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Nach erfolgreichem Fang: Heimkehrende Fischer in Pommern um 1930
Foto: AKG imagesNach erfolgreichem Fang: Heimkehrende Fischer in Pommern um 1930

Silber des Meeres

Der Hering ist Fisch des Jahres 2021

„Hunderttausend Heringsfässer lagern auf der Lastadie und Stettin versendet sie“ – Erinnerungen an den Fischfang im alten Pommern

Brigitte Klesczewski
25.02.2021

Der Fisch des Jahres 2021 ist der atlantische Hering, Clupea harengus, auch „Silber des Meeres“ genannt. Er wurde vom Deutschen Angelfischverband, dem Bundesamt für Naturschutz und in Abstimmung mit dem Verband deutscher Sporttaucher dazu gekürt. Der Hering ist der wichtigste Nutzfisch der Meere, obwohl sein Bestand derzeit gefährdet ist. Er ist ein Schwarmfisch, lebt gesellig und weidet das Meer nach Nahrung ab. Die Fischer kennen ihre Wanderwege und folgen ihnen. 

In meiner Heimatstadt Stettin habe ich oft diesen Spruch gehört: „Hunderttausend Heringsfässer lagern auf der Lastadie und Stettin versendet sie.“ Hierher kamen Heringe von den Hochseefischern, die in der Nordsee bis in den Atlantik und nach Island fischten. Der Fang wurde dann gleich auf dem Hochseefischdampfer eingesalzen. 

Der Stettiner Arzt Ludwig Schleich, Entdecker der örtlichen Betäubung, behauptet in seinem Buch „Besonnte Vergangenheit“, dass seine Heimatstadt das Gepräge einer echten Fischer- und Kommerzstadt besaß. Die Lagerschuppen für Heringe waren kilometerlang und bildeten, wie der angeführte Spruch schon aussagte, den größten Stapelplatz für Fisch in Deutschland. Zwischen Baum- und Hansabrücke war das Fischbollwerk. Hier wurden die Heringe verkauft. Heringe waren preiswert. Den Maklern wurde nach altem Brauch eine Heringsprobe vom Fass gereicht. 

König der Fische 

In drei Gruppen wurden die Heringe eingeteilt und zwar in Matjesheringe (Jungmädchenheringe), Vollheringe und Ihlen. Die letzteren sind etwas zäh und vertrocknet, altgewordene Heringe eben, die sich noch für Rollmöpse oder Marinaden eignen. Grüne Heringe dagegen werden in Küstennähe gefangen und frisch verarbeitet. Übrigens präsentiert sich das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern gern mit Küstenspezialitäten, zum Beispiel Fischgerichten aus Altefähr auf Rügen, und die Hochschulen stellen sich unter das Motto: „Studieren mit Meerwert“. 

Die Anfänge gehen bis ins frühe Mittelalter zurück. Große Bedeutung erlangte der Heringsfang jedoch erst Mitte des 13. Jahrhunderts, als die Kaufleute der Hanse ihre Fangmethoden und den Vertrieb professionalisierten. In der Oberschule hörten wir vor 8o Jahren, dass es zur Hansezeit hieß: „Krakau ist ein Kupferhaus, Reval ein Wachs- und Flachshaus, Rostock ein Malzhaus, Danzig ein Kornhaus, Stettin ein Fischhaus, Hamburg ein Brauhaus, Lübeck ein Kaufhaus und Lüneburg ein Salzhaus.“ 

Es wurde auch erzählt, dass ein armer Mann in der Inflationszeit der 20er Jahre im vorigen Jahrhundert sich für die Woche nur einen Salzhering leisten konnte, den er über dem Küchentisch aufhängte, mit der heißen Pellkartoffel wochentags über ihn fuhr, um ihn dann am Sonntag zu verspeisen. 

Ein Badeort trägt seinen Namen 

Nach dem Kanzler Bismarck wurde ein sauer eingelegter Hering benannt. Von ihm weiß man auch zu berichten, dass er einmal geäußert hätte: „Wenn der Hering so teuer wie der Hummer wäre, gälte er mit Sicherheit in den höchsten Kreisen als Delikatesse.“ 

Im Kochbuch „Spezialitäten aus Pommern“ von Hannelore Doll-Hegedo findet der Leser sechs Gerichte mit Hering. Der Bückling besitzt sogar einen Taufpaten. Es ist der Niederländer Beuckels, der schon 1397 starb. Einer Legende zufolge soll Kaiser Karl V. an dessen Grab Halt gemacht und zu seinem Gefolge gesagt haben: „Dieser Mensch hier verdient für diesen Hering, den Bückling, ein Ehrenmal.“  

