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Harro Lucht: „Das Nadelöhr der Freiheit. Unzensierte Erinnerungen eines ostdeutschen Studentenpfarrers“, Lukas Verlag, Berlin 2o22, broschiert, 287 Seiten, 19,80 Euro
Harro Lucht: „Das Nadelöhr der Freiheit. Unzensierte Erinnerungen eines ostdeutschen Studentenpfarrers“, Lukas Verlag, Berlin 2o22, broschiert, 287 Seiten, 19,80 Euro

DDR-Widerstand

Der Stasi ein Dorn im Auge

Der Theologe Harro Lucht schildert seine Erfahrungen als Studentenpfarrer in den 1980er Jahren bis kurz vor dem Mauerfall

Dirk Klose
28.01.2023

Manchmal hatten wir 80 Prozent Mut und fünf Prozent Angst, dann aber auch wieder nur fünf Prozent Mut und 80 Prozent Angst.“ Mit diesen Gefühlsschwankungen hat Harro Lucht als Pfarrer in der DDR gelebt. Es war, wie man als Leser seiner „unzensierten Erinnerungen“ feststellt, eine Gratwanderung; die großen Respekt abnötigt.

Der 1950 in Halle geborene Autor hat die ideologische Härte der SED früh erfahren, als sein Vater wegen „Gruppenbildung“ zu fast acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Der Junge kam zu den Großeltern nach Hamburg, ging aber 1963 zurück in die DDR, wo er sich bald der Jungen Gemeinde in Halle anschloss. Nach einem Theologiestudium und Vikariatszeit in Cottbus war er von 1981 bis 1987 Studentenpfarrer in Greifswald, dann zwei Jahre Pfarrer an der Immanuelkirche in Ost-Berlin. Von diesen Jahren handelt sein Buch „Das Nadelöhr der Freiheit“, die Folgezeit als Krankenhausseelsorger in Neuruppin und Berlin ist ausgespart.

Nach der Devise „Man muss Gott mehr gehorchen als dem Menschen“ machte er seine Studentengemeinde zu einem Ort alternativen Lebens in dem SED-geprägten Alltag. Aufhänger war die ab den 1980er Jahren in Ost und West virulente Friedensfrage. Mit Diskussionen, öffentlichen Transparenten und Auftritten sowie mit Einladungen an Künstler geriet er rasch ins Visier der Stasi. Die ab 1983 in der DDR möglichen regionalen Kirchentage nutzte er für Bekenntnisse zum Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ und „Frieden schaffen ohne Waffen“.

Seine Sympathien gehörten den Künstlern – ob Schriftsteller, Maler, Liedermacher –, ob bekannte oder unbekannte „Junge Wilde“ aus dem pommerschen Raum. Dass seine Abende mit freier Diskussion und alternativen Themen fast immer überlaufen waren, war der Staatsgewalt ein Dorn im Auge. In Ost-Berlin geriet Lucht rasch ins Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat. Nach einer geradezu apokalyptischen Vernehmung im Rummelsburger Stasigefängnis und Bedrohung seiner Frau war, so sagt er, „unser Akku verbraucht“. Nach einem Ausreiseantrag konnte er einen Monat vor der Maueröffnung in den Westen reisen.

Das Buch fesselt nicht nur wegen vieler dramatischer Ereignisse, sondern auch wegen der oft genauen Beobachtung und treffenden Charakterisierung. Schade, dass bei diesem so lesenswerten Buch, in dem der Autor viele wenig bekannte Titel nennt, auf ein Literaturverzeichnis verzichtet wurde.


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Kommentare

Ingeborg Godenau am 31.01.23, 15:11 Uhr

Mit einiger Verwunderung stelle ich fest, dass die Preußische (!) Allgemeine ein Buch anbietet, auf dessen Titel Mitteldeutschland als Ostdeutschland bezeichnet wird. (Unzensierte Erinnerungen eines OSTDEUTSCHEN Studentenpfarrers - über einen Studentenpfarrer der ehemaligen DDR). Ich fasse es nicht. Mitteldeutschland ist NICHT Ostdeutschland.

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