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Mit einem Preußen-Prinz befreundet, machte der engagierte Astronom eine wahrhaft kometenhafte Karriere
In lauen Sommernächten Sterne zu zählen, kann sehr romantisch sein. Hingegen ist die systematische Erfassung aller sichtbaren Planeten am Himmel wohl eher eine Sisyphusaufgabe ohnegleichen. Umso mehr beeindruckt daher die Ausdauer, mit welcher der gebürtige Ostpreuße Friedrich Wilhelm August Argelander genau dieses Vorhaben in Angriff nahm.
Der Sohn eines aus Finnland stammenden Großkaufmanns und Reeders wurde am 22. März 1799 in Memel geboren. Hier hielt sich nach der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt vom Oktober 1806 auch die preußische Königsfamilie auf. Dadurch lernte der junge Argelander den Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV. kennen, woraus tatsächlich eine lebenslange Freundschaft erwuchs.
Eigenbewegung des Sonnensystems
Nach dem Studium und der Promotion beziehungsweise Habilitation an der Universität Königsberg verschlug es Argelander aber zunächst nach Finnland. Verantwortlich dafür war sein akademischer Lehrer, der berühmte Astronom Friedrich Wilhelm Bessel. Dieser empfahl das wissenschaftliche Nachwuchstalent für die freigewordene Stelle eines Observators an der Sternwarte in Turku. Dort beschäftigte sich Argelander hauptsächlich mit der Beobachtung von Kometen, bis Turku 1827 von einem Großbrand heimgesucht und schwer zerstört wurde. Notgedrungen musste der Ostpreuße nach Helsingfors – dem heutigen Helsinki – umziehen, wo er 1828 zum Professor für Astronomie berufen wurde. An der Sternwarte der Universität Helsingfors errechnete Argelander bis 1836 aus der Bewegung von 390 Sternen die Eigenbewegung unseres Sonnensystems. Sein Ergebnis: Es rast ganz offenkundig auf das Sternbild Herkules zu. Die diesbezügliche Veröffentlichung machte seinen Namen weltweit bekannt.
Entwicklung seiner Methode
Angesichts dessen – und sicher auch auf Anregung des preußischen Kronprinzen – beschloss die Regierung Preußens, Argelander die Stelle des Direktors der im Aufbau befindlichen neuen Sternwarte der Universität Bonn anzutragen. Diese Einrichtung wurde auch tatsächlich zur künftigen Wirkungsstätte des Ostpreußen. In den ersten Jahren, als die Sternwarte noch nicht voll arbeitsfähig war, erstellte Argelander einen aus 17 Karten bestehenden Atlas namens „Uraniometria Nova“, der jeden der rund 6000 Sterne zeigte, den man von Bonn aus mit bloßem Auge sehen konnte. Außerdem entwickelte er die nach ihm benannte Stufenschätzungsmethode zur Erfassung der Helligkeit von veränderlichen Sternen, die sich als unverzichtbares Hilfsmittel für Astronomen erweisen sollte.
Mitte 1844 stand dann endlich die Sternwarte an der Poppelsdorfer Allee zur uneingeschränkten Verfügung, woraufhin Argelander zunächst Kleinplaneten und Kometen beobachtete. Dann begann er 1849 mit einer neuen Inventarisierung des Sternhimmels. Dabei wurden nunmehr 17.000 Sterne erfasst und deren Position und Helligkeit mittels Fernrohrs bestimmt. 1852 beschloss er darüber hinaus, alle Sterne bis zur 9. Größenklasse im Bereich der nördlichen Hemisphäre in eine entsprechende Himmelskarte einzutragen. Das Vorhaben erhielt den Namen „Bonner Durchmusterung“ und führte zur Erstellung eines Atlasses mit 40 Einzelblättern. Bis diese zwischen 1857 und 1863 gedruckt werden konnten, mussten Argelander und seine Assistenten Adalbert Krueger und Eduard Schönfeld sage und schreibe 324.198 Sterne anvisieren.
Präzise Standortbestimmung
Eine ebenso gründliche Durchmusterung des Sternhimmels über der Südhalbkugel erfolgte zwischen 1892 und 1914 an der Sternwarte von Córdoba in Argentinien. In deren Verlauf erfassten die Astronomen weitere 578.000 Sterne, womit nun knapp eine Million Sonnen in unserer Galaxis katalogisiert waren. Allerdings gibt es, wie man heute weiß, in der Milchstraße mehr als 100 Milliarden Sterne.
Späterhin arbeitete Argelander vor allem an der Präzisierung der Positionsbestimmungen während der Bonner Durchmusterung, der er sich mit großer Hingabe und Akribie widmete. Mitten in seiner Arbeit ereilte ihn nach kürzerer, intensiver Krankheit am 17. Februar 1875 der Tod. Dabei hatte sich der Forscher noch bis zum Sommer 1874 bester Gesundheit erfreut, als er dann plötzlich an einem typhusartigen Fieber erkrankte, das ihm zum Verhängnis werden sollte.
International überaus geschätzt
Das Ableben Argelanders war ein schwerer Schlag für die Universität Bonn, als deren Rektor er zweimal amtiert hatte, sowie die Wissenschaftslandschaft in ganz Preußen. Immerhin repräsentierte der Ostpreuße diese unter anderem in der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften, der Académie des sciences in Paris, der American Academy of Arts and Sciences, der Académie royale des Sciences sowie der National Academy of Sciences in Washington. Darüber hinaus hatte Argelander 1863 die Goldmedaille der britischen Royal Astronomical Society erhalten. Und natürlich gehörte der Astronomieprofessor auch zu den Mitgliedern des von Friedrich Wilhelm IV. gestifteten Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste.
Argelanders Assistent Schönfeld stieg die Karriereleiter zunächst als Direktor der Sternwarte in Mannheim hinauf, bevor er nach dem Tod seines Mentors dessen Nachfolge antrat. Schönfeld erweiterte die Bonner Durchmusterung bis 1881 um 133.659 Sterne, welche nur zu ganz bestimmten Zeiten im Jahr von Deutschland aus sichtbar sind.