Der Hering hat auch einem Ort auf Usedom seinen Namen gegeben. Wer hat nicht schon etwas über den mondänsten Urlaubsort auf Deutschlands zweitgrößter Insel gelesen? Das Land dieses Ortes gehörte einmal zum Besitz des früheren Stettiner Oberforstmeisters Bernhard von Bülow (1768–1854). Er war ein Vorfahre von Loriot. Im Jahr 1817 hatte er mit seinem Bruder das Rittergut Gothen mit Neuhof und Neukrug erworben. Er ließ auf dem Kulm eine große Sommerresidenz mit mehreren Logierhäusern bauen. 

Königlicher Besuch 

Im Jahr 1820 besuchte der preußische König Friedrich Wilhelm III. mit dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm und dem Prinzen Wilhelm seinen Oberforstmeister. Man besichtigte auch den Strand und eine kleine Fischerkolonie bei Neukrug. Die Fischer waren gerade dabei ihre Heringe einzusalzen. Der Oberforstmeister forderte den Kronprinzen auf, dieser noch namenlosen Fischerkolonie einen Namen zu geben. 

Aus der Situation heraus fiel dem späteren König Friedrich IV. der Name Heringsdorf ein. Ausgehend von der adligen Gründung sollte sich der Ort zu einem Treffpunkt der Aristokratie und der Hochfinanz zu einem Weltbad entwickeln. Heute ist Gothen ein Ortsteil von Heringsdorf. 

Heringsdorf wurde ab 1870 die Badewanne Berlins genannt. Ab 1893 besaß dieser Badeort eine 500 Meter lange Seebrücke. Im Jahr 1903 bekam sie einen seitlichen Anleger, die Odinbrücke zum Anlegen für Küstenpassagierdampfer. Heute ist das ehemalige Kaiserbad ein hochmodernes Kur- und Spaßbad geworden. 

Oberfischmeisteramt Swinemünde 

Für den Beruf des Fischers sind die wenigsten geschult oder umgeschult worden. In diesen Beruf wurde bis zum Jahr 1945 der Nachwuchs hineingeboren. Ein Fischer ist kein Angler oder Mitfahrer auf einem Fischerboot. Er wächst in diesen Beruf hinein, lernt Netze zu knüpfen oder zu flicken, weiß das Boot zu lenken, zu segeln, und kennt sich mit dem Wetter aus. 

Bis 1945 stand das Fischereigewerbe an der Ostsee unter Aufsicht des Oberfischmeisteramtes in Swinemünde. Es war nötig, damit die Fischer nicht mehr Fischereigeschirr benutzten, als sie gepachtet hatten. Es war auch verboten, in den Laichrevieren zu fischen. 

Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts entstand als Zubrot zum kärglichen Lohn der Fischer, besonders in den Orten um Wolgast, Greifswald, Anklam sowie Usedom, das Knüpfen von Teppichen. Berühmt wurden die Freester Fischerteppiche. Immer wiederkehrende Motive waren Fische, Wellen, Anker, Möwen und Stranddisteln. Jeder Teppich war ein Unikat. 

• Info Der Heringsbestand in der Ostsee ist in Gefahr. Laut Auskunft eines Ostseefischers auf Fehmarn hat das mehrere Ursachen. Zum Beispiel der enorm gewachsene Kormoranbestand, einwandernde Seehunde; der Klimawandel durch erhöhte Wassertemperatur und veränderte Lichtverhältnisse. Es wird auch untersucht, ob Planktonveränderung für den Plankton fressenden Hering eine Ursache sein kann. Durch Pflanzenschutzmittel und weniger Dünger hat sich die Bodenbedeckung durch Wasserpflanzen verändert.


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Kommentare

Doris Dr. Kiekeben am 05.11.21, 01:56 Uhr

Sehr geehrte Frau Klesczewski,
ich habe Ihren Beitrag von Finkenwalde über Bonhoeffer im Braunschweiger Journal gelesen. Bitte gestatten Sie mir einen Hinweis: Das Gutshaus war nicht Eigentum der "von Kattes", sondern der Karbes. Ich forsche schon seit geraumer Zeit zu dieser Familie. Woher haben Sie Ihree Information? Für Rückfragen und wissenschaftlichen Austausch stehe ich gern zur Verfügung. Freundliche Grüße Dr. Doris Kiekeben, Leibniz-Arbeitskreis Berlin e. V. Tel. 030 6756130

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