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Trotz zuletzt eskalierender Kämpfe ist eine Einigung zwischen Moskau und Kiew noch immer möglich. Der maßgebliche Akteur ist der US-Präsident
Donald Trump hat Wladimir Putin wegen der neuesten russischen Raketenangriffe auf die Ukraine für verrückt erklärt. Die EU und die Demokraten in Washington hoffen nun, den US-Präsidenten endlich für drakonische Sanktionen gegen Russland umstimmen zu können. Doch auch die drastischsten Maßnahmen werden Russland wenig anhaben können, solange China hinter Moskau steht. Deshalb zielen die neuen Sanktionspläne des US-Kongresses auf eine massive wirtschaftliche Bestrafung Chinas, Indiens und der Türkei, die Putin bislang halfen, die westlichen Sanktionen zu umgehen. Das Resultat ist vorhersagbar: Der Wirtschaftskrieg weitet sich global aus, China wird sich noch enger mit Russland verbinden, der Westen wird von wichtigen Rohstoffimporten abgeschnitten. Und alle Konfliktparteien schaden sich vor allem selbst.
Anders liegen die Dinge bei der nun wieder stärker diskutierten Lieferung schwerer Waffensysteme an die Ukraine, wie den „Taurus“. Sie würden den russischen Vormarsch vielleicht aufhalten, aber das Potential für eine direkte Konfrontation der NATO mit Russland steigern.
Zurück zu „Istanbul“?
Derweil geht Putin aufs Ganze, obwohl seine ursprünglichen Ziele in weite Ferne gerückt sind. Die jüngste Zunahme der Bombardements rechtfertigt er mit der Notwendigkeit, westliche Waffenlager in der Ukraine zu zerstören und mit der Vergeltung für die fortlaufenden ukrainischen Drohnenangriffe auf russisches Kerngebiet. Auf beiden Seiten steigen die Opferzahlen unter den Zivilisten.
Eine Entmilitarisierung der Ukraine wird Putin schwerlich erreichen, trotz seiner Bombardements. Die Ukraine mag letzten Endes auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichten, aber es ist schwer vorstellbar, dass der Krieg ohne Sicherheitsgarantien in Form von militärischer Nachrüstung der ukrainischen Streit-kräfte und künftiger westlicher Militärpräsenz zumindest in der Westukraine enden wird. Auch eine „Entnazifizierung“ der Ukraine – das Moskauer Codewort für den angestrebten Regime Change in Kiew – wird nur durchsetzbar sein, wenn die Ukraine in nächster Zeit kapituliert, was sie nicht zu tun gedenkt.
Trotzdem kann der Krieg nicht ewig weitergehen. Um ohne Gesichtsverlust auf Trumps Friedensplan eingehen zu können, benötigt Putin ein haltbares Narrativ, das nicht nur den Sinn und Zweck der von ihm ausgerufenen „Speziellen Militäroperation“ manifestiert, sondern auch Russland zum Sieger des Konflikts erklärt.
Ein zentrales Element in diesem Bemühen ist der Rückgriff auf die Friedensverhandlungen von Istanbul im Frühjahr 2022. Damals – so die russische Darstellung – habe es eine reale Chance auf ein Abkommen gegeben: eine neutrale Ukraine, ein Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft, russische Nichtangriffsgarantien im Gegenzug. Dass daraus nichts wurde, lag nicht nur an mangelndem Willen Moskaus und Kiews, sondern auch an westlichen Einflüssen. In erster Linie Großbritannien und die USA hätten Wolodymyr Selenskyj aufgefordert, den militärischen Widerstand fortzusetzen – und damit, so die Lesart des Kreml, den Krieg unnützerweise in die Länge gezogen.
Diese Schuldzuweisung hilft Russland, für die Zukunft der Friedensgespräche sein Gesicht zu wahren und dem Westen eine moralische Mitschuld an den tausenden Toten auf beiden Seiten zuzuschreiben. Für Moskau bietet sich damit auch die Gelegenheit, den Westen als geostrategischen Gegner zu schwächen.
Hoffen auf den Deal mit Trump
Putins Blick richtet sich nur nach Washington. Er sieht, wie sich die politische Großwetterlage verschiebt, und spekuliert auf einen Bruch in der NATO. Nur darf Putin sein amerikanisches Gegenüber nicht vergrämen, deshalb setzt er darauf, Trump in weitere Friedensbemühungen einzubinden – und ihm dabei die Rolle des Friedensstifters zuzugestehen. Der Gewinn einer wirtschaftlichen Kooperation mit den USA, so die Botschaft von Putins Unterhändler Kirill Dmitrijew an das Trump-Lager, wäre für Russland wichtiger als ein Kriegsende.
Europa hingegen wirkt derzeit orientierungslos. Es gibt keine Vorstellungen, wie mit Russland künftig umgegangen werden muss, außer dass man für den Krieg rüstet und jetzt vielleicht doch den „Taurus“ an die Ukraine liefern möchte. Der Schock sitzt tief, dass Trump die NATO spalten könnte. Ohne die USA an ihrer Seite kämen Berlin, London und Paris gegen Moskau nicht an. Und so sehen wir gleichzeitig dramatische Versuche sowohl Russlands als auch der Europäer, Trump auf ihre Seite zu ziehen.
Ein Frieden ohne substantielle territoriale Verluste der Ukraine scheint derzeit nicht realisierbar. Die Idee, mit Waffenstillstand und Status quo ante Russland zum Rückzug zu bewegen, blendet die Realitäten aus, die Putin geschaffen hat – und weiter schaffen will.
Der russische Präsident wird nicht nachgeben. Dafür steckt er selbst zu tief in diesem Krieg. Ohne sichtbaren Triumph kann er keinen Rückzug wagen, ein Reputationsverlust würde seine persönliche Macht gefährden. Die vollständige Kontrolle über die annektierten Gebiete in der Ostukraine – und womöglich darüber hinaus bis zum Dnjepr – ist längst nicht nur militärisches Ziel, sondern politische Notwendigkeit geworden. Sollte die Unterstützung der Ukraine durch die USA weiter nachlassen oder ganz wegfallen, könnten sich diese Ziele trotz massiver Verluste für Russland als erreichbar herausstellen.
Doch auch die EU kann nicht aufgeben. Die europäische Sicherheitsordnung, so wie sie sich nach dem Kalten Krieg herausgebildet hatte, wäre bei einem Sieg Russlands hinfällig. Auf dem Balkan konnten die NATO-Verbündeten einst serbische Eroberungspläne militärisch stoppen, in der Ukraine wird dies in Bezug auf Russland kaum gelingen. Schon deswegen wird der Frieden, wie ihn viele erhoffen, nur zu einem sehr hohen Preis zu haben sein.