05.11.2025

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Ein deutliches Zeichen gegen das Fach „Gesundheitsbildung“: Plakat in Allenstein
Bild: D.K.Ein deutliches Zeichen gegen das Fach „Gesundheitsbildung“: Plakat in Allenstein

Allenstein

Ein Schulfach wird zum Zankapfel

Die Einführung der „Gesundheitsbildung“ stößt auf heftige Kritik seitens Eltern und Kirche

Dawid Kazanski
05.11.2025

Mit der Gesundheitsbildung wurde im Schuljahr 2025/ 2026 polenweit ein neues Unterrichtsfach eingeführt. Eigentlich sollte das Fach für alle Schüler verpflichtend sein, doch nach anhaltendem medialen Druck und gesellschaftlicher Diskussion beschloss das Bildungsministerium, dass der Unterricht nur fakultativ angeboten wird.

Diese Entscheidung hat eine Debatte ausgelöst, die weit über die Grenzen des Bildungssystems hinausgeht und die tiefen Spannungen zwischen Kirche, Medizin und Politik sichtbar macht. Das Fach richtet sich an Kinder und Jugendliche ab der vierten Klasse der Grundschule bis in die oberen Klassen der weiterführenden Schulen. Während in der Grundschule zwei Module pro Jahr vorgesehen sind, erhalten Schüler in Lyzeen, sowie in technischen und beruflichen Schulen zwei Stunden pro Woche.

Die inhaltlichen Schwerpunkte sind breit gefächert. Vor allem Fragen der psychischen und körperlichen Gesundheit, der Identitätsentwicklung, der Gefahren von der übermäßigen Internetnutzung spielen eine wichtige Rolle. In den unteren Klassen geht es auch um Themen wie Pubertät, Körperveränderungen und Menstruation. In den höheren Jahrgängen werden Verhütung, Prävention vor sexuell übertragbaren Krankheiten, Abtreibung, gesunde Ernährung, Organspende und Selbstuntersuchungen von Brust und Hoden behandelt. Um einen geschützten Rahmen zu gewährleisten, sollen Gruppen, in denen über Sexualität oder psychische Probleme gesprochen wird, kleiner sein als im regulären Unterricht.

Die Einführung dieses Faches stieß bei Fachleuten auf breite Zustimmung. Die Oberste Ärztekammer etwa betonte, dass die Gesundheitsbildung für die Prävention unverzichtbar sei. Ihr Sprecher, Jakub Kosikowski, unterstrich, dass durch fundierte Aufklärung gesundheitliche Risiken erheblich verringert werden könnten: von der Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten über psychische Erkrankungen bis hin zu verschiedenen Krebsarten. Die Ärzteschaft setzt sich daher weiterhin dafür ein, dass Gesundheitsbildung ein verpflichtendes Fach wird. Viele Mediziner verweisen zudem auf den gesellschaftlichen Nutzen, weil die Aufklärung jungen Menschen helfen solle, gesündere Entscheidungen zu treffen. Zudem könne die Belastung des Gesundheitssystems in Zukunft spürbar gesenkt werden.

Traditionelle Werte in Gefahr
Ganz anders äußerte sich die Polnische Bischofskonferenz. Die bischöfliche Kommission für Erziehung veröffentlichte einen Appell, in dem Eltern ausdrücklich dazu aufgerufen wurden, ihre Kinder von dem neuen Fach abzumelden. Die Kirche warnte, dass die Gesundheitsbildung die katholische Vorstellung von Ehe, Familie und Geschlechterrollen gefährde. Insbesondere die Themen Geschlechtsidentität und LGBTQ+ würden nach Ansicht der Bischöfe „die Vision von Frau- und Mannsein verzerren“ und Kinder in einer sensiblen Entwicklungsphase verunsichern. Auch wurde kritisiert, dass Ehe und Familie im neuen Lehrplan marginalisiert würden.

Der Appell erinnerte Eltern daran, dass sie das Recht hätten, über die Werte zu entscheiden, die ihre Kinder vermittelt bekommen. Beobachter dieses Konflikts zwischen den Anhängern und Gegnern der Gesundheitsbildung vermuten zudem, dass nicht nur moralische Bedenken im Spiel sind, sondern auch finanzielle Interessen.

Parallel zur Einführung der Gesundheitsbildung wurde der Religionsunterricht von zwei auf eine Stunde pro Woche reduziert. Da Religionslehrkräfte in der Republik Polen aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden, befürchten viele, dass die Kirche dadurch an Einfluss und Ressourcen verliere. Hinzu kommt, dass Eltern die Möglichkeit hatten, ihre Kinder bis zum 25. September von der Teilnahme abzumelden. Viele Beobachter gehen davon aus, dass zahlreiche Schüler auf Druck der Eltern oder wegen organisatorischer Gründe nicht teilnehmen werden. Denn fakultative Fächer werden von Schulleitungen häufig auf die erste oder letzte Unterrichtsstunde gelegt, wodurch sie für viele unattraktiv erscheinen.

Die Gesundheitsbildung ist damit zu einem Zankapfel geworden. Während Ärzte auf wissenschaftliche Fakten und die Vorteile von Prävention verweisen, sehen die Kirche sowie konservative Politiker in dem Fach eine Bedrohung ihrer Werte. Ob die Gesundheitsbildung dennoch ihr Ziel erreicht, das Gesundheitsbewusstsein der jungen Generation nachhaltig zu stärken, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch schon jetzt, dass das neue Fach zu den umstrittensten Reformen im polnischen Bildungssystem der letzten Jahre zählt.


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