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Der Kohleausstieg der EU ist ohne das Kohleland Polen nicht möglich. Der Nettoempfänger könnte sich seine Zustimmung teuer bezahlen lassen
Sogenannte „Klimaaktivisten“ setzen den Siemens-Konzern massiv unter Druck, um die Lieferung von Technik für ein Kohlebergwerk in Australien zu verhindern. Erstaunlich wenig Widerstand regt sich dagegen bislang gegen milliardenschwere Kohleprojekte, die geografisch sehr viel näher liegen. Nur wenige hundert Kilometer von Berlin entfernt betreiben polnische Energieversorger Großprojekte, die hiesige Anhänger von Greta Thunberg eigentlich zum Dauerprotest auf die Straße bringen müssten.
80 Prozent Kohleanteil
Östlich der Lausitzer Neiße will beispielsweise der polnische Energieversorger PGE für sein Kohlekraftwerk Turów einen Braunkohletagebau massiv erweitern, um ihn noch bis 2044 nutzen zu können. Laut einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hat die regionale Umweltdirektion in Breslau Ende Januar eine Umweltgenehmigung für die Erweiterungspläne erteilt. Ebenfalls in Niederschlesien sind im vergangenen Herbst zwei neue Blöcke im Steinkohlekraftwerk Oppeln in Betrieb gegangen. Allein in dieses Projekt sind umgerechnet 2,6 Milliarden Euro geflossen. 500 Kilometer östlich von Berlin steht in Belchatów in der Region Lodz sogar das größte Braunkohlekraftwerk der Welt.
Ebenso rekordverdächtig ist der Anteil von rund 80 Prozent, den Kohle am polnischen Strommix hat. Die Regierung in Warschau hat zwar im August 2018 angekündigt, dass es nach dem Bau des Kraftwerks in Ostrolenka keine weiteren Baugenehmigungen für Kohlekraftwerke mehr erteilen wolle. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass die Regierungspartei PiS einen schnellen Ausstieg aus der Kohlenutzung vorantriebe. Vorgelegt hat die Partei einen Fahrplan, der bis 2040 lediglich eine moderate Reduzierung des Kohleanteils am Energiemix vorsieht.
Polen vermeidet frühe Festlegung
Der aktuelle, stark auf Kohlestrom ausgerichtete Strommix hat ähnlich der polnischen Justizreform das Potenzial, das Klima zwischen Brüssel und Warschau weiter zu verschlechtern. Einerseits drohen Polen durch den EU-Emissionshandel hohe Kosten für seine Kohlekraftwerke, wenn der Preis pro Tonne Kohlendioxid deutlich ansteigt. Andererseits gehen die Kostenschätzungen für einen kompletten Ausstieg aus der Kohleverstromung in einen hohen Milliardenbereich. Dahinter steht das ehrgeizige Ziel der EU-Kommission, dass die EU bis 2040 aus der Kohleverstromung ausgestiegen und bis 2050 sogar „klimaneutral“ ist. Beides setzt voraus, dass das EU-Mitglied Polen mitzieht.
Pfand für Finanzverhandlungen
Bereits beim EU-Gipfel im vergangenen Dezember weigerte sich die polnische Regierung, die gemeinsame Erklärung mit der Absichtserklärung zu einer „Klimaneutralität“ bis 2050 zu unterschreiben. Regierungschef Mateusz Morawiecki handelte stattdessen eine Bedenkzeit bis Mitte dieses Jahres aus. Erst dann will Warschau mitteilen, ob und unter welchen Bedingungen es mitziehen will. Mit diesem Vorgehen hat sich die polnische Führung in eine gute Verhandlungsposition gegenüber Brüssel und auch den Nettozahlern wie Deutschland gebracht. Denn nun laufen die Verhandlungen über den polnischen Beitrag zur EU-Klimapolitik zeitlich parallel zum anstehenden Poker über den neuen EU-Finanzrahmen.
Bislang ist Polen einer der größten Profiteure des EU-weiten Finanzausgleichs. Seit dem Beitritt im Jahr 2004 hat das Land aus den Brüsseler Geldtöpfen fast 90 Milliarden Euro an Fördergeldern erhalten. Auch viele andere süd-, südost- und ostmitteleuropäische Länder erwarten weiterhin hohe Subventionen aus dem EU- Haushalt. Für Geberländer wie Deutschland drohen durch den Finanzbedarf für Ursula von der Leyens „Green Deal“ sowie den Wegfall der britischen Einzahlungen massive Mehrbelastungen.