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Musikgeschichte

Der Heilige von der Moldau

Der Begründer der tschechischen Nationalmusik – Vor 200 Jahren wurde Friedrich Smetana geboren

Harald Tews
01.03.2024

In Böhmen geschah Mitte des 19. Jahrhunderts etwas, das sich aktuell in der Ukraine wiederholt: die Entwicklung einer nationalen Identität mit einer eigenen Sprache. So wie sich die Ukrainer von allem Russischen abgrenzen wollen, so löste sich der vor 200 Jahren im ostböhmischen Leitomischl geborene Komponist Smetana von allen Einflüssen der Böhmen regierenden Habsburgermonarchie.

Noch unter dem Namen Friedrich Smetana am 2. März 1824 geboren und getauft, tschechisierte er seinen Vornamen später in Bedřich, erlernte die tschechische Sprache und gab nach und nach seine deutsche Muttersprache auf. Im Zuge seiner Teilnahme an den Revolutionen von 1848/49 engagierte er sich in der tschechischen Nationalbewegung, was sich auch in seiner Musik ausdrückte. Programmatisch dafür steht sein bekanntestes Werk, die sinfonische Dichtung „Mein Vaterland“, die ihm neben Kompositionen wie seiner viel gespielten Oper „Die verkaufte Braut“ den Ruf als Begründer der tschechischen Nationalmusik einbrachte.

In seinen Opern wird konsequent tschechisch gesungen. So auch in seinem ersten Singstück „Die Brandenburger in Böhmen“ von 1866 über die Eroberung Böhmens durch Markgraf Otto IV. von Brandenburg im 13. Jahrhundert. Seine Tonsprache selbst aber war trotz gelegentlich verwendeter folkloristischer Elemente romantisch, und zwar deutsch-romantisch geprägt von seinen Vorbildern Franz Liszt und Richard Wagner.

Als Smetana 1848 in Prag eine Musikschule eröffnen wollte, ihm aber für den Ankauf von Klavieren das nötige Geld fehlte, schrieb er an den ihm völlig fremden Liszt einen Bettelbrief: „Euer Wohlgeboren! Meine jetzige Lage ist schrecklich, Gott möge jeden Künstler davor bewahren. Wenn ich so viel Geld hätte, um wenigstens Instrumente für mein Lehrinstitut anschaffen zu können, so ist meine Existenz gesichert. Ich bin daher so kühn, Sie um eine Anleihe zu bitten. Denn in einigen Wochen könnte vielleicht kein Smetana mehr existieren!“ Statt Geld zu schicken, sorgte Liszt dafür, dass ein Verleger die ihm gewidmete erste Klavierkomposition Smetanas veröffentlichte.

Damit war die Basis für dessen kompositorisches Schaffen gelegt. Doch zuvor konzentrierte er sich auf die Dirigiertätigkeit und wurde Kapellmeister der Philharmonischen Gesellschaft in Göteborg. 1861 kehrte Smetana aus Schweden nach Prag zurück, wo seine unter Einfluss Liszts stehenden Programmmusiken entstanden. So charakterisiert jedes der sechs Teile von „Mein Vaterland“ ein Stück böhmischer Landschaft und Geschichte. Zum Hit wurde der zweite Teil „Die Moldau“, welcher den Verlauf des Flusses von der Quelle bis zur Mündung tonmalerisch umsetzt. Diese sinfonische Dichtung über einen Fluss ist in den Konzerthäusern bis heute ähnlich populär wie der Donauwalzer von Johann Strauss.

Als Smetana „Mein Vaterland“ schrieb, war er komplett taub. Bereits mit Anfang 50 verlor er sein Gehör infolge einer Syphilis-Erkrankung, die später zur Einweisung in ein Irrenhaus führte und an der er am 12. Mai 1884 sterben sollte. Heute bildet Smetana mit Antonín Dvořák und Leoš Janáček das Triumvirat der tschechischen Musik und wird in seinem Vaterland wie ein Heiliger verehrt.


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Kommentare

Peter Faethe am 25.03.24, 00:48 Uhr

Sein Tagebuch schrieb Smetana in Deutsch - bis zur letzten Seite.

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