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Die rechte Partei Reform UK lässt Labour und Tories zittern – Könnte Nigel Farage Premier werden?
Das Zwei-Parteien-System aus Labour und Konservativen, das in Großbritannien seit einem Jahrhundert dominiert, scheint derzeit zu kollabieren. Das zeigen die dramatischen Zugewinne für die noch junge Reform-Partei bei den Kommunalwahlen in England und der Nachwahl für einen Unterhaussitz Anfang Mai. Wie ein Bulldozer hat Reform UK die unpopuläre Regierungspartei Labour und die oppositionellen Konservativen (Tories) beiseitegeschoben.
Die von Nigel Farage, dem Brexit-Vorkämpfer, gegründete Reform-Partei gewann bei den Kommunalwahlen aus dem Stand 677 Sitze in den 23 Stadträten und Bezirksvertretungen – mit Abstand die meisten Mandate. Reform wird nun wegen des Mehrheitswahlsystems in zehn Councils, also Stadträten beziehungsweise Bezirksparlamenten, teils mit sehr großer Mehrheit regieren. Auf den zweiten Platz kamen bei der Kommunalwahl die Liberaldemokraten (370 Sitze) und auf dem dritten Platz landeten die stark gebeutelten Tories (319), die massenhaft Mandate verloren. Farage sprach schon vom „Tod der Tories“. Die Konservativen verloren sogar in so traditionellen Tory-Gebieten wie Kent eine dramatische Zahl von Mandaten.
Labours Katzenjammer
Auch Labour büßte ein und kam nur noch auf 98 Sitze, nicht viel mehr als die Grünen. Besonders bitter für die Partei von Premier Keir Starmer: die Niederlage im Wahlkreis Runcorn and Helsby im Nordwesten Englands. Dort hatte Labour 2024 noch mit mehr als 14.000 Stimmen den Wahlkreis gewonnen. Der Abgeordnete musste aber zurücktreten, weil er nach einer nächtlichen Kneipentour einen Passanten zusammengeschlagen hatte.
Bei der Nachwahl des Unterhaussitzes kam nun die Reform-Kandidatin Sarah Pochin, eine ehemalige Tory-Gemeinderätin, mit einem ganz knappen Vorsprung von sechs Stimmen vor Labour durchs Ziel. Seitdem herrscht Katzenjammer bei der Labourpartei. Verzweifelte Hinterbänkler wollen jetzt die Kürzungen von Sozialleistungen rückgängig machen, die für viel Unmut gesorgt haben.
Farage, der stets grinsende Medienzampano von Reform UK, hat dieser Tage noch mehr zu lachen als sonst. Die Partei wächst rasant, angeblich hat sie schon mehr als 230.000 Mitglieder gewonnen. Der eloquente Menschenfänger Farage, der nach dem Brexit vor fünf Jahren, seinem Lebensthema, eigentlich als politisches Auslaufmodell galt, nimmt nun noch höhere Ziele ins Auge: Könnte er tatsächlich nächster Premierminister werden, als Nachfolger des bei den Briten inzwischen unpopulären Starmer?
Bei der Parlamentswahl im Juli 2024 gewann Reform gut vier Millionen Stimmen, aber bloß fünf Sitze – das Mehrheitswahlsystem ist eine extreme Hürde für kleinere Parteien. Doch inzwischen ist Reform UK keine kleine Partei mehr, wie die Kommunalwahlen in England zeigten. Dort kam Reform auf durchschnittlich etwa 30 Prozent der Stimmen. Laut neuesten Wählerumfragen führt sie landesweit vor Labour. Würde sie das Niveau bis zur nächsten britischen Unterhauswahl im August 2029 halten, könnte die Partei von Farage tatsächlich einen Erdrutschsieg einfahren.
Noch vor ein paar Monaten gab es nur höfliches Gelächter, als der 61-Jährige bei einer Gala-Veranstaltung des konservativen Magazins „The Spectator“ mit einem Preis geehrt wurde und verkündete, bei der nächsten Wahl würde seine fünfköpfige Reformtruppe so stark zulegen, dass sie zu Hunderten in Westminster einfallen könne.
Gegner von Regenbogenfahnen
Inzwischen lacht niemand mehr über ihn. Der ehemalige Banker und Rohstoffhändler, der in den 1990ern in die Politik ging und mit der UKIP (United Kingdom Independence Party) und später der Brexit-Partei die anderen so lange vor sich hertrieb, bis er den EU-Austritt durchsetzte, ist einer der einflussreichsten Politiker des Landes. Nur in Westminster bleiben ihm die Türen lange verschlossen. Nun sitzt er kurz vor dem Tor zur Macht.
Farage beherrscht das Spiel mit Medien und Öffentlichkeit wie kein Zweiter. Er wettert gegen die „Diversitäts-Beauftragten“ und die Klimapolitik von Labour. In den von Reform beherrschten Städten sollen künftig keine Regenbogenfahnen mehr wehen, nur noch britische Flaggen. Die Partei gibt sich zuwanderungskritisch. Farage fordert einen wirksamen Stopp der illegalen Schlauchboot-Migranten. Premierminister Starmer hat das auch versprochen, doch die Zahlen der gefährlichen illegalen Überfahrten steigen wieder.
Das Etikett „Rechtsaußen“-Partei wäre für Reform indes nicht ganz passend. Der Geschäftsführer der Partei, der Ex-Unternehmer und Millionär Zia Yusuf, ist ein (moderater) Muslim. Farage hat sich mit dem US-Milliardär Elon Musk überworfen, weil Musk sich für den inhaftierten rechten Aktivisten Tommy Robinson einsetzte, während Farage diesen draußen halten will. Farage versucht, sich vom extremen Rand fernzuhalten und in die Mitte des Parteiensystems vorzudringen. Allerdings gibt es Risiken. Eines davon sind die wiederkehrenden innerparteilichen Spannungen und Spaltungen. Mit einem der fünf Reform-Abgeordneten in Westminster hat sich Farage schon verkracht und ihn aus der Partei geschmissen.