26.09.2025

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„Regieanweisungen“ einer Denkfabrik: Das „Project 2025“ der Heritage Foundation scheint dem US-Präsidenten wie eine Gebrauchsanleitung zum Umbau eines 250 Jahren alten demokratischen Systems zu diesen
Bild: pa/CHROMORANGE/Christian Ohde„Regieanweisungen“ einer Denkfabrik: Das „Project 2025“ der Heritage Foundation scheint dem US-Präsidenten wie eine Gebrauchsanleitung zum Umbau eines 250 Jahren alten demokratischen Systems zu diesen

Zeitenwende Amerika

Der Plan für ein anderes Amerika

Wie eine einflussreiche Denkfabrik versucht, die Machtverhältnisse in den USA nachhaltig zu verändern

Mike Delmore
25.09.2025

Die Vereinigten Staaten von Amerika durchleben aktuell turbulente Zeiten. Die westliche Supermacht als ehern stehender, verlässlicher Garant für Frieden, Freiheit, Demokratie und westliche Werte – das scheint gerade irgendwie vorbei zu sein. Ein ungewolltes Missgeschick? Ein unglücklicher Zufall? Nein. Denn das, was in den USA gerade abläuft, folgt einem klar strukturierten Programm. Ein Masterplan, der von einer nicht-liberalen Denkfabrik bereits vor einigen Jahren konzipiert wurde. Das Ziel: Die Partei der Republikaner schnellstmöglich an die Macht zu bringen, das Machtruder mit gezielten Maßnahmen umgehend herumzureißen, um dann ebenso die Macht für die Republikaner über lange Zeit zu erhalten und diesen Status abzusichern.

Als die Heritage Foundation (HF) im Jahr 2023 ihr „Project 2025“ vorstellte, war schnell klar: Es handelt sich nicht um das bloße Positionspapier einer Denkfabrik, sondern um ein ambitioniertes, in seiner Konsequenz radikales Konzept für eine tiefgreifende Umgestaltung des amerikanischen Staatswesens. Unter dem Titel „2025 Presidential Transition Project“ entwarf die einflussreiche Einrichtung eine Art Drehbuch, das einer zukünftigen republikanischen Regierung den Weg zu einer „Wiederherstellung Amerikas“ weisen soll – aus der Sicht jener politischen Kräfte, die sich zu Verteidigern von Familie, Religion und Nationalstaat erklären. Zwei Jahre später, im Herbst 2025, lohnt ein genauerer Blick: Was ist bereits Realität geworden, was bleibt – bislang noch – Absichtserklärung?

Das Leitbild von Project 2025 ist schnell umrissen. Im Zentrum steht die Vorstellung, dass die „traditionelle Familie“ erneut als fundamentaler Pfeiler der Gesellschaft etabliert werden müsse. Zugleich sollen Einwanderung, Asyl und internationale Verflechtungen stark reduziert und die nationale Souveränität betont werden. Nicht weniger bedeutsam ist das erklärte Ziel, den „administrativen Staat“ zu zerschlagen – jenen komplexen Apparat von Behörden, der seit Jahrzehnten Politik nicht nur umsetzt, sondern teilweise auch unabhängig vom Weißen Haus gestaltet. Dahinter steckt die Überzeugung, die Exekutive sei zu schwach, der Präsident müsse die volle Kontrolle zurückgewinnen. Individualrechte sollen gestärkt werden – allerdings in einer rechtsautoritären – nicht konservativen – Lesart, die sich eng an religiöse sowie vorgestrige moralische Wertvorstellungen hält und dabei alles Abweichende nicht als Freiheits-, sondern als Bedrohungstatbestände versteht. Dieser Masterplan ist nicht konservativ, auch nicht im klassisch US-amerikanischen Sinne, sondern ist reaktionär und zielt auf das Schaffen eines autoritären Systems ab. So soll auch die republikanische Partei und ihre Mitglieder nicht mehr konservativ im klassischen Sinne sein, sondern vielmehr autoritär.

