Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Auf den Spuren des Vaters ist die Journalistin Caro Matzko von München in die Heimat des Vaters Osterode (Ostpreußen) gereist, um dessen „Alte Wut“, wie auch ihre eigene innere Zerrissenheit, besser verstehen zu können
In ihrem Buch „Alte Wut“ berichtet die bekannte Journalistin und Moderation Caro Matzko von ihrer Reise im Sommer 2024 im Alter von Mitte 40 nach Ostpreußen. Sie fährt die Fluchtroute zurück, die ihr 90-jähriger Vater als Zehnjähriger genommen hat. Sie ist mittlerweile selbst Mutter einer Tochter, hat in ihrer Jugend eine Magersucht durchlebt und kämpft als Erwachsene gegen Depression und Burn-out. Genau wie ihr Vater fühlt sie sich heimatlos und hat das Gefühl, sein traumatisches Erbe weiterzutragen. Dieses Schicksal möchte sie ihrer eigenen Tochter ersparen, indem sie das generationsübergreifende Trauma aufarbeitet.
Sehr intim, schon fast schonungslos offen und ehrlich berichtet Matzko über ihr Verhältnis zu ihrer Familie und insbesondere zum Vater. Zerrissen zwischen Erwartungs- und Leistungsdruck sowie Loyalität zur Familie versucht sie mithilfe therapeutischer Unterstützung der Ursache ihrer Erkrankungen auf den Grund zu gehen und aufzuarbeiten, im besten Falle sogar zu heilen. Sie spürt eine „seltsame innere Wut“ bei sich selbst und hat häufiger Wutausbrüche ihres Vaters erlebt. Diese hofft sie durch die Reise nach Ostpreußen besser verstehen und einordnen zu können. Als höchstes Ziel sieht sie eine Art Seelenfrieden, wohl wissend, diesen eigentlich nie erreichen zu können.
Angesichts des ernsten Themas ist das Buch in einer sehr klaren und direkten Sprache geschrieben und lässt den Leser auf unterhaltsame Art an der inneren Zerrissenheit der Autorin teilhaben.
Zwischen Erwartungs- und Leistungsdruck
Die bildhaften Beschreibungen der Reise mit Ehemann, Tochter und Hund bei Sommerhitze in einem Auto sind fast schon kleine „Verschnaufpausen“ zwischen den ernsten und berührenden Ausführungen einzelner Therapiesitzungen und -methoden. Die Journalistin gewährt einen sehr persönlichen Einblick in ihre Gefühlswelt und bleibt dabei authentisch und nie belehrend.
Auch ihrem politisch ganz anders denkenden Vater begegnet sie mit liebevollem Respekt und versucht, die Hintergründe seines Wesens und Verhaltens nachzuvollziehen. Immer wieder telefoniert sie mit ihm während der Reise und schildert die ihm bekannten Orte, zu denen er eigene Erfahrungen aus seiner Kindheit und Jugend teilt. Auf diese Weise verschmelzen auch für den Leser die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, als säße man mit im Auto. Aus dem „Mythos Ostpreußen“ wird während der Fahrt eine Wunde, die heilen kann.
„Alte Wut“ ist weder Traumatherapie noch Geschichtsstunde, liefert aber quasi nebenbei das notwendige historische und medizinische beziehungsweise wissenschaftliche Wissen, um die Reise und deren Bedeutung für die Autorin und letzten Endes auch für ihren Vater einschätzen zu können. Auch wenn die Auswirkungen der Vergangenheit bei Matzko schwere gesundheitlich bedrohliche Züge angenommen haben, zeigt das Buch auch allgemein den Einfluss und die Bedeutung der Geschichte auf das Leben und die eigene Identität.
Krisen unterschiedlichster Art und deren Herausforderungen machen das Leben immer schwieriger, ein Verständnis der Generationen untereinander kann dabei nur helfen. Matzko ist mit ihrem Buch ein wichtiger Beitrag dazu gelungen, der auch für Leser ohne Fluchterfahrung in der Familie Denkanstöße gibt und die Relevanz von psychischer Gesundheit noch einmal unterstreicht. Es schlägt eine Brücke zwischen Mitmenschen und ist ein Appell für mehr Empathie.
Am 18. November hat Caro Matzko im ausverkauften Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg gelesen und das Publikum begeistert. Weitere Termine der Lesereise für das kommende Jahr stehen auf der Webseite des Verlags
www.piper.de/buecher/alte-wut-isbn-978-3-492-07372-1 und auf www.instagram.com/caromatzko kann man der Autorin auf Instagram folgen.
Caro Matzko: „Alte Wut. Warum ich an den Ort reiste, von dem mein Vater einst fliehen musste“, Piper Verlag, München 2025, gebunden, 224 Seiten, 24 Euro