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Zwischenfälle im All

Die Helden des Weltraums bauen manchmal ganz schönen Mist

Saufgelage in der Raumkapsel, ein eingeschmuggeltes Krümel-Sandwich oder handfeste Pöbeleien mit der Bodenstation: Astronauten haben schon des Öfteren heftig über die Stränge geschlagen

Wolfgang Kaufmann
02.09.2025

Mittlerweile umfasst die Liste der Raumfahrer bereits 716 Personen aus 47 Staaten rund um die Welt. Diese gelten gemeinhin als Helden oder zumindest als Teil einer Elite – von den Weltraumtouristen mit den dicken Brieftaschen einmal abgesehen. Tatsächlich waren und sind jedoch nicht wenige Astronauten und Kosmonauten schwierige Persönlichkeiten, welche auch zu Verfehlungen neigen.

So sorgte bereits der erste Mensch im All, der sowjetische Fliegermajor Jurij Gagarin, nach seiner Mission für reichlich Ärger, als er bei einem Techtelmechtel im Urlaub auf der Krim stürzte und sich eine Schädelfraktur zuzog, die seine Flugtauglichkeit für immer beeinträchtigte. Parallel dazu bot der erste amerikanische Astronaut Alan Shepard das Bild eines Mannes mit höchst aggressivem Selbstvertrauen. Damit stand der Ex-Testpilot nicht allein. In der Anfangszeit der Raumfahrt waren die potentiellen Astronauten und Kosmonauten fast immer vor Testosteron strotzende Militärflieger mit Mumm, Charisma sowie einem ausgeprägten Ego. Und das meldete sich dann eben auf der Erde wie im All. Beispielsweise fuhr der US-Raumfahrer Nummer 6, Gordon Cooper, lieber Autorennen, als für künftige Missionen zu trainieren, weshalb er am Ende nicht zum Mond fliegen durfte. Ebenso hatte Cooper die Instrumente in seiner Mercury-Kapsel benutzt, um nach Wracks von Schatzschiffen zu suchen, anstatt mit vollem Einsatz sowjetische Atomraketensilos zu orten.

USA „zum Gespött gemacht“
Gleichfalls dem schnöden Mammon verfallen war die Besatzung von Apollo 15. Sie nahm 1971 heimlich 398 frankierte Briefumschläge mit auf den Mond, um sich danach am Verkauf der begehrten Sammlerstücke zu bereichern. Keiner der drei Astronauten durfte jemals wieder fliegen. Negatives Aufsehen erregten auch Eugene Cernan und John Young. Cernan fluchte während der Live-Übertragungen von der Apollo-10-Mondmission derart gotteslästerlich, dass empörte Geistliche bei der NASA und im Weißen Haus intervenierten. Young wiederum schmuggelte zur Ergänzung der drögen Astronautennahrung ein Corned-Beef-Sandwich an Bord von Gemini 3, wo die Krümel die Kabinenatmosphäre verunreinigten. Daraufhin beantragten NASA-Kritiker im Kongress eine 50-prozentige Kürzung des Etats der Raumfahrtbehörde, weil sie Amerika „zum Gespött gemacht“ habe.

Von der ersten Generation der sowjetischen Kosmonauten drang weniger Belastendes an die Öffentlichkeit. Auf jeden Fall aber verschwieg der Fliegermajor und Kommandant von Woschod 2, Pawel Beljajew, eine schwere chronische Erkrankung, um seinen Einsatzstatus nicht zu gefährden. Dieses Täuschungsmanöver kostete ihn letztlich das Leben.

Mit dem Beginn der Langzeitmissionen in den Raumstationen Skylab, Saljut, Mir und ISS kamen dann noch weitere Probleme hinzu: Monotonie und psychischer Stress durch das oft monatelange Leben auf engstem Raum. Sowjetische und später dann russische Kosmonauten versuchten ihre daraus herrührenden Frustrationen auf landestypische Weise in Alkohol zu ertränken, obwohl das strengstens verboten war. Beispielsweise konsumierten die Kosmonauten während der Pannenmission von Sojus TM-25 zur Mir im Jahre 1997, in deren Verlauf es an Bord der Station brannte und der Raumtransporter Progress M-34 mit dem Außenposten im All kollidierte, regelmäßig Cognac und sibirischen Ginseng-Likör, um „ihr Immunsystem zu stimulieren“.

Der Alkohol half indes nicht immer. So verfiel Alexander Lawejkin 1987 bei seinem 174-Tage-Aufenthalt auf der Mir in Depressionen und hegte Selbstmordgedanken. Wieder auf der Erde nahm der Kosmonaut dann derart zu, dass er in keinen Raumanzug mehr passte und schließlich entlassen wurde. Andere Raumfahrer suchten regelmäßig Streit mit dem Bodenpersonal. Außerdem kam es während der Missionen Skylab 4 und Mir EO-18 sogar zu streikähnlichen Situationen.

Rabiates Eifersuchtsdrama
In manchen Fällen erlitten die Astronauten trotz der ausgefeilten Auswahlverfahren, die genau dies verhindern sollten, komplexe körperliche und psychische Zusammenbrüche. Die Mission Sojus T-14 zur Saljut 7 musste 1985 wegen einer schweren Erkrankung des Kommandanten Wladimir Wasjutin vorzeitig abgebrochen werden. Und im Fall des Fluges von Sojus 21 zur Saljut 5 traf es sogar beide Kosmonauten, sodass Boris Wolynow und Witalij Scholobow deutlich eher zur Erde zurückkehrten als geplant.

Auf der Internationalen Raumstation (ISS) zog sich die US-Astronautin Serena Auñón-Chancellor eine Thrombose zu. Dies soll zu mentalen Ausnahmezuständen geführt haben, die sie veranlassten, im August 2018 ein winziges Loch in das angekoppelte Raumschiff Sojus MS-09 zu bohren – in der Hoffnung, dass der so ausgelöste Druckabfall zum vorzeitigen Abbruch ihrer Mission führt. So jedenfalls lautet die russische Version, während die NASA den Vorgang bis heute bestreitet.

Zweifelsfrei bewiesen ist die Entgleisung der US-Astronautin Lisa Nowak. Sieben Monate nach ihrem ersten Raumflug im Juli 2006 mit dem Raumgleiter Discovery wurde die 43-Jährige wegen versuchter Entführung, bewaffneten Diebstahls und Körperverletzung angeklagt. Nowak wollte sich offenbar ihrer Rivalin Colleen Shipman entledigen, die wie sie in den Astronauten William Oefelein verliebt war. Dabei stand anfänglich sogar der Verdacht auf versuchten Mord im Raum.

Angesichts solcher Auswirkungen der Geschlechterdynamik dürften künftige Marsflüge von bis zu zwei Jahren Dauer nicht nur zur technischen Herausforderung geraten. Einen kleinen Vorgeschmack hierauf lieferte die 110 Tage währende Simulation eines Marsfluges in der russischen Anlage Sphinx Ende 1999/Anfang 2000. In deren Verlauf wurde die kanadische Astronautenanwärterin Judith Lapierre vom russischen Missionschef Wassilij Lukjanjuk mehrfach sexuell belästigt. Zudem prügelte sich der Russe mit einem Kollegen, um so die Gunst von Lapierre zu erringen. Nicht auszudenken, wenn sich etwas Derartiges in den Tiefen des Alls ereignet, wo kein sofortiger Missionsabbruch möglich ist.


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