 30 Kilo pro Monat mitnehmen: Lebensmittel, Reinigungsmittel und Lehrbücher. Natürlich versuche ich als Mutter, mehr Lebensmittel zu geben, aber er verlangt nach Büchern, er kann nicht ohne sie auskommen.“
Die Mutter machte sich über die Ernährung von Kevin Sorgen. Er wog damals nur 65 Kilo, bei einer Größe von 1,92 Metern. Im Gefangenenlager lebte er wie in einem Käfig. Dort gab es keine Mahlzeiten und nicht jeden Tag frische Luft. Er wurde in diesem Lager sogar bemitleidet, Vollzugsbeamte brachten ihm außerdienstlich hin und wieder Obst.
Mit Erreichen der Volljährigkeit wurde er in eine Untersuchungshaftanstalt für Erwachsene bei Krasnodar verlegt. Dort war er mit anderen Strafgefangenen zusammen, als der enorme Druck auf ihn begann. Er wurde von seinen Zellennachbarn verprügelt. Zwei Tage lang fesselten sie seine Hände, würgten ihn, schlugen ihm auf den Kopf, auf die Brust und misshandelten ihn. Er hatte ein blaues Auge. Als sein Anwalt und die Mutter kamen und seinen Zustand sahen, waren sie schockiert. Zellengenossen hatten sogar Zigarettenstummel auf seinem Arm ausgedrückt.
Die Mutter von Kevin, die ihn allein großgezogen hat, lebte bis zum Schluss wie unter Schock. Anfang Juni war Kevin aus Krasnodar in die Region Archangelsk im Norden Russlands verlegt worden, aber seit ein paar Tagen sei sein Aufenthaltsort unbekannt gewesen, berichtete die Mutter. Am 1. August gehörte Lick zu den fünf Deutschen, die aus Russlands Kerkern gegen Schwerverbrecher wie den Berliner Tiergartenmörder in westlichen Gefängnissen ausgetauscht wurden. Er wog bei seiner Ankunft in Deutschland keine 50 Kilogramm mehr und sah trotz seines jungen Alters aus wie der Tod auf zwei Beinen.