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Brennt für grünen Stahl, auch wenn dieser nicht markttauglich sein wird: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
Foto: pa/Dominik Butzmann/photothek.de/Dominik ButzmannBrennt für grünen Stahl, auch wenn dieser nicht markttauglich sein wird: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

Klimaneutralität

Der grünen Transformation droht der Herzinfarkt

Insbesondere beim „grünen Stahl“ sind günstiger Industriestrom sowie ausreichend nutzbarer grüner Wasserstoff die Knackpunkte

Hermann Müller
21.10.2024

Wirtschaftsminister Robert Habeck droht bei einem wichtigen Projekt der Wirtschaftstransformation ein herber Rückschlag. Der Stahlkonzern Thyssenkrupp hat eine „ergebnisoffene“ Prüfung seines Milliardenprojekts zur Herstellung von sogenanntem grünem Stahl angekündigt. Trotz üppiger Staatshilfen steht das Projekt, das die bisher genutzten Hochöfen des Konzerns ersetzen soll, auf der Kippe.

Inzwischen meldet der Konzern nämlich Zweifel, ob das einkalkulierte Geld für den Bau der Anlage in Duisburg ausreichen wird. Es gebe „bereits nach kurzer Zeit ungeplante Mehrkosten“, die aktuell bewertet würden, so BDI-Chef Siegfried Russwurm in seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp AG. Gutachten, die der Konzern in Auftrag gegeben hat, sollen bis zum Jahresende Antworten liefern.

Erst im Sommer 2023 hatte Habeck an Thyssenkrupp einen Förderbescheid für den Bau einer Direktreduktionsanlage in Duisburg überreicht. Statt Kokskohle soll in der Anlage als Energieträger Wasserstoff zur Produktion von Eisenpellets genutzt werden. Daraus soll dann in Elek-trolichtbogenöfen Kohlenstoffdioxid-reduzierter „grüner“ Stahl entstehen. Diese Form von „klimaneutraler“ Stahlproduktion gilt als Kernstück der grünen Wirtschaftstransformation.

Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen haben insgesamt zwei Milliarden Euro für das Projekt zugesagt. Davon sind bereits etwa 500 Millionen Euro an Fördergeld geflossen. Thyssenkrupp hatte angekündigt, knapp eine Milliarde Euro eigener Mittel für das Projekt zu investieren. Gutachten, die der Konzern in Auftrag gegeben hat, sollen bis zum Jahresende Antworten liefern, ob das Projekt zu den kalkulierten Kosten realisierbar ist.

Keine Markttauglichkeit
ArcelorMittal, Europas größter Stahlhersteller, hatte bereits im Frühjahr Zweifel vorgebracht, ob sich in Europa die Produktion von grünem Stahl rechne und ob dieser auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sei. Für die Produktion werden beträchtliche Mengen an klimaneutral erzeugtem Wasserstoff benötigt, die aktuell in Deutschland und Europa gar nicht verfügbar sind. Daher wachsen die Zweifel, ob sich dies in den nächsten 15 Jahre ändern wird. Geert van Poelvoorde, Europa-Chef von ArcelorMittal, warnte bereits: „Wasserstoff in Europa wird teuer sein.“ Verbunden war dies mit der Warnung des Managers: „Wir würden uns aus dem Markt katapultieren.“

ArcelorMittal plant deshalb, in einer Übergangsphase Erdgas zu verwenden und grünen Wasserstoff aus dem Ausland zu importieren. Deutlich machte das Management inzwischen auch, wie wichtig für die Stahlproduktion ein kostengünstiger Industriestrompreis ist, bis genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht.

Auch in der saarländischen Stahlindustrie gibt es diese Erwartung an die Politik. Ganz im Sinne der von der Ampel-Regierung propagierten Wirtschafts- und Klimapolitik planen die Dillinger Hüttenwerke und die Saarstahl AG ihre Produktionsstätten in Dillingen und Völklingen auf Klimaneutralität umzustellen. Im Saarland überbrachte Robert Habeck im Januar eine Förderzusage des Staates. Der Bund und das Saarland lassen sich die Umstellung 2,6 Milliarden Euro kosten, die restlichen zwei Milliarden stemmt der Stahlhersteller selbst. Gebaut wird mit den 4,6 Milliarden eine Direktreduktionsanlage und zwei Elektrolichtbogenöfen.

Utopie grüner Grundprodukte
Trotz der Milliardenförderung machte Stefan Rauber, Vorstandsvorsitzender der Dillinger Hüttenwerke und der Saarstahl AG, deutlich, dass für eine erfolgreiche Umstellung der Stahlproduktion noch weitere Hilfe der Politik nötig ist. Er erwartet einen Schutz vor subventionierten Billigimporten und einen Industriestrompreis, der deutlich niedriger liegt als die mehr als 16 Cent je Kilowattstunde. Nach Angaben eines Unternehmenssprechers der Dillinger Hüttenwerke und der Saarstahl AG ist ein Industriestrompreis von weniger als vier Cent erforderlich.

Forderungen aus der Stahlbranche nach Senkung des Industriestrompreises deuten an, dass es mit der Anschubförderung zum Bau der Direktreduktionsanlagen und Elektrolichtbogenöfen nicht getan sein wird. Der Steuerzahler ist künftig auch bei der laufenden Subventionierung für einen niedrigen Industriestrompreis für grünen Stahl gefragt. Habeck will klimafreundlich hergestellte Grundprodukte wie Stahl oder Zement über die öffentliche Beschaffung oder über Quotenregelungen zum neuen Standard werden lassen. Im Fall des wirtschaftlich schwer angeschlagenen Konzerns ThyssenKrupp wird seit einigen Wochen über einen Einstieg des Staates diskutiert. Als Alternative gilt eine Verschmelzung des Konzerns mit der niedersächsischen Salzgitter AG zu einer Deutschen Stahl AG.


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Kommentare

Werner J.F. Müller am 30.10.24, 10:26 Uhr

Wichtig ist doch nur, dass für diese kindischen Träumereien Subventionen (Fördergelder) aus Schulden kreiert werden. Nach uns die Sintflut ist Staatsraison geworden.

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