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Die Anbändelei mit der Linkspartei stürzt nicht nur die thüringische CDU in die Krise. Es zeigt sich: Das alte Parteiengefüge funktioniert nicht mehr
Eine wie auch immer genannte Zusammenarbeit der CDU mit der Linkspartei in Thüringen wäre „ein schwerer Tabubruch, egal mit welchen komischen Begriffen das bemäntelt wird“, warnte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, noch am Montag in der „Bild“-Zeitung. Doch da war es schon passiert. Hinter den Nebelschwaden „komischer Begriffe“ wie „Projektregierung“ zeichnen sich tatsächlich Konturen einer Kooperation von Schwarz und Dunkelrot in Thüringen ab. Die „Bemäntelung“ wird der CDU tatsächlich nichts nützen. Die Wähler sind nicht dumm.
Wie es aussieht, will sich die CDU in die Rolle einer handzahmen Schein-Opposition fügen, welche einer von den Thüringern krachend abgewählten Rot-Rot-Grün-Regierung das Verbleiben an der Macht ermöglicht. Die Mehrheit der Wähler im Freistaat muss sich fragen, was ihre Entscheidung an der Urne eigentlich noch wert ist. Und die Mitglieder und Anhänger der CDU stehen vor dem Rätsel, wofür ihre Partei eintritt, wofür sie überhaupt da ist und welche Rolle sie im parteipolitischen Gefüge der Republik spielen möchte.
Rein parteitaktisch hat nur die AfD Grund zur ausgelassenen Freude. All ihre Vorwürfe und Verdächtigungen gegen die „Altparteien“ scheinen sich in Thüringen zu bestätigen: Dass die Etablierten nur zum Schein wirklich unterschiedliche, ja gegensätzliche Positionen einnähmen, um dem Bürger Vielfalt vorzugaukeln. Dass sie in Wahrheit aber ein „Kartell“ bildeten, in dem jeder mit jedem kungelt, um die Opposition draußen zu halten. Dass die herkömmlichen Parteien ihre treuen Wähler längst verraten und vergessen hätten.
Die treuen Wähler – bei der CDU waren das über Jahrzehnte die Konservativen, denen angesichts der Entwicklung in Thüringen der Atem stocken muss. Dieser Schock kann und wird nicht ohne Auswirkungen bleiben, sowohl was die innere Verfasstheit der CDU angeht als auch das gesamte Parteiensystem. Für viele Unionsanhänger, möglicherweise allzu viele, dürfte mit der schwarz-dunkelroten Anbändelei von Erfurt eine Linie übertreten worden sein, über die sie der Union nicht mehr folgen wollen.
Welche konkreten Folgen dieser Bruch zeitigen wird, lässt sich noch nicht absehen. Der Blick in andere europäische Länder aber lässt Ahnungen zu. Etwa Italien, wo die Christdemokraten in der Bedeutungslosigkeit verschwanden, nachdem sie ihre inhaltlichen Konturen zugunsten reiner Machtspiele bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt hatten.
Den etablierten Parteien und einer Übermacht von Medien ist es bislang gelungen, die Erosion in Richtung AfD einzuhegen, indem sie einen Damm aus Abgrenzung und Verdammung gegen die neue Formation errichtet haben. Der Damm hält bislang einigermaßen: Die Alternative für Deutschland steht wie festgenagelt auf bundesweiten Umfrageresultaten zwischen 13 und 15 Prozent.
Doch vor diesem Damm wächst die Schar der neuen Heimatlosen, die sich mit der AfD (noch?) nicht anfreunden wollen, die von ihren bisherigen Parteien aber restlos enttäuscht sind. Hier entsteht abermals etwas, das die Wissenschaftler „Repräsentationslücke“ nennen. Ein Heer von durchaus Wahlwilligen, die sich von keiner Partei mehr vertreten fühlen. Eine solche Lücke hat 2013 zur Gründung und später zum Aufstieg der AfD geführt. Es ist kaum abzuschätzen, wohin sich dieses erneut anwachsende Wählerpotenzial diesmal bewegt.
Will die AfD diese Menschen über den Damm ziehen, muss die Partei indes noch sehr hart an sich arbeiten. Wollen CDU und SPD diese verlorenen Wähler zurückgewinnen, wäre eine schonungslose Aufarbeitung der Irrwege der vergangenen Jahre unumgänglich. Fraglich ist aber, ob bei Schwarz und Rot der Wille, die Kraft und auch das geeignete Personal noch vorhanden sind, um diesen selbstkritischen Kraftakt zu vollführen. Wolfgang Steigers Appell jedenfalls verhallte faktisch ergebnislos.