09.11.2025

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Soll der Schicksalsort dreier hochmütiger Frauen gewesen sein: Der Hohnekamm im Harz, Sachsen-Anhalt
Bild: IMAGO/Dieter MendzigallSoll der Schicksalsort dreier hochmütiger Frauen gewesen sein: Der Hohnekamm im Harz, Sachsen-Anhalt

Heimatseele

Deutschland ist gespickt mit mystischen Orten

Zahllose Ecken unseres Landes sind von uralten Sagen durchtränkt. Geister und Hexen, lange verstorbene Kaiser, Helden und Ungeheuer bevölkern sie – Doch leider wissen immer weniger Deutsche davon

Wolfgang Kaufmann
09.11.2025

Die Bundesrepublik des Jahres 2025 bietet nicht selten ein deprimierendes Bild. Etliche der angeblich so „bunten“ Städte muten reichlich grau und öde an, weil ihre Infrastruktur verrottet und das kulturell-soziale Leben verarmt. Auf dem platten Land wiederum sorgt die Abwanderung der Jugend vielfach für Tristesse und Verfall. Und dennoch gibt es sie noch: Die Örtlichkeiten, welche eine Faszination ausstrahlen, die wir im bleiernen Einerlei des nur in Sonntagsreden „besten Deutschland aller Zeiten“ immer schmerzlicher vermissen.

Letztlich ist unser Land sogar übersät mit solchen Inseln der Nichtalltäglichkeit. Kaum eine Burgruine, die nicht mit Sagen oder verborgenen Schätzen in Verbindung gebracht wird, und kaum ein Berg, Fluss, See, Felsen oder Moor ohne Mythen rund um tatsächliche oder angebliche frühere Ereignisse.

Dabei hat jede Gegend Deutschlands ihre regionalen Besonderheiten. So bringt die raue Natur an der Nord- und Ostsee andere Überlieferungen hervor als die Gebirge vom Harz bis zu den Alpen oder die romantischen Flusslandschaften in der Mitte Deutschlands mit ihren alten Gemäuern auf den umliegenden Höhen. Dennoch zeigen sich übergreifende Gemeinsamkeiten bei den Erzählungen über bekannte oder auch unbekannte Plätze.

Wobei zu den bekannten beispielsweise die Rattenfängerhöhle bei Hameln, der Hexentanzplatz im Harz und die Externsteine, also das „Deutsche Stonehenge“, im Teutoburger Wald gehören. Dagegen sind Lokalitäten wie die Drachenschlucht bei Eisenach, die Keltenfestung auf dem Ipf in der Schwäbischen Alb oder der uralte Judenfriedhof auf dem Heiligen Sand in Worms eher Geheimtipps.

Heidnisch und christlich
Typisch ist jedenfalls, dass die Menschen früher gerne versuchten, übernatürliche Erklärungen für natürliche Phänomene zu finden. Davon zeugen unter anderem die Sagen rund um den Untersberg im Berchtesgadener Land. Weil hier – wie in Kalkgebirgen mit ihren zahlreichen tückischen Karsttrichtern leider üblich – immer wieder Menschen spurlos verschwanden, entstanden Legenden über merkwürdige „Zeitlöcher“.

Manchmal sollen die mystischen Plätze hierzulande aber auch der Schauplatz von besonders spektakulären Ereignissen gewesen sein. Beim Boitiner Steintanz in Mecklenburg-Vorpommern handelt es sich eigentlich um eine prähistorische Kult- und Begräbnisstätte mit insgesamt 30 Menhiren. Der Legende nach sind das freilich die Überreste von Bauersleuten, welche während einer Hochzeit derart übermütig Brot, Kuchen und Würste verschwendeten, dass sie aufgrund dieses Frevels allesamt in Steine verwandelt wurden.

Außerdem wäre da der noch sehr lange Zeit wirkmächtige Einfluss vorchristlichen Gedankengutes. Dazu gehört der Glaube an die Beseeltheit der Natur und die Existenz von Riesen oder Zwergen, wie er nicht zuletzt in den Überlieferungen über den Nienhäger Gespensterwald bei Bad Doberan, die „Moosmännchen“ auf dem Kahleberg im Osterzgebirge und die Entstehung des Berges Milseburg in der Rhön zum Ausdruck kommt.

Andere mystische Plätze erinnern an vorchristliche Götter oder Kulte. Markante Beispiele hierfür sind der Druidenhain in der Fränkischen Schweiz, der Keltenhügel von Hirschlanden bei Ditzingen und das Areal um den schon vor 4000 Jahren aufgerichteten Gollenstein im Saarpfalz-Kreis.

Dazu kommen unzählige Mythen, welche im Christentum wurzeln und meist auf Heilige oder den Teufel Bezug nehmen. Die Teufelsmauer im Harz ist eine 20 Kilometer lange Kette von pittoresken Sandsteinfelsen, über deren Entstehung es etliche verschiedene Sagen gibt, die aber sämtlich darauf abzielen, dass die Formation ein Werk des Leibhaftigen darstelle. Dagegen erinnert die Kapelle am Forggensee an Magnus von Füssen, der hier im 8. Jahrhundert etliche Drachen getötet und der Bevölkerung damit große Erleichterung verschafft haben soll.

Botschaften von Gut und Böse
Zahllose weitere, als mystisch geltende Plätze sind mit Erinnerungen an reale geschichtliche Ereignisse wie Kriege oder Hungersnöte und historische Personen verknüpft, wobei es sich bei den Letzteren meist um Gesetzlose oder Herrscher handelte. Ein allgemein bekanntes Beispiel hierfür ist die Barbarossa-Höhle im Kyffhäuser, in welcher der Staufer-Kaiser Friedrich I. Barbarossa dem Volksglauben nach schlafend auf seine Rückkehr an die Spitze des Reiches wartet. Etliche Geschichten ranken sich auch um die ehemalige Reichsburg Trifels im Pfälzer Wald. Hier saß der englische König Richard I. Löwenherz 1193 in Haft, woraus die Mär von der kühnen Befreiung des Monarchen durch den Troubadour Blondel de Nesle entstand. Außerdem heißt es in Anlehnung an die Kyffhäusersage, Barbarossas Enkel Friedrich II. oder gar Karl der Große würden unter den Felsen der Burg schlummernd auf ihre Auferstehung und erneute Machtübernahme warten.

Ansonsten enthalten die Legenden über die deutschen „Kraftorte“ oft auch Hinweise auf Normen und Werte, die es durchzusetzen galt. Gutes wurde von höheren Mächten belohnt und Bosheit, Gier, Wollust und andere Sünden wurden bestraft – was deutlich öfter von Nöten war. So sollen die Hohneklippen im Harz drei schöne Jungfrauen verkörpern, die in grauer Vorzeit wegen ihres Hochmuts gegenüber der Männerwelt als Steinsäulen endeten. Wohltaten konnten artige Mädchen dahingegen von Frau Holle erwarten, die angeblich auf dem Hohen Meißner im Fulda-Werra-Bergland residiert, wobei der Teich auf dem Bergmassiv noch heute als Eingang zu Frau Holles „Anderswelt“ gilt.

Allerdings dürfte das Wissen um die Besonderheiten all dieser sagenumwobenen Plätze bald für immer verschwinden. Denn die jüngeren Generationen von heute verlernen neben dem Rechnen, Schreiben und Lesen sowie dem korrekten Gebrauch der Muttersprache zunehmend auch die Beschäftigung mit der realen Welt jenseits des digitalen Universums. Dadurch erleidet das kollektive Gedächtnis der Deutschen einen irreversiblen Schwund. Aber damit nicht genug: Mit den Erzählungen über die Bedeutung der mystischen Plätze in unserem Land geraten gleichermaßen wichtige Moralvorstellungen von jahrhundertelanger Gültigkeit in Vergessenheit.


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