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Heimarbeit

Das süße Leben der digitalen Nomaden

Heimarbeit nur von zu Hause aus? Wer es sich erlauben kann, zieht mit seiner Arbeit ins Hotel oder auf ein Inselparadies

Dagmar Jestrzemski
08.05.2021

Schon vor der Corona-Pandemie war Homeoffice am Computer von zu Hause, nicht selten auch vom Hotelzimmer aus, ein Bestandteil der Arbeitswelt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis dieses Arbeitsmodell, wo es möglich ist, zur Normalität wird. 2019 arbeiteten etwa fünf Prozent aller Beschäftigten mehr oder weniger regelmäßig im Homeoffice. Von den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst waren es zwölf bis 17 Prozent. Seit dem ersten Lockdown ist Homeoffice ein wichtiges Instrument zur Eindämmung der fortschreitenden Verbreitung des Coronavirus.

Nach wie vor ist Homeoffice im öffentlichen Dienst mit 22 Prozent stärker verbreitet als in der Privatwirtschaft mit 17 Prozent. Zuletzt zeigten die Umfragen eine leicht abnehmende Tendenz. Grundsätzlich eignen sich Dienstleistungsberufe in vielen Branchen für dieses Arbeitsmodell. Bei Weitem am offensten für diese Form des Arbeitens ist die Informations- und Kommunikationsbranche. Allerdings ist die Frage des Umgangs mit personenbezogenen Daten und Firmendaten auf den Rechnern der im eigenen Heim Tätigen durchaus heikel, auch wenn die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOM) getroffen worden sind, um das gesetzliche Schutzniveau einzuhalten.

Millionen von digitalen Nomaden

Hingegen gibt es keine gesetzlichen Vorschriften für das sogenannte Mobile Office oder Remote Office, die Telearbeit an frei gewählten Orten und Lokalitäten. Diese ist gesetzlich nicht definiert. Laut dem Portal „Haufe Arbeitsschutz Office“ liegt keine Arbeitnehmerstellung vor, wenn ein Mitarbeiter seine Tätigkeit nicht „weisungsgebunden in persönlicher Abhängigkeit erbringt“.

Mobil Arbeitende definieren sich mehrheitlich als selbstständige Kleinunternehmer, die für einen oder mehrere Unternehmen Aufträge übernehmen. Die Ausführung kann in jedem beliebigen Land oder Kontinent stattfinden. Eine Reihe von digitalen Innovationen ermöglicht diesen Lebensstil. Die einzigen Voraussetzungen sind neben Laptop und W-Lan die Erreichbarkeit innerhalb eines bestimmten Zeitfensters und eine zuverlässige Internetverbindung.

Einige mediale Aufmerksamkeit zieht die frei gewählte, extrem ungebundene Lebensweise der sogenannten digitalen Nomaden auf sich. Dafür entscheiden sich überwiegend Singles im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Ihren Traum von einer Berufstätigkeit mit maximaler Flexibilität verwirklichen sie dort, wo Normalbürger vor Corona-Zeiten am liebsten ihren Urlaub verbrachten und möglichst bald wieder verbringen möchten: auf Kreuzfahrtschiffen, in thailändischen Strandhütten, auf Ibiza oder in den hippen europäischen Metropolen Paris, Berlin und Prag. Die Zahl der digitalen Nomaden wurde zuletzt auf mehrere Millionen weltweit geschätzt.

Nach Ausbruch der Corona-Epidemie kehrten die meisten mobilen Tele-Arbeiter notgedrungen zurück ins eigene Heim. Nun wird diese Klientel in den Hotels der sonnenverwöhnten Urlaubsorte schmerzlich vermisst. Wie CNN und CNBC berichteten, boten die karibischen Inseln Barbados, Anguilla und Aruba bereits im August 2020 Erwerbstätigen mit einem mobilen Büro Arbeitsvisa für die Dauer bis zu einem Jahr an, wenn diese sich in einem der Hotels auf den Inseln einmieten. Vorrangig sollten Bewerber aus Covid-19-Niedrigrisikoländern berücksichtigt werden.

Bürokabine im Einkaufszentrum

Im südostasiatischen Singapur haben sich zahlreiche Start-ups des Bereichs Forschung und Entwicklung niedergelassen, um die rasch wachsenden Märkte der Region Asien-Pazifik mit IT-Lösungen zu bedienen. Büroräume sind in dem Stadtstaat jedoch rar und teuer. Für die zahlreichen digitalen Nomaden im Dienst der Start-ups hat der Tech-Dienstleister Global Switch 3500 mietbare Arbeitsplätze in Gemeinschaftsbüros geschaffen. Laut BBC News, Singapur, hat Global Switch neuerdings auch 60 freistehende Kabinen in den Einkaufszentren aufgestellt, die man für die Laptop-Arbeit stundenweise mieten kann. Beispielsweise um der Geräuschkulisse der Stadt zu entkommen, die in das eigene Zimmer dringt. Dieses Angebot möchte das Unternehmen stark erweitern und damit in andere Länder expandieren.

Auch den sogenannten Influencern, die sich als Social-Media-Persönlichkeiten mit Bildern aus ihrem Alltag oder etwa mit Sport etabliert haben, gefällt es nicht, während des Lockdown in Heimarbeit zu versauern. Immer mehr versuchen ihr Glück im Steuerparadies Dubai, der Hauptstadt des gleichnamigen Emirats, wo die Erfolgreichsten dieser jungen Glücksritter einem Luxusleben frönen, an dem sie ihre Follower-Gemeinde mit regelmäßig veröffentlichten Videos teilhaben lassen. Im weiteren Sinn zählen auch diese Influencer zu den digitalen Nomaden. Mit konstruierten Homestorys und Selfies vor der Strandkulisse halten sie ihre Anhängerschaft bei der Stange und sind bestrebt, neue hinzuzugewinnen.

Das Geschäftsmodell beruht auf Produktwerbung. Gern gesehen ist auch Werbung für Dubai als angeblich weltoffene Golfmetropole. Offiziell ist die vom Herrscher des Emirats Muhammad bin Raschid Al Maktum ausgestellte staatliche Influencer-Lizenz nur mit der Auflage verbunden, nicht negativ über Dubai und seinen Herrscher zu berichten sowie sich in der Öffentlichkeit gesittet zu benehmen. Zuletzt mokierte sich der Satiriker Jan Böhmermann im ZDF über einige der knapp bekleideten Influencerinnen. Diese würden schamlos das eigene Wohlergehen zur Schau stellen, während jenseits des Glamour-Viertels von Dubai asiatische Arbeitsmigranten wie Sklaven gehalten und ausgebeutet werden. Daraufhin wurden die betreffenden Damen mit heftiger Kritik sogar aus den Reihen ihrer Follower überschüttet.


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