18.12.2025

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Von der Skizze (links) zu fertigen Ölbildern (rechts): Bildnisse des Violinisten Andreas Weißgerber, jeweils 1919
Bild: Courtesy Musée national d‘archéologie, d‘histoire et d‘art, Luxemburg (MNAHA)/Uwe Moosburger, www.altrostudio.deVon der Skizze (links) zu fertigen Ölbildern (rechts): Bildnisse des Violinisten Andreas Weißgerber, jeweils 1919

Kunst

Skizzenreiche Geburt im Kuhstall

Genese von Bildwerken eines ostpreußischen Malgenies – Die Regensburger Ausstellung „Lovis Corinth – Bildrausch“

Markus Bauer
18.12.2025

Zum 100. Todestag von Lovis Corinth teilen sich gleich drei Museen das Œuvre des am 17. Juli 1925 gestorbenen ostpreußischen Malers. Die Alte Nationalgalerie von Berlin stellt bis 25. Januar mit „Im Visier!“ den Künstler in Verbindung zur „entarteten Kunst“ (die PAZ berichtete), im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München geht es bei „Corinth werden!“ bis 6. März um die Einordnung des Künstlers in die Kunstgeschichte, und das Kunstforum Ostdeutsche Galerie (KOG) in Regensburg stellt bis 18. Januar mit „Bildrausch“ Corinths Skizzenbücher in den Vordergrund.

Neben zwölf Skizzenbüchern und zwei Skizzen-Alben präsentiert die Regensburger Ausstellung 29 Gemälde sowie 47 Zeichnungen und Druckgraphiken. Dabei wird nicht nur die Genese der Kunstwerke dokumentiert. Häufig wurde im Zuge der Vorbereitungen bei mikroskopischen Analysen der Bilder ersichtlich, dass Corinth mehrere Farben beziehungsweise Farbschichten übereinander auftrug. Auch vor diesem Hintergrund kann von einem wahren „Bild(er)rausch“ gesprochen werden.

Der besondere Bezug des ostpreußischen Künstlers zum KOG ergibt sich aus mehreren Aspekten: Hier befindet sich nicht nur „eine der größten Sammlungen Lovis Corinths“, wie Walter Boeckh, Vorsitzender des Stiftungsvorstands, hervorhob. Auch der nach Corinth alle zwei Jahre verliehene KOG-Kunstpreis hält diesen und sein Werk in Erinnerung.

In der Dauerausstellung waren zuletzt nur vier Corinth-Werke ausgestellt. Doch im Depot der Regensburger Galerie befinden sich noch über 500 Arbeiten des Malers. Darunter sind auch zwölf Skizzenbücher (in den 1980er/1990er Jahren von Corinths Kindern Wilhelmine und Thomas erworben beziehungsweise eines im Jahr 2013) und ein von ihm selbst zusammengestelltes Album mit eingeklebten Zeichnungen. „Damit lässt sich seine komplette künstlerische Entwicklung von den ersten Anfängen ab etwa 1876 bis 1924/25 darstellen“, erläuterte Boeckh.

Mona Stocker, die Sammlungsleiterin Gemälde/Skulptur, und Sebastian Schmidt von der Sammlungsleiter Graphik, haben nun federführend Corinths Skizzenbücher wissenschaftlich bearbeitet, systematisiert und digitalisiert. Ihr Wert liegt vor allem darin, dass sie oft Grundlage für spätere Gemälde waren. Die Genese vieler Corinth-Werke – ob aus dem KOG-Bestand oder Leihgaben namhafter Museen – ist in der Ausstellung nachzuvollziehen. Dank großer Unterstützung durch öffentliche Fördermittel sowie durch Sponsoren und Spender konnte auch ein in der Ausstellung gezeigtes Werk restauriert werden: „Schächer am Kreuz“ (1904) von Ivo Hauptmann, dem Sohn des Schriftstellers Gerhart Hauptmann. Bei Corinth hat Ivo Hauptmann in den Jahren 1903/04 gelernt und Corinth-Themen in Kopie bearbeitet. Auch die technische Ausrüstung der Medienstation konnte unterstützt werden.

