Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Berthold Kliewer hat die mitreißende Lebensgeschichte seines in der Ukraine geborenen Onkels wiederentdeckt und neu herausgegeben
Jakob Martens wurde 1897 in Petrowo/Ukraine geboren. Er wuchs im Dorf Grünfeld auf, das zur Kolonie Baratow Schlachtin im Dnjepropetrowsker Gebiet gehörte. Als Sohn eines Großbauern war er es gewohnt, von früh auf bei der Feldarbeit zu helfen. Die Familie führte ein relativ sorgloses Leben, bis wechselnde marodierende Banden die Siedlungen der Mennoniten heimsuchten. Zwischen 1715 und 1815 waren die Anhänger der evangelischen Freikirche nach Verfolgungen in Richtung Osteuropa und Nordamerika ausgewandert.
Wie seine Geschwister, erhielt Jakob Martens eine gute Schulausbildung. Bis zur 10. Klasse konnte er eine weiterführende Schule besuchen. Die politischen Verhältnisse sorgten jedoch für eine Unterbrechung des Schulbesuchs. Im Ersten Weltkrieg meldete er sich als freiwilliger Sanitäter und zog nach Moskau. Seinen regulären Militärdienst leistete er in den russischen Forstanlagen ab. Die dabei erworbenen Kenntnisse kamen ihm während seiner Gefangenschaft zugute.
Martens schildert die wechselvolle Geschichte des Landstrichs, in dem er zu Hause war, mit den schicksalhaften historischen Verflechtungen – deutsche Besetzung, Bandenterror, Revolution – bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1932. Anstatt nach Deutschland ausreisen zu können, wird er in Leningrad verhaftet und als Kulak in verschiedene Lager im Norden Russlands verfrachtet.
Es beginnt eine fünfjährige Odyssee durch die Weiten Russlands. Unter unmenschlichen Bedingungen wird er bei eisigen Temperaturen auf einem offenen Schiff transportiert, oder er und seine Mitgefangenen schlafen unter freiem Himmel, weil sie ihre Behausungen erst noch selbst bauen müssen. In dieser Zeit erlebt Martens sowohl unbeschreibliche Grausamkeit als auch Zusammenhalt und Freundschaft. Nur selten erfährt er etwas von zu Hause. Als Holzfäller und später als Arztgehilfe versucht er, das Beste aus seiner Situation zu machen. Erst 1945 gelingt es ihm, in den Westen zu fliehen. Von Nordrhein-Westfalen aus kann er seiner bereits in den 30er Jahren ausgewanderten Familie nach Südamerika folgen.
Sein sachlich geschriebener und detaillierter Lebensbericht ist ein wichtiges Dokument der erlittenen Qualen vieler Deutscher in der Sowjetunion. Unzählige Vertriebene mussten ähnliche Erfahrungen machen. Zur Veranschaulichung von Verbreitung und Wanderungsbewegungen der Deutschen in Russland sind erläuternde Karten beigefügt.
Jakob Martens: „Am Ende die Freiheit. Durch Zarenreich und Sowjetunion nach Südamerika“, neu herausgegeben von Berthold Kliewer, Kliewer Verlag, Kaiserslautern 2022, gebunden, 506 Seiten, 24,80 Euro