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Wie der Glockenturm der evanglisch-lutherischen Kirche in Hamburg-Barmbek nach Kinten am Kurischen Haff kam
Kinten [Kintai] ist ein kleines Dorf am Kurischen Haff, nicht weit von Heydekrug gelegen. Es scheint hier gemächlich zuzugehen, doch die Ruhe trügt – in der Sommerszeit finden in der Region viele kulturelle Veranstaltungen und Konzerte statt, Touristen aus Memel [Klaipeda] besuchen am Wochenende den Ort und am Hafen von Kinten triff man zahlreiche Kite-Surfer, die mit ihren Surfbrettern über das Haff gleiten. Im Ort gibt es eine deutsche Bäckerei, auch die kleine evangelsich-lutherische Kirchengemeinde ist aktiv, mit Gottesdiensten, Kinderfreizeiten und Konzerten.
Durch meine Arbeiten als Orgelbauer in Litauen wusste ich, dass der Pfarrer der Kirchengemeinde, Mindaugas Zilinskis, Glocken oder ein Läutewerk für seine Gemeinde sucht. In Hamburg wurde ich letztes Jahr fündig. Das Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Hamburg-Barmbek sollte abgerissen werden, da es dort zu wenig Gemeindemitglieder gibt. Drei Bronzeglocken mit Läutwerk sollten verkauft werden. Als ich mir die Glocken angesehen hatte, fragte ich die Pfarrerin, was mit dem Turm geschieht. „Den können Sie auch haben“, sagte sie. Eine Woche später schrieb sie, wenn wir alles nähmen, bekämen wir den Turm und die Glocken geschenkt. Schnell informierte ich Pfarrer Zilinskis, der gleich begeistert war.
Fast ein Jahr später, Mitte Juni 2021, begannen die Vorbereitungen für den Abtransport des Turmes, die mehrere Tage dauerten. Er war vor zirka 15 Jahren in Hamburg mit einem Kran und Tieflader versetzt worden, auch diesmal sollte ein Lkw-Kran den Turm wegheben.
Am 19. Juni fand bei bestem Sommerwetter am Gemeindehaus ein Abschiedsgottesdienst statt, bei dem die Glocken dort ein letztes Mal läuten durften. Als ich am Turm arbeitete, sprach mich Elfriede Andrä an, geborene Lilischkies, deren Geburtshaus in Ruß am Atmath-Fluss nahe der Petersbrücke stand. Sie freute sich sehr, dass der Turm ihrer Gemeinde nach Kinten, in ihre Heimat, kommen sollte.
Ende Juni kam morgens pünktlich die Kranfirma, und der Turm konnte mit etwas Mühe niedergelegt und auf einen Tieflader gehoben werden. Er wurde in Elmshorn zwischengelagert und kurze Zeit später zur Fähre nach Kiel transportiert. Am 20. Juli kam der Turm in Kinten an. Nachdem das Fundament fertiggestellt und der Stromanschluss gelegt waren, wurde das 9,2 Meter hohe und 2,4 Tonnen schwere Geschenk auf das Fundament gestellt. Auch der Bürgermeister von Kinten war dabei und half tatkräftig mit. Die Läutetechnik hatte nicht gelitten, alles funktionierte fast auf Anhieb, als ich sie ausprobierte, und nach kurzer Zeit läuteten die drei Bronzeglocken zum ersten Mal in Kinten vor dem Gemeindehaus.
Am 15. August fand der Einweihungsgottesdienst im Gemeindehaus statt, neben Pfarrer Liudvikas Fetingis aus Plicken war auch Bischof Mindaugas Sabutis angereist, um den Turm zu segnen. Bürger aus dem Ort, Gemeindemitglieder hatten sich eingefunden, auch Gäste aus Memel und der Bundesrepublik, die in Heydekrug bei einer Jubiläumsfeier des Heide-Hauses zu Gast waren, nahmen teil.
Einweihung mit Gedenkgottesdienst
Nach dem Gottesdienst mit Abendmahl im Gemeindehaus wurde draußen die Feier fortgesetzt. Nach der Ansprache von Pfarrer Zilinskis und des Bürgermeisters überreichte ich die Fernbedienung und die Schlüssel für den Turm an Laima Mačėnienė, die Vorsitzende der Kirchengemeinde. Bischof Sabutis segnete den Turm und ließ die Glocken läuten. Später fand bei Windenburg noch ein Gedenkgottesdienst für die im Haff umgekommenen Fischer statt, an dem auch Pfarrer Remigijus Šemeklis aus Heydekrug teilnahm. Zurück im Stall neben dem Gemeindehaus gab es dann bei angeregten Gesprächen Schnittchen, Kaffee und Kuchen, bevor die Feier langsam ausklang.
Berlin 59 am 17.10.21, 20:12 Uhr
Schön, wieder ein Stück Abendländische Kultur vor dem einschmelzen bewahrt.