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Hochtechnologie Made in Germany – Bis in die 1970er Jahre hinein beherrschte deutsches Elektronikdesign noch den Weltmarkt
Schneewittchensärge – Unterhaltungselektronik unter einem transparenten Deckel – standen in den 1970er Jahren in zahlreichen Wohnzimmern. Das Unternehmen Wega aus Fellbach bei Stuttgart produzierte Hi-Fi-Komponenten und Fernseher, die heute als Designklassiker gelten – darunter auch die sogenannten Schneewittchensärge, einem vom Unternehmen Braun schon Jahre vorher eingeführten Typus. Wega war ein Jahrzehnt berühmt, die Produkte wurden gefeiert und bewundert. Doch mit der Übernahme durch den Sony-Konzern begann ab 1975 der rasche Niedergang. Heute ist Wega weder als Unternehmen noch als Marke aktiv.
Die 1960er und 1970er Jahre waren die große Zeit der deutschen Unterhaltungselektronik. Fernseher und Radios „Made in Germany“ waren weltweit gefragt, die Unternehmen Nordmende, Telefunken oder Grundig bedienten eine riesige Nachfrage. Doch neben den Massenherstellern gab es im Nachkriegs-Deutschland vor allem zwei Unternehmen, die neben technisch hochstehenden Produkten auch ein innovatives Design boten. Die Firma Braun aus Kronberg im Taunus hatte 1956 den ersten „Schneewittchensarg“ auf den Markt gebracht, eine Hi-Fi-Anlage mit Plexiglas-Deckel, ein Entwurf des bekannten Designers Dieter Rahms.
Fast noch klarer und konsequenter erscheinen heute die Objekte des Unternehmens Wega, das bereits 1923 in Fellbach gegründet worden war. Aber erst nach 1965 wurde Wega einer breiteren Öffentlichkeit bekannt – das Unternehmen hatte Designer damit beauftragt, Hi-Fi-Anlagen zu gestalten. Damals entstanden schwarz-weiße Objekte, die wie aus einer anderen, klareren Welt zu uns gekommen sind. Alles hat bei Wega seine Ordnung – und aus der Klarheit und Einfachheit erwächst wie selbstverständlich Schönheit.
Nicht zufällig hat das Museum of Modern Art Wega-Objekte angekauft, so das „Concept 51 K“, eine futuristische Hi-Fi-Kompaktanlage ganz in schwarzem Thermoplast-Kunststoff. Die Fernseher des Unternehmens, neben den Produkten von des italienischen Konkurrenten Brionvega vielleicht die besten Design-Fernseher, die je auf den Markt kamen, erscheinen mehr wie eine stimmige Ausstattung von Weltraum-Filmen denn als deutsche Unterhaltungselektronik, vor allem die Exemplare, die auf einem filigranen Standfuß geliefert wurden.
Wer damals Musikanlagen und Fernseher von Wega erwarb, der setzte damit ein Ausrufezeichen: Er lebte vermutlich im modernen Bungalow, fuhr einen Porsche oder Saab, und hörte auf seiner Anlage John Lennon oder gar die deutsche Musikgruppe Kraftwerk.
Vorbild für Apple-Computer
Dabei sollte das Design durchaus nicht elitär sein. Die Gestalter von Braun (Rahms) und Wega (Hartmut Esslingers „Frog Design“ und Verner Panton) standen in der Nachfolge der Ulmer Schule, die selbst auf dem Bauhaus aufbaute. In Ulm war die absolute Klarheit gelehrt worden, das Primat der Funktion. Alle Albernheiten und Dekorationen wurden nicht toleriert, Gestaltung entstand allein aus der Anordnung der Knöpfe und Hebel. Damit sollte ein Gerät die besten Gebrauchseigenschaften haben – und durchaus der Masse dienen.
Dieser der Technik alles unterordnende und damit vielleicht auch typisch deutsche Ansatz führte im Fall von Wega zu atemberaubender, ja zeitloser Schönheit. Gegen das Wega-Design wirken alle Radios und Fernseher von Grundig oder Telefunken bieder und gestrig.
Selbst das Computer-Design des US-Herstellers Apple wurde maßgeblich von der Ulmer Schule und deren Weiterungen beeinflusst. Nach den Erfolgen mit Wega bekam Esslingers Frog-Design Aufträge von Apple, so für die Gestaltung des Apple-Computers IIc von 1984. Die Einfachheit der Braun- und Wega-Objekte faszinierte auch den späteren Apple-Designer Jonathan Ive, der sich ausdrücklich auf Braun-Objekte berief.
Niedergang einer Industrie
Ausgerechnet Sony, der japanische Elektronikkonzern, durchaus vergleichbar mit Wega, beliebt bei jungen Leuten und Designern, übernahm 1975 den älteren Konkurrenten aus Fellbach. Das japanische Unternehmen war damals gesünder, agiler und strebte nach vorne, während sich Wega bereits in seiner Nische auszuruhen begann. Das deutsche Unternehmen hat die Übernahme nicht überstanden, eine Zeit lang wurde der Markenname Wega noch auf Sony-Fernseher gesetzt – bis er bald ganz verschwand.
Mit Wega hat Deutschland ein Unternehme verloren, das in der Tradition von Bauhaus und Ulmer Schule stand, das beispielhafte Objekte des 20. Jahrhunderts gestaltete. Der Verlust dieses Unternehmens mag aus wirtschaftlicher Hinsicht marginal sein. Doch nach Wega konnte kein deutsches Unternehmen mehr die Lücke an Lockerheit und Modernität, die Wega hinterlassen hat, füllen.
Welches deutsche Unternehmen baut heute noch im großen Stil Designobjekte? Welche Produkte deutscher Hersteller finden heute junge Leute noch bewundernswert? Antwort: Fehlanzeige. Die Technologie- und auch die Design-Führerschaft liegen längst beim Elektro-Autohersteller Tesla und dem Technologie-Riesen Apple, beide mit Sitz in Kalifornien. So gesehen markiert das Ende von Wega das traurige Ende einer Ära, in der Innovationen und in der auch modernes Design noch aus Deutschland kamen. Frog Design, dank Wega groß geworden, hat die Zeiten überlebt, sitzt aber heute, wie kann es anders sein, in Kalifornien.
Klaus Müller am 26.08.21, 07:41 Uhr
In D. zu produzieren wurde teurer und teurer durch steigende Lohnkosten plus Sozialabgaben. Also mussten Leute entlassen werden, Firmen oder know-how ins Ausland verlegt oder verkauft werden, und die Sozialkosten stiegen dadurch weiter, ein Teufelskreis.
Eine Binse.
Chris Benthe am 23.08.21, 10:56 Uhr
Danke für diesen feinen Beitrag. Unerreicht auch das legendäre WEGA Team 1000 -Radio, ein portables Gerät in Edelholz, das auch als Standgerät eine gute Figur machte.
Es erhielt, meines Wissens 1965, einen Designerpreis. Das wsr der Höhepunkt der Wega-Ära. Es ist eine Tragödie, dass man sich in Deutschland auf seinen Erfolgen ausruhte, statt die Konkurrenz aus Asien ernst zu nehmen, eine hervorragende Konkurrenz, die hätte beflügeln und anspornen können. Leider hat man selbst aus diesen Niederlagen nichts gelernt.