Die US-Geschichte wird neu geschrieben
Aus alldem leiten sich konkrete Maßnahmen ab, die in einem mehrbändigen Handbuch detailliert beschrieben sind. Eine Schlüsselrolle spielt die Konzentration politischer Macht beim Präsidenten. Unabhängige Behörden sollen unter seine direkte Kontrolle geraten oder gleich abgeschafft werden. Begleitend dazu fordert die HF, Bundesangestellte künftig auf ihre politische Loyalität hin zu überprüfen. Wer nicht als zuverlässig gilt, soll ersetzt werden – systemtreues Einheitsdenken wird gefordert. Im Bildungssektor soll das Bundesministerium de facto abgeschafft und die Verantwortung vollständig in die Hände der Bundesstaaten gelegt werden. Schlagworte wie „freie Schulwahl“ und „elterliche Rechte“ markieren dabei eine Agenda, die private und religiöse Schulen bevorzugt. Hinzu kommt, dass die Geschichte der USA neu geschrieben werden soll – Sklaverei oder Rassenkonflikte werden nicht mehr in Schulbüchern vorkommen. Zudem fordert das revolutionäre Programm weitreichende Einschränkungen im Bereich von Abtreibung, Gleichberechtigungsprogrammen sowie Kürzungen sozialer Sicherungssysteme.

Die Reaktionen auf „Project 2025“ fielen entsprechend polarisiert aus. Befürworter sehen darin die Chance auf einen „Befreiungsschlag“ gegen Bürokratie, linksliberale Gesellschaftspolitik und föderale Übergriffigkeit. Kritiker hingegen warnen vor einem autoritären Umbau des Staates. Bürgerrechtsorganisationen, Juristen und Politikwissenschaftler verweisen auf die Gefahren einer Machtkonzentration beim Präsidenten, die Erosion von Gewaltenteilung und den Verlust unabhängiger Institutionen. Der Begriff „Loyalitätstests“ weckt bei vielen Erinnerungen an politische Säuberungen, die eher in Autokratien als in einer westlichen Demokratie zu Hause sind.

Vieles hat unter US-Präsident Donald Trump, der für die HF aufgrund seiner Psyche und seines Charakters eine perfekte Besetzung ist, bereits den Weg in die Realität gefunden. So wurden viele Sozialprogramme überarbeitet, etwa durch Arbeitsverpflichtungen für Medicaid-Empfänger. Besonders sichtbar ist die Abschaffung von Inclusion-Programmen, wo gerade die USA bisher einen geradezu vorbildlichen Umgang mit behinderten Mitmenschen pflegten. Auch die Katastrophenhilfe wurde neu geregelt – mit dem Effekt, dass die Verantwortung stärker auf die Bundesstaaten und Kommunen abgewälzt wird. Und schließlich gibt es Änderungen in der Forschungsförderung – eine Entwicklung, die Ärzte, Wissenschaftlicher und weltweit erfolgreiche, anerkannte Forscher als extrem besorgniserregend kritisieren.

Prüfung der Widerstandsfähigkeit einer alten Demokratie
Noch stoßen viele der Ideen an rechtliche, politische und praktische Grenzen. Die vollständige Abschaffung ganzer Bundesministerien – ob im Bildungsbereich oder in der inneren Sicherheit – ist bislang noch nicht erfolgt. Solche Schritte bedürfen einer Gesetzesgrundlage, die nur mit Zustimmung des Kongresses möglich wäre. Auch die geplanten Loyalitätstests für Bundesbedienstete haben noch nicht in systematischer Form stattgefunden; öffentlich dokumentierte Massenentlassungen aus Gründen politischer Gesinnung gibt es nicht. Gleiches gilt für die besonders umstrittenen Vorschläge zur Einwanderung: Weder ist das Prinzip der Geburtsrecht-Staatsbürgerschaft abgeschafft, noch wurden flächendeckende Massenabschiebungen eingeleitet. Zwar verschärft die Regierung ihre Praxis im Umgang mit illegalen Einwanderern, was ihr gutes Recht ist, greift dabei jedoch immer wieder zu höchst zweifelhaften Vorgehensweisen, was selbst bei konservativen Wählern auf Ablehnung stößt.

Die Realisierbarkeit von „Project 2025“ hängt an mehreren Faktoren – primär aber am Erfolg des Präsidenten. Doch die Zustimmung zur Person Trump und den bisherigen Maßnahmen befindet sich gerade im Sinkflug, ebenso wie die Wirtschafts- und Arbeitsmarktzahlen. Man darf nicht vergessen: Gut die Hälfte der US-Amerikaner hat Trump ins Präsidentenamt gewählt – knapp die Hälfte jedoch nicht. Und aktuell sind seine Zustimmungswerte mit durchschnittlich 41 Prozent schlechter als schlecht.

Fest steht: „Project 2025“ ist kein reines Wunschkonzert geblieben, sondern entfaltet konkrete Wirkung – und aktuell durchaus eine eher beängstigende. Damit wird das Projekt zum Prüfstein der amerikanischen Demokratie: Wie widerstandsfähig sind die USA im Jahr ihres 250-jährigen Geburtstages gegenüber einem so dezidiert ideologischen Masterplan und damit gegenüber einer verlockend autoritären Machtversuchung?


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