11.08.2025

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Die Drohnenproduktion läuft bereits auf Hochtouren: Blick in die „Resilienz-Fabriken“ von HelsingAI
Bild: HelsingAIDie Drohnenproduktion läuft bereits auf Hochtouren: Blick in die „Resilienz-Fabriken“ von HelsingAI

Künstliche Intelligenz

Der schöne Schein der Eigenständigkeit

Ein deutsches KI-Unternehmen macht Furore, etwa bei der Waffenentwicklung. Bei näherem Hinsehen tritt jedoch eine teils riskante Verflechtung mit mächtigen ausländischen Akteuren hervor

Christian Rudnitzki
11.08.2025

Haben Sie schon mal von HelsingAI gehört? Der Firma, die nach Angaben ihrer Homepage (www.helsing.ai/de) „Künstliche Intelligenz zum Schutze unserer Demokratien“ entwickelt? Das Unternehmen, das, obwohl erst 2021 gegründet, wohl schon jetzt das „wertvollste“ KI-Unternehmen Europas ist? Und das Unternehmen, das von Deutschland aus Drohnen in die Ukraine liefert?

Im November 2024 schickte HelsingAI 4000 „HF 1-Kamikaze-Drohnen“ ins Kriegsgebiet, finanziert aus der „Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung“ – der Vertrag dazu wurde im September 2024 geschlossen, die Auslieferung startete parallel (es musste also schnell gehen). Im vergangenen Februar kündigte HelsingAI dann die Lieferung von 6000 „HX 2-Kampfdrohnen“ in die Ukraine an. Diese „intelligente Kamikaze-Drohne“ wird in einer neuen Fabrik in Süddeutschland produziert, die eine Kapazität von zunächst 1000 Drohnen pro Monat haben soll. Laut Experten macht das HelsingAI – Stand heute – zu einem der größten Kriegsdrohnenbauer weltweit.

HelsingAI ist ein deutsches Verteidigungs-Startup mit Sitz in München, das sich auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in militärischen Anwendungen spezialisiert hat. Das Unternehmen entwickelt KI-gestützte Softwarelösungen, die Daten aus verschiedenen Sensoren in Echtzeit analysieren, um die Entscheidungsfindung auf dem Schlachtfeld zu verbessern. HelsingAI arbeitet mit Airbus, Saab und dem Bundesverteidigungsministerium zusammen und wurde ausgewählt, 15 Eurofighter der Luftwaffe mit KI für den elektronischen Kampf auszurüsten. Seit 2022 ist Helsing auch in der Ukraine aktiv und stellt KI-Technologie für Fronteinsätze bereit. Das Unternehmen hat kürzlich die Defence Manufacturers Alliance gegründet, eine gemeinsame Initiative mit der ukrainischen Regierung.

Das strahlende Etikett „Demokratie“
Helsing betont, dass seine KI-Systeme nur zur Unterstützung von demokratischen Staaten entwickelt würden. Dahinter, das Unternehmensziel als Mission zur „Verteidigung demokratischer Gesellschaften“ zu beschreiben, steckt strategisches und kulturelles Kalkül – die Wahl des Begriffs „Demokratie“ statt „Freiheit“ wirkt in Europa – und besonders in Deutschland – als zentraler Legitimitätsanker. „Freiheit“ wäre mehrdeutig, individualistisch aufgeladen und politisch weniger zu vereinnahmen. Und da HelsingAI als europäisches Verteidigungs-Startup vor allem politische Unterstützung (und Geld) finden möchte, ist die Verteidigung der Demokratie ein lukratives Geschäftsmodell. Daher ist die ethische Differenzierung vorteilhaft – nicht Freiheit gegen Unfreiheit, sondern Demokratie gegen Diktatur. Damit erspart HelsingAI sich und seinen Auftraggebern heikle Debatten um die jeweilige Bedeutung von Freiheitsbegriffen, die etwa auch „Meinung“ oder „Glaube“' beinhalten könnten.

Bisher wurden dafür mehr als 770 Millionen Euro zur Finanzierung eingesammelt. Zu den Investoren zählen General Catalyst, Accel, Lightspeed Venture Partners und der Spotify-Gründer Daniel Ek. Mittlerweile, nicht zuletzt durch die von Berlin geförderten und mitfinanzierten Aufträge aus der Ukraine, wird das Unternehmen mit etwa fünf Milliarden Euro bewertet. Unter den Investoren fällt Streaming-Pionier Ek auf. Der schwedische Spotify-Gründer hat vor allem kulturelle Konsumstrukturen geschaffen. Dass er sich plötzlich als Verteidigungstechnologie-Financier und geopolitischer Architekt geriert, ist bemerkenswert.

Neue Form der Abhängigkeit
Mitbegründer und Geschäftsführer Gundbert Scherf spricht in den wenigen Interviews eher über Themen wie Unternehmenseffizienz und Marktmechanismen. Den eigentlichen Auftrag von HelsingAI, nämlich „Künstliche Intelligenz zum Schutze unserer Demokratien“ zu entwickeln, erklärt er eher selten. Seine Orientierung dürfte auf Rendite liegen. Diesen Schluss legt auch die Betrachtung der schick aufgemachten Homepage von HelsingAI nahe: Wie bei anderen Startups der Tech-Branche geht es darum, für Investoren eine attraktive Unternehmensstory zu „erzählen“. Nur diesmal halt mit KI im Militärbereich. Und weil eine verunsicherte Politik zu millionenschweren Investitionen bereit ist, um jahrzehntelange Versäumnisse zu kaschieren, könnte HelsingAI eine sprudelnde Geldquelle gefunden haben.

Dass HelsingAI in München gegründet wurde, ist sicher kein Zufall: Fast alle großen US-High-Tech-Unternehmen haben dort Niederlassungen. Die deutschen Zentralen von Google, Microsoft, Apple, IBM, Amazon Web Services und Nvidia haben ihren Sitz an der Isar. Doch München und Umgebung ist auch für chinesische Hightech-Unternehmen ein zentraler Standort. Da ergibt sich ganz natürlich die Frage nach der nationalen Sicherheit: Wie können in diesem Umfeld Technologien von sicherheitsrelevanter Bedeutung entwickelt und geheim gehalten werden? Ohne dass es etwa die chinesische Regierung erfährt? Oder gar beteiligt ist?

Europa spricht viel von Souveränität – doch anhand des Beispiels HelsingAI bleibt unklar, was genau damit gemeint ist. Die EU und die deutsche Regierung werben mit strategischer Autonomie, operieren jedoch in einer digitalen Realität, die tief in amerikanische und chinesische Abhängigkeiten verstrickt ist. Ob Cloud-Infrastruktur, Halbleiter oder KI-Talente – die entscheidenden Ressourcen liegen nicht in europäischer Hand, sondern bei den globalen Tech-Giganten. HelsingAI präsentiert sich als Antwort auf technologische und militärische Souveränitätslücken Europas. Wenn diese Lücken jedoch mit noch mehr digitaler Kontrolle und Abhängigkeiten, undurchsichtigen KI-Systemen und einem verengten Demokratiebegriff gefüllt werden – entsteht eine neue Form der Abhängigkeit unter dem Vorwand von Freiheit. Abraham Van Helsing ist der legendäre Vampirjäger aus Bram Stokers „Dracula“ – als Namensgeber eines KI-Unternehmens wirkt das wie ein bisschen zu viel Fiktion, um wahr zu sein.


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