Ein in den USA befindliches Corinth-Opus hätte KOG-Direktorin Agnes Tieze gerne ausgeliehen, was aber im Rahmen der Zeitabläufe nicht möglich war. „Jedes Werk aus unserem eigenen Bestand haben wir gereinigt und – wenn nötig - aufgearbeitet. Vor allem die Skizzenbücher haben die beiden Kuratoren in einem Wahnsinnstempo – neben ihrer laufenden Tätigkeit – bearbeitet“, lobte Tieze.

Ansichten vom Geburtsort Tapiau
Corinths „rauschhafte Farbenlandschaften“, so Kuratorin Stocker, zeigt bereits im Eingangsbereich unter anderem ein Film mit dem Titel „Schaffende Hände“, in dem die Pinselführung des Malers sichtbar gemacht wird. Das Gleiche gilt für Bilder mikroskopischer Vergrößerungen aus seinen Werken, wodurch die Farbvielschichtigkeit deutlich wird.

Der erste Ausstellungsraum widmet sich Corinths regionaler und familiärer Herkunft: dem Geburtsort Tapiau, in dem der Künstler am 21. Juli 1858 das Licht der Welt erblickte. Ansichten des Ortes und Porträts sowie Skizzen – unter anderem des Vaters und Selbstbildnisse – belegen seinen besonderen Bezug zu diesen prägenden Sujets. Deutlich wird auch, dass sich manchmal in den Skizzenbüchern enthaltene Motive später nicht in Gemälden finden lassen. Entweder hat Corinth die Ideen nicht weiterverfolgt oder entstandene Bilder selbst zerstört, oder sie sind aus anderen Gründen wie etwa durch Kriegseinwirkung vernichtet worden.

Im zweiten Raum geht es vor allem um Tiere, darunter auch die am frühesten erhaltene Leinwand „Im Kuhstall“ von 1879. Anhand des Entwurfs im Skizzenbuch, der in Tusche gefertigten Vorzeichnung und schließlich des Endprodukts (Öl auf Leinwand) wird der Entstehungsprozess sichtbar. Ebenso die Tatsache, dass Corinth sehr viel später – im Jahr 1922 – ein weiteres Bild dieses Inhalts geschaffen hat. Weitere Bilder wie eine Hundestudie, ein geschlachteter Ochse oder das Genrebild „Im Fischerhaus“ dokumentieren ebenso diesen Themenbereich.

Dem Walchensee und den damit korrespondierenden Bildern ist der dritte Raum gewidmet. Seit 1919 verbrachte Corinth hier mit seiner Frau Charlotte Berend-Corinth sowie den Kindern Thomas und Wilhelmine die Sommer- und Winterferien im eigenen Haus in Urfeld. Vor allem das „Walchensee-Skizzenbuch“ enthält Zeichnungen aus dem trauten Familienbereich. Die hier entstandenen Werke trugen wesentlich zu Corinths Ruhm bei.

„Venus und Grazien“ lautet das Thema im vierten Raum. Wie der Titel ausdrückt, geht es um Darstellungen der römischen Göttin der Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit. Über fast seine gesamte Zeit als Künstler hat Corinth immer wieder in verschiedenen Stilen und Techniken diese Figur dargestellt. „Bangen und Hoffen“ im Raum fünf bezieht sich auf die Erfahrung der Todesnähe nach dem am 19. Dezember 1911 erlittenen Schlaganfall. Zu sehen sind hier auch Werke zum Thema „Paradies“.

Im großen Saal sind schließlich Porträts und mehrfigurige Kompositionen zu sehen – unter anderem „Diogenes“ (1896), „Salome“ (1899/1900) oder „Das große Martyrium“ (1907). Auch zu diesen erzählerischen, groß angelegten Szenen gibt es Skizzen und Graphiken, die über die Entstehung Auskunft geben.

„Lovis Corinth – Bildrausch“, bis 18. Januar im Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Dr.-Johann-Maier-Straße 5 in Regensburg, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, an den Weihnachtstagen und am Neujahrstag geschlossen. Eintritt: 6 Euro. www.kunstforum.net